»Wir müssen als Syrer zusammenkommen«

Seit Dezember verteidigten die Demokratischen Kräfte Syriens den Tischrin-Staudamm gegen den Vormarsch der von der Türkei gestützten Milizen. Nun wurde erstmals öffentlich von einem Waffenstillstand gesprochen. Wie ist die Lage an der Front?
In Tischrin herrscht ein faktischer Waffenstillstand, der allerdings noch nicht offiziell in der Presse verkündet wurde. Wir erwarten, dass die Garantiemächte, die an den Verhandlungen beteiligt waren, den Waffenstillstand offiziell verkünden. Damit würde er für beide Seiten gültig werden.
Hängt der Waffenstillstand mit den Verhandlungen zwischen Damaskus und der Selbstverwaltung zusammen, und was bedeutet die Entwicklung für die Region?
Nach so vielen Jahren des Krieges, der Erschöpfung und der Zerstörung auf allen Seiten wird der Waffenstillstand mit Sicherheit einen sehr positiven Einfluss auf die gesamte Region haben. Das am 10. März zwischen der Selbstverwaltung und Damaskus unterzeichnete Abkommen hat vorerst nur grobe Rahmenbedingungen festgelegt. Um die Eingliederung der Selbstverwaltung in das System der Regierung in Damaskus zu erarbeiten, wurden Ausschüsse gebildet, in denen der Dialog fortgesetzt wird. Wir hoffen, die Verhandlungen bis Ende des Jahres 2025 abgeschlossen zu haben. Als Selbstverwaltung denken wir, dass es notwendig ist, zusammenzukommen und mit einer Sprache des Friedens die vielen Probleme des Landes zu diskutieren. Damit wir die schmerzenden Wunden heilen können, müssen wir als Syrer zusammenkommen und gemeinsam an einem Weg arbeiten, der uns aus der Krise führen wird. Um Syrien zu einem Staat zu wandeln, in dem alle gesellschaftlichen Komponenten, alle Syrer, gleichberechtigt zusammenleben können, ist der Waffenstillstand ein wichtiger Schritt. Denn ohne die Gefechte zu beenden, können die entscheidenden Schritte hin zu einem nichtzentralistischen und demokratischen Syrien nicht gegangen werden. Die Gespräche würden sehr erschwert. Daher lässt uns die Entwicklung aufatmen.
Wie laufen die Gespräche bisher?
Wie wir bereits in der Presse verkündeten, haben unsere Gespräche begonnen und dauern an. Zuletzt ist unser Bildungsausschuss mit dem syrischen Bildungsministerium zusammengetreten, um die dringendsten Fragen, die das Leben zahlreicher Studierender und Schüler betreffen, zu besprechen. Die Gespräche sind äußerst positiv verlaufen, und unsere Delegation ist heute in unsere Gebiete zurückgekehrt. Die Ergebnisse werden im weiteren Verlauf veröffentlicht werden.
In den vergangenen Jahren wurden Hunderttausende Menschen infolge der türkischen Besatzungsoperationen aus ihrer Heimat vertrieben. Laut Medienberichten wird über die Rückkehr der Geflüchteten in Regionen wie Afrin verhandelt. Gibt es bereits Entwicklungen?
Die Selbstverwaltung arbeitet mit aller Kraft daran, den Vertriebenen eine sichere Rückkehr zu ermöglichen. Einige Familien sind bereits auf eigene Faust in ihre Dörfer und Städte zurückgekehrt, doch eine organisierte Rückkehr ist bisher nicht erfolgt. Der Großteil der Vertriebenen aus Afrin und Scheba ist weiterhin in den Regionen Rakka und Tabka in Zelten und Schulen untergebracht. Für eine sichere Rückkehr braucht es internationale Garanten wie das Rote Kreuz oder UNICEF. Besonders nach den Vorfällen, die sich in den syrischen Küstengebieten zugetragen haben, haben viele Menschen Angst. Bisher haben wir keine internationalen Garantien erhalten, und daher gehen unsere diesbezüglichen Anstrengungen weiter
Evin Suleiman Swed ist Kovorsitzende des Exekutivrats der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien
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