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Aus: VR China, Beilage der jW vom 25.09.2024
Volksrepublik China

Chinas langer Marsch

Die Gründung der Volksrepublik vor 75 Jahren war Ergebnis der größten antikolonialen Revolution der Weltgeschichte
Von Nick Brauns
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»Der Vorsitzende Mao ist die rote Sonne in unseren Herzen« – Plakat aus der Zeit der »Großen Proletarischen Kulturrevolution« (1968)

Als Mao Zedong nach dem Sieg über den japanischen Imperialismus und gegen den US-Imperialismus am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik ausrief, endete eine zweihundertjährige Periode der Stagnation, ausländischen Intervention, Kolonisierung und Demütigung Chinas.

Die größte antikoloniale Revolution der Weltgeschichte wurde geführt von einer kommunistischen Partei, entsprechend Maos Erkenntnis von der »Identität von nationalem und Klassenkampf« in bestimmten historischen Situationen. Mit der Erlangung der nationalen Souveränität über das chinesische Territorium – mit Ausnahme des fortan als Stachel des Imperialismus im Fleische Chinas dienenden Taiwan – ging die antikoloniale Revolution von ihrer primär militärischen in eine vor allem ökonomische Phase über. Denn zur Sicherung der Unabhängigkeit sowie zur Hebung des Lebensniveaus war die Entwicklung der Produktivkräfte entscheidend. So folgten die Bodenreform und die Verstaatlichung der großen Unternehmen. Gleichwohl blieben Irrtümer mit katastrophalen Folgen nicht aus: Der »Große Sprung nach vorne« katapultierte das arme Bauernland nicht auf die Höhe westlicher Industrienationen, sondern endete in einer gigantischen Hungersnot, in der »Großen Proletarischen Kulturrevolution« versank das Land im Chaos.

Maos Nachfolger Deng Xiaoping leitete eine wirtschaftliche Öffnung ein. Es galt die Produktivkraftentwicklung nicht mehr nur voluntaristisch aus nationaler Kraftanstrengung voranzutreiben, sondern sich dafür auch kapitalistischer Gesetzmäßigkeiten zu bedienen – bei Beibehaltung der politischen Macht der kommunistischen Partei. Diese hat sich heute unter Xi Jinping das Ziel der Errichtung eines »modernen sozialistischen Landes« bis zum hundertsten Gründungstag der Volksrepublik im Jahr 2049 gesetzt. Ob der sozialistische Ritt auf dem kapitalistischen Drachen gelingen kann, ist offen. Unstrittig ist, dass die Reform- und Öffnungspolitik der letzten vier Jahrzehnte zu einem rasanten Wirtschaftswachstum geführt hat. Während viele (auch linke) westliche Beobachter auf eine wachsende soziale Kluft innerhalb der chinesischen Gesellschaft verweisen, ist es der kommunistischen Führung gelungen, die absolute Armut in dem Land mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern zu beseitigen.

Die Kriegsgefahr nimmt auch in Asien rapide zu. Denn längst haben die USA und ihre Verbündeten im »Systemrivalen« China ihren strategischen Gegner ausgemacht und treiben die Militarisierung des asiatisch-pazifischen Raumes voran. Und wie bei der Niederschlagung des antikolonialen Boxeraufstandes in China im Jahr 1900 erklingt wieder der Ruf: »The Germans to the front«. So durchfuhren im September 2024 erstmals seit 22 Jahren deutsche Kriegsschiffe provokativ die Taiwanstraße.

In der vorliegenden Beilage schauen wir sowohl auf den beispiellosen Wiederaufstieg Chinas als auch auf die wachsenden Spannungen mit dem Westen. Wie China unter kommunistischer Führung die industrielle Entwicklung des Westens nachholen konnte, zeigt Sebastian Carlens auf. Nur wer die Geschichte aus dem Blick verliert, kann deutsche Marineschiffe vor Chinas Küste für Freiheitsbringer halten, weshalb ­Hauke Neddermann an deutsche Kolonialverbrechen erinnert. Mit Beijings Maßnahmen zur Ankurbelung des Binnenmarktes angesichts westlicher Strafzölle, von Handelsverboten und Investitionsreduzierungen befasst sich Paul ­Fischer. Vom einzigartigen Absatzmarkt habe sich die Volksrepublik zur Konkurrenz für das deutsche Kapital entwickelt, schreibt Jörg ­Kronauer. Die USA hätten den »Verlust Chinas« für den Imperialismus niemals überwunden, heißt es in Arnold Schölzels Beitrag zur Taiwanfrage, Bekenntnisse zur Ein-China-Politik seien daher nur Taktik. Nur langsam wird im Westen das chinesische Denken erschlossen, stellt Marc ­Püschel fest, der einen neuen Sammelband zu theoretischen Auseinandersetzungen in der Volksrepublik vorstellt. Auch in China finden sich überqualifizierte Hochschulabsolventen als Taxifahrer oder Essenslieferanten wieder. Wie der Staat einer solchen Tendenz zu begegnen sucht, schildert Maik Rudolph.

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