In der Dienstagausgabe beschäftigen sich die Kommentare der meisten deutschsprachigen Tageszeitungen noch einmal mit der Protestnachlese und den Distanzierungen von der Gewalt.
Lübecker Nachrichten
Die Zeitung inszeniert ein wahres Mea-culpa-Feuerwerk: »Wir entschuldigen uns. Bei Wolfgang Schäuble. Beim Bundeskriminalamt. Bei den Polizisten. Wir entschuldigen uns für eine Fehleinschätzung, die wir in den vergangenen Wochen immer wieder publiziert haben. Ja, auch wir haben immer wieder geschrieben, daß der Aufwand wohl doch etwas zu hoch sei, der für die Absicherung des G8-Gipfels betrieben wird. Daß die Zahl der Polizisten möglicherweise zu hoch, die damit verbundenen Kosten unvertretbar, die Einschränkung verschiedener Unterartikel unserer Bürgerrechte zu massiv sei. Wir fanden, daß der Sicherheitszaun peinlich und der Versuch, potenzielle Gewalttäter per Geruchsprobe dingfest zu machen, lächerlich sei. Wir haben uns geirrt. Die Realität vertreibt die Flausen.«
Schweriner Volkszeitung
Hier kennt man unechte und »echte Globalisierungsgegner«:
»Deeskalation darf nicht zur Gefährdung von Leib und Leben der Gesetzeshüter führen. Wenn bei einem Einsatz gegen autonome Krawallmacher rund 400 Polizisten verletzt werden, sind Zweifel an der richtigen Strategie mehr als erlaubt. Polizisten fühlen sich verheizt. Hier gilt es, die Versäumnisse und Fehlentwicklungen schnell zu analysieren und rasche Konsequenzen zu ziehen. Hartes und entschlossenes Handeln gegen den schwarzen gewalttätigen Mob ist nicht nur im Interesse der Gipfelgastgeber, sondern auch im Sinne der echten Globalisierungsgegner.«
tageszeitung
Das in Berlin erscheinende Blatt legte nach dem Distanzierungstitel »Nie wieder Rostock!« (Montagausgabe) noch einmal nach:
»Ein bißchen ist es wie beim Fußball: Das Eingeständnis der Vereine, daß es ein Hooligan-Problem gibt, mußte der Befriedung der Stadien vorangehen. Auch dort herrschte gegenüber den angeblichen Fans lange Zeit eine Toleranz, über die Außenstehende nur staunen konnten. Geholfen haben beim Fußball die Fanprojekte, in Kreuzberg das 'Myfest' mit Beteiligung der Anwohner. Was es braucht, sind keine Sprechblasen, sondern solche Formen der Einflußnahme und der Ausgrenzung von Gewalttätern.«
Financial Times Deutschland
Auch sie findet den Kampfbegriff des Polit-Hooligans chic, weiß im Gegensatz zu den Kollegen in der Berliner Kochstraße aber nicht, wie gegen sie vorzugehen ist:
»Mehr Härte! Nein, weiter deeskalieren! Nach den Pflastersteinen linksextremer Krawalltouristen prasseln nun wohlfeile Forderungen auf die Polizeieinheiten nieder, die den G8-Gipfel sichern. Während die Autonomen in Rostock weiter ihren Gewalttrieb befriedigen, meinen alle, die etwas mit Sicherheitspolitik zu tun haben, es besser zu wissen als die zuständige Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern. Doch der Umstand, daß es in Rostock zu Straßenschlachten mit vielen Verletzten gekommen ist und daß die Chaoten am Montag weiter randaliert haben, kann noch nicht als Beweis dafür gelten, daß die Polizeistrategie völlig gescheitert ist. Denn es kann umgekehrt niemand den Beweis führen, daß es mit einer anderen Strategie weniger schlimm gekommen wäre. (...)
Es gibt die perfekte Polizeitaktik nicht. Bei diesem Großeinsatz hat es die Polizei mit einer neuen Form des internationalen Polit-Hooliganismus zu tun. Was in der gegenwärtigen Situation das beste Mittel ist, kann man im Voraus nicht wissen. Diese Situation zeichnet sich dadurch aus, daß eine junge Generation Krawalltouristen, darunter viele aus dem Ausland, den Protest friedlicher Demonstranten dazu mißbraucht, eine Gewaltorgie zu feiern. Sie verhalten sich ähnlich wie die Fußball-Hooligans der 80er und 90er, die ebenfalls den Schutz der friedlichen Anhänger ausnutzten. Wenn es im Lauf der Woche besser gelingt, die Randalierer im Zaum zu halten und dabei rechtsstaatliche Grundsätze zu wahren, ist das ein Erfolg. Bei den Fußball-Hooligans dauerte es Jahrzehnte, bis die Polizei sie im Griff hatte. So viel Zeit haben die Einsatzkräfte jetzt nicht.«