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Aus: Ausgabe vom 26.04.2025, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Baerbock enttarnt?

Von Arnold Schölzel
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Unter dem Titel »Ein deutsches Geschenk für die russische Propaganda« befasst sich Oliver Maksan – Redakteur im Berliner Büro der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) – am Freitag mit der Ausladungsempfehlung für Vertreter Russlands und der Republik Belarus durchs deutsche Außenministerium und dem Rauswurf durch die Bundestagspräsidentin von der Gedenkveranstaltung im Parlament. Der Autor hält das für einen taktischen Fehler, äußert sich aber nicht zur dabei praktizierten Ideologie und Politik, schon gar nicht zu langfristigen Interessen.

Er zählt auf – offenbar als vermeintliche Beweggründe Baerbocks und Klöckners: »Keine Frage, Russland führt mit Weißrusslands Unterstützung einen brutalen Krieg gegen ein souveränes Land.« Bei russischem Beschuss seien jüngst in Kriwij Rig so viele Kinder wie noch nie bei einem einzelnen Angriff seit Kriegsbeginn ums Leben gekommen. Zutiefst beunruhigen müsse, »dass Russland mit hybrider Kriegführung längst auch Deutschland und andere NATO-Staaten ins Visier genommen« habe. Daher sei »geboten, Sicherheit vor Russland zu organisieren«. Schließlich nennt Maksan noch »den sogenannten Tiergartenmord 2019«, den ein deutsches Gericht als russischen »Staatsterrorismus auf deutschem Boden« eingestuft habe. Der Mann ist nahtlos auf NATO-Propagandalinie: Es gibt in dem Krieg, der 2014 mit dem EU- und US-gestütztem Putsch in Kiew seinen Anfang nahm, nur einen Aggressor und Verbrecher.

Maksan lässt diesem Zick ein Zack folgen: Die Schandtatenaufzählung reicht ihm nicht, um russische und belarussische Diplomaten bei Gedenkveranstaltungen für Kriegstote und für die Befreier vom Faschismus vor die Tür zu setzen. Und seine Begründung ist zunächst einleuchtend, weil grundsätzlich: »Die Bundesrepublik ist aber, auch wenn sie die Ukraine unterstützt, nicht im Krieg mir Russland, mag die scheidende Außenministerin Annalena Baerbock auch einmal das Gegenteil behauptet haben.« Der unter ihrer Verantwortung ausgearbeitete Ausladungsappell folge auch »dem Geist dieser Aussage«. Wohl wahr: Es handelt sich um eine indirekte Kriegserklärung. Das aber zieht der NZZ-Redakteur nicht in Betracht. Er schiebt die weichspülende Formulierung nach, der Appell sei »Ausdruck eines wohlmeinenden, aber schädlichen gesinnungsethischen Rigorismus«. Womit die Leserschaft Opfer der NATO-Einheitsmoraltrompeterei wird: Wir sind die Guten, wenn auch nur der Gesinnung nach, die anderen aber haben nicht mal die. Die sind nur im Umbringen rigoros.

Nach diesem weiteren Zick ist der Rest Diplomatenklippschule. Maksan lässt den Nullsatz stehen: »Zwischenstaatliche Beziehungen lassen sich auf Dauer nicht nur nach moralischen Gesichtspunkten gestalten«. Daher: Gegen den Wunsch Baerbocks und Klöckners, zu »verhindern, dass Russland die Veranstaltungen für Propaganda missbraucht«, sei, so Maksan, »nichts einzuwenden«. Dazu hätte aber gereicht, russischen Vertretern Ansprachen zu verwehren. So werde aber das Gegenteil erreicht: »Die russische Propaganda wird nicht durch eine einfache Teilnahme des russischen Botschafters an einer Gedenkstunde des Bundestags oder andernorts gefüttert, sondern durch dessen Ausladung. Der Affront nährt Moskaus Narrativ, sich in der Ukraine gegen eine Verschwörung des Westens gegen Russland zu wehren.«

Baerbock betreibt also das Geschäft Putins und Klöckner ebenso. Weil sie wegen Gesinnungsethik die Folgen missachten. Nicht etwa, weil sie den NATO-Stellvertreterkrieg in der Ukraine mit führen, ihn jetzt nicht beenden wollen und dafür die moralische Kriegstüchtigkeit des ganzen Landes benötigen. Die Kriegsfurien nennt auch die NZZ nie, selbst wenn sie schon regieren.

Nicht etwa, weil Baerbock und Klöckner den NATO-Stellvertreterkrieg in der Ukraine mit führen, ihn jetzt nicht beenden wollen und dafür die moralische Kriegstüchtigkeit des ganzen Landes benötigen. Die Kriegsfurien nennt auch die NZZ nie, selbst wenn sie schon regieren.

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