Immer noch Zweifel
Von David Siegmund-Schultze
War es Wahlbetrug oder nicht? Am Sonntag hat der Nationale Wahlrat (CNE) Ecuadors den Amtsinhaber Daniel Noboa zum Wahlsieger erklärt. Mit 56 zu 44 Prozent der Stimmen habe er seine linke Kontrahentin Luisa González deutlich hinter sich gelassen. Die erkannte das Ergebnis jedoch nicht an: Es habe einen »grotesken Wahlbetrug« gegeben, und die Stimmen müssten neu ausgezählt werden, sagte sie am Sonntag. Der so deutliche Abstand zwischen den beiden Kandidaten macht tatsächlich stutzig: Bei der ersten Wahlrunde lagen sie mit rund 44 Prozent noch gleichauf, und der mit fünf Prozent drittplazierte Leonidas Iza von der indigenen Pachakutik-Bewegung hatte sich vor der Stichwahl González angeschlossen.
Die Wahlbeobachter der EU und der von Washington dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) erkannten das Ergebnis an – überraschende Unterschiede zwischen den Prognosen und dem Endergebnis allein seien noch kein Beweis für Wahlbetrug, sagte Nacho Sánchez, Chef der EU-Delegation, am Dienstag. Die Wahlbeobachtermission der OAS kritisierte am Dienstag dennoch, dass Noboa entgegen der Verfassung während des Wahlkampfs keine Beurlaubung vom Präsidentenamt beantragt habe. Somit habe er die Möglichkeit gehabt, seine Macht und staatliche Gelder zum eigenen Vorteil zu nutzen.
Ein Vorwurf, den auch González vorgebracht hat. Denn der rechtslibertäre Noboa hat kurz vor dem Wahltag in sieben Provinzen, in denen bei der ersten Wahlrunde die Linke vorne lag, den Ausnahmezustand verhängt. Dort waren die Polizeitruppen Noboas besonders präsent und Bürgerrechte wie die Versammlungsfreiheit aufgehoben. Kolumbiens linker Präsident Gustavo Petro äußerte ebenfalls Zweifel am Wahlergebnis. Der Bericht der kolumbianischen Wahlbeobachter sei »besorgniserregend«, sagte er auf X. Der indigene Politiker Iza sei kurz vor der Wahl verhaftet worden. Zudem habe »die Wahlleitung immer unter direkter militärischer Aufsicht von vermummten und bewaffneten Soldaten« gestanden. Noboa solle die Wahlprotokolle zur Überprüfung vorlegen, so Petro.
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