Vor dem Kollaps
Von Wiebke Diehl
Es wird weiterhin keine Einfuhren humanitärer Hilfsmittel in den Gazastreifen geben. Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz bestätigte am Mittwoch, dass die Verhinderung von Hilfslieferungen Instrument der israelischen Kriegführung im Gazastreifen bleiben wird. Es sei »eine Schande, dass es Leute gibt, die versuchen, die Menschen in die Irre zu führen«, so Katz. »Derzeit wird niemand humanitäre Hilfe nach Gaza bringen, und niemand bereitet sich darauf vor.« Auch der seit der neuerlichen Intensivierung des Kriegs gegen die Zivilbevölkerung ins Kabinett Netanjahu zurückgekehrte Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, sagte, er werde alles in seiner Macht Stehende tun, um den »historischen Fehler« zu verhindern, eine Lieferung von Hilfsgütern zuzulassen.
Seit Tel Aviv unter Bruch der Waffenruhe vor über sechs Wochen die Kampfhandlungen in der Küstenenklave wieder intensiviert hat, gelangen keine humanitären Hilfsmittel mehr in das Gebiet. Bereits Anfang 2024 hatte eine Gruppe von acht UN-Menschenrechtsexperten Israel vorgeworfen, Hunger als Kriegswaffe einzusetzen. Sie sprachen außerdem von einem »sich entwickelnden Völkermord«. Am Montag warnte die UNO vor der schlimmsten humanitären Katastrophe seit Beginn des Kriegs im Oktober 2023. Die Krankenhäuser stehen aufgrund des Mangels an Medikamenten und medizinischem Gerät kurz vor dem Kollaps, die infolge israelischer Bombardierungen Verletzten können nicht mehr versorgt werden.
Die Blockade humanitärer Hilfe flankiert das militärische Vorgehen der israelischen Armee. Diese hat inzwischen mindestens 50 Prozent des Territoriums des Gazastreifens eingenommen, laut Außenminister Katz soll die Offensive bald »energisch« ausgeweitet werden. Wie am Dienstag bekanntwurde, hat die US-Regierung eine neue Lieferung Tausender Bomben für die israelische Luftwaffe genehmigt. In den kommenden Monaten sollen nach Angaben israelischer Medien noch mehr als 10.000 hinzukommen, um die Vorräte der israelischen Armee aufzufüllen.
Derweil stocken die Verhandlungen um einen neuerlichen Waffenstillstand in Gaza. Dies liegt in erster Linie an den immer neuen Forderungen Tel Avivs, das die Umsetzung der bereits im Dezember erzielten Vereinbarung verweigert. Die Kernforderung der Hamas nach einem dauerhaften Waffenstillstand und einem vollständigen Rückzug der israelischen Armee aus Gaza will man nicht erfüllen. Statt dessen hält die israelische Regierung an ihrem Ziel fest, die Hamas vollständig zu zerschlagen – was allerdings auch israelische Offiziere für utopisch halten.
Ein Hamas-Anführer sagte am Montag gegenüber dem libanesischen TV-Sender Al-Majadin, Tel Aviv versuche, die Hamas vor einem Waffenstillstand zu entwaffnen und ihr schrittweise ihren Einfluss zu nehmen, indem Geiseln freigelassen würden, ohne im Gegenzug relevante Zugeständnisse zu machen. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sprach ein hochrangiger Hamas-Funktionär von einer »roten Linie«, die nicht überschritten werde. Laut Al-Majadin, dem das Dokument mit den israelischen Vorschlägen vorliegt, fordert die israelische Seite die Freilassung von neun Gefangenen, darunter der israelisch-US-amerikanische Soldat Edan Alexander. Am Dienstag meldete die Hamas allerdings, den Kontakt zu dem Doppelstaatler verloren zu haben. Zuvor habe die israelische Luftwaffe den Ort angegriffen, an dem er gefangengehalten worden sei. Im März hatte der Sondergesandte von US-Präsident Donald Trump, Steve Witkoff, erklärt, die Freilassung des 21jährigen habe für die USA oberste Priorität.
Derweil berichtete das Wall Street Journal am Dienstag, Stellvertretermilizen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) wollten die US-amerikanischen Bombardierungen im Jemen nutzen, um eine Bodenoffensive mit dem Ziel der Eroberung der Hafenstadt Hodeida zu starten. Ein Verlust Hodeidas würde den Ansarollah (»Huthis«) eine wichtige wirtschaftliche Lebensader abschneiden und die Einfuhr von Waffen genauso wie die Fortführung ihrer Angriffe auf mit Israel verbundene Schiffe im Roten Meer, im Golf von Aden und in der Meerenge Bab Al-Mandab erschweren.
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