Trotz weißer Weste deportiert
Von Julieta Daza, Caracas
Die Auseinandersetzung um die mehr als 230 venezolanischen Migranten, die Mitte März aus den Vereinigten Staaten in ein Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador abgeschoben wurden, geht weiter. Vergangenen Freitag hat sich »Human Rights Watch (HRW) zu dem Fall geäußert. Laut der NGO hätten die Regierungen der USA und El Salvadors die Venezolaner gewaltsam verschwinden lassen und willkürlich, also ohne ein ordnungsgemäßes Verfahren, inhaftiert. «Dieses gewaltsame Verschwindenlassen stellt eine schwere Verletzung der internationalen Menschenrechte dar», wird Juanita Goebertus, Direktorin der Amerikaabteilung von HRW, in einer Pressemitteilung vom Freitag zitiert.
Der NGO zufolge seien die Betroffenen seit der Abschiebung und Inhaftierung im sogenannten Gefängniszentrum für Terrorismus (spanisch kurz Cecot) isoliert. Weder die US- noch die salvadorianischen Behörden hätten bis jetzt eine Liste der inhaftierten Personen vorgelegt. Am 5. April hatte HRW ein Schreiben an die salvadorianischen Behörden gesandt und Informationen über die Identität der Inhaftierten, ihre Haftbedingungen und die Rechtsgrundlage für ihre Gefangennahme gefordert. El Salvador hat bisher nicht darauf geantwortet. Ein salvadorianischer Anwalt, der mehrere der Inhaftierten vertritt, erklärte gegenüber der NGO, er habe seine Mandanten bisher nicht treffen oder mit ihnen sprechen dürfen.
Vergangenen Mittwoch hatten Dutzende Angehörige der Inhaftierten am UN-Sitz in der venezolanischen Hauptstadt Caracas eine Kundgebung durchgeführt, um die Vereinten Nationen dazu aufzufordern, sich für ihre Familienmitglieder einzusetzen. Wie der staatliche Fernsehsender Venezolana de Televisión berichtete, trugen viele Demonstranten bunte Plakate mit Namen und Fotos ihrer Angehörigen sowie Losungen wie «Gerechtigkeit und Freiheit für unsere Kinder». Im Rahmen dieser Aktion übergaben sie eine Petition an Gianluca Rampolla, den UN-Vertreter in Venezuela, in der sie Lebenszeichen der Inhaftierten verlangen.
Ebenfalls am vergangenen Mittwoch war eine Recherche des US-Mediums Bloomberg veröffentlicht worden, der zufolge fast 90 Prozent der nach El Salvador deportierten Venezolaner in den USA weder schwerer Straftaten beschuldigt werden noch vorbestraft sind. Bloomberg habe Hunderte Seiten von Strafregistern sowie weiterer behördlicher Erklärungen durchsucht. Das Ergebnis: Nur fünf Männer waren wegen schwerer Straftaten mit Schusswaffen wie zum Beispiel Körperverletzung angezeigt worden, drei weitere wegen kleinerer Vergehen, darunter einfacher Diebstahl, und zwei wegen der Schleusung von Migranten. Beim Rest der Deportierten habe man keine Straftaten finden können.
Laut dem US-Innenministerium hätten alle venezolanischen Abgeschobenen die Straftat begangen, keine Papiere zu besitzen. Zudem seien auch die, die in den USA nicht angeklagt oder vorbestraft waren, «Terroristen, Verletzer der Menschenrechte oder Gangmitglieder». Laut ebenfalls von Bloomberg zitierten Anwälten hätten die Behörden in vielen Fällen nur aufgrund von Tätowierungen die Migranten als angebliche Mitglieder der venezolanischen Gang «Tren de Aragua» identifiziert. Viele der Betroffenen wurden auf Grundlage des «Alien Enemies Act» von 1798 abgeschoben, der aber nur für den Fall eines Krieges oder einer Invasion in Kraft treten kann und Abschiebungen im Schnellverfahren ermöglicht. US-Präsident Donald Trump rechtfertigt die Anwendung des Gesetzes mit der Behauptung, die Einreise angeblicher Mitglieder von «Tren de Aragua» stelle eine Invasion dar.
Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hatte am vergangenen Montag den Abschiebungen zugestimmt, solange die Migranten vorher benachrichtigt würden und ihren Fall ordnungsgemäß vor Gericht bringen könnten. Doch zwei Regionalgerichte haben vergangenen Donnerstag die Abschiebung weiterer venezolanischer Migranten nach El Salvador vorübergehend gestoppt, wie mehrere US-Medien berichteten. Die Abschiebungen bringen also auch das Kräftemessen zwischen Bezirksgerichten und dem Präsidenten zum Ausdruck.
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