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Aus: Ausgabe vom 13.07.2024, Seite 7 / Ausland
Präsidentschaftswahlen USA

Putin, äh, Selenskij

USA: Nach verschiedenen Versprechern wenden sich immer mehr Demokraten von Joseph Biden ab
Von Gerrit Hoekman
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Ob er noch den Ausgang findet? Der US-amerikanische Präsident Trump, pardon: Biden (Washington, 11.7.2024)

Sie sind nun wirklich leicht miteinander zu verwechseln. Beide sind 1,70 groß, haben kurze Haare und sprechen Sprachen, die für US-amerikanische Ohren wahrscheinlich gleich klingen. Kein Wunder also, dass US-Präsident Joseph Biden nach seiner Rede auf dem NATO-Gipfel in Washington das Pult an das »ebenso mutige wie entschlossene« Staatsoberhaupt der Ukraine übergab, das er aber als »Präsident Putin« vorstellte. Gemeint war natürlich Wolodimir Selenskij, der seitlich hinter Biden stand.

»Versprecher passieren, und wenn man alle immer genug beobachtet, findet man auch genug«, wischte Bundeskanzler Olaf Scholz den peinlichen Lapsus hinterher vom Tisch. Im Prinzip hat er natürlich recht. Bidens Konkurrent um die Präsidentschaft, Donald Trump, ist ebenfalls nicht ohne Fehl und Tadel. In seiner Amtszeit hielt der Republikaner Belgien für »eine wunderschöne Stadt« mit »großartigen Gebäuden«. Er warf den damaligen Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, und EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker durcheinander. Und im Wahlkampf 2015 verwechselte er die Kurden mit der iranischen Eliteeinheit Al-Kuds. Bei Trump hat man das nie auf sein Alter geschoben, sondern auf seine latente Dummheit und Ignoranz. Alles ganz normal in einem Land, in dem angeblich manche Schüler meinen, Hitler habe mit Vornamen »Heil« geheißen.

Bei Joseph Biden sieht das völlig anders aus: Das fortgeschrittene Alter des 81jährigen ist Dauerthema. Seit er beim TV-Duell mit Trump Ende Juni einen fast schon senilen Eindruck hinterließ, steht Biden unter ständiger Überwachung der Medien. Alle wollen keinesfalls verpassen, wenn sich der Präsident den nächsten Aussetzer leistet. Presse und Fernsehen müssen nicht einmal besonders geduldig sein, bis es passiert. Nur wenige Stunden nach seiner Rede vor der NATO unterlief Biden während einer Pressekonferenz der nächste kapitale Fehler: »Ich hätte Vizepräsident Trump nicht ausgewählt, wenn ich nicht denken würde, dass sie Präsidentin sein könnte«, antwortete er auf die Frage eines Journalisten, ob sich Biden seine Stellvertreterin Kamala Harris als Chefin im Weißen Haus vorstellen könne. Anscheinend kann sich Biden zur selben Zeit nur noch auf eine einzige Person konzentrieren. Mal ist es Putin, mal ist es Trump. Der ist zwar auch nicht mehr taufrisch im Kopf, aber neben Joseph Biden wirkt er wie der nächste Schachweltmeister.

Die Demokraten müssen reagieren, wenn sie überhaupt noch eine Chance haben wollen, auch den nächsten Präsidenten zu stellen. Alle wissen es, nur Biden will es nicht wahrhaben. Inzwischen setzen sich immer mehr Parteifreunde im Senat und im Kongress von Biden ab. Zuletzt forderten Peter Welch, Senator aus Vermont, Patrick Ryan, Abgeordneter aus New York, sowie Earl Blumenauer aus Oregon den Präsidenten öffentlich auf, seine Kandidatur zurückzuziehen. Auch prominente Unterstützer wie der politisch sehr engagierte Schauspieler George Clooney zweifeln: »Ich liebe Joe Biden«, schrieb er am Mittwoch in der New York Times. »Ich betrachte ihn als einen Freund.« Aber der Präsident sei nicht mehr der Biden aus dem Wahlkampf 2020. »Mit diesem Präsidenten werden wir im November nicht gewinnen«, warnte Clooney. Er fügte hinzu, dass die Abgeordneten, mit denen er privat gesprochen habe, seine Ansicht teilten. Der Damm sei gebrochen, so Clooney. »Wir können den Kopf in den Sand stecken und für ein Wunder im November beten, oder wir können die Wahrheit sagen.«

Clooney ist in Hollywood der wichtigste Geldsammler für die Demokraten. Als mögliche Ersatzkandidaten werden unter anderem der Gouverneur von Maryland, Westley Moore, Vizepräsidentin Kamala Harris, die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer oder der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, genannt. Die einzige, die in den Umfragen vor Trump liegen würde, ist im Moment Michelle Obama, die aber bereits abgewinkt hat. Der deutsche PR-Berater Julius van de Laar arbeitete 2012 an der Kampagne für Barack Obama mit. Er würde Joseph Biden raten, am Montag seinen Rückzug zu erklären, sagte er am Mittwoch im Deutschlandfunk. Dann beginnt der Parteitag der Republikaner. Alle Aufmerksamkeit hätten aber die Demokraten.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (13. Juli 2024 um 16:20 Uhr)
    Eine Wahlkampfkomödie: Bidens unfreiwillige Tour de Faux Pas. In den USA herrscht Aufregung: Der bevorstehende Wahlkampf 2024 ist in vollem Gange, und Präsident Joe Biden, der Amtsinhaber, läuft dabei zur Höchstform auf – aber nicht nur, was seine Versprecher betrifft. Seine politischen Gegner und sogar einige seiner Parteikollegen stellen sich inzwischen die Frage, ob die Verwechslung von Menschen und Orten ein neues Wahlkampfmanöver oder schlichtweg die Folge seines fortgeschrittenen Alters ist. Während die Liste der möglichen Ersatzkandidaten wächst – von Kamala Harris über Gretchen Whitmer bis zu Gavin Newsom – bleibt das Wahlkampfdrama in vollem Gange, und Biden setzt seine unfreiwillige Tour de Faux Pas fort. Man könnte fast sagen, er hat eine einzigartige Fähigkeit entwickelt, die politischen Bühnen der Welt in seine ganz eigene Wahlkomödie zu verwandeln. Bleibt nur zu hoffen, dass die Demokraten bald aus dieser Inszenierung erwachen und sich wieder ernsthaft auf den Wahlkampf konzentrieren. Denn eines ist klar: Mit einem Präsidenten, der Putin und Selenskij verwechselt und Trump zur Vizepräsidentin ernennt, wird es schwer, die Wähler von der Ernsthaftigkeit ihrer Politik zu überzeugen.
  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (12. Juli 2024 um 23:09 Uhr)
    Schon einmal gab es einen US-Präsidenten, der im Würgegriff des Alzheimers sein Leben dämmernd beendete. Es war dies Ronald Reagan. Warum sollte eigentlich er der Einzige sein, der zusehends in eine Demenz abrutscht/e. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist auch dies möglich, nämlich ein entsprechender Nachfolger Reagans und dann wohl in spe der Folgende. Die Dekadenz in den USA nimmt zu, ähnlich dem spätrömischen Reich, wo z. B. ein Commodus meinte, er sei eigentlich Herkules. Allerdings verwechselte er nicht irgendwelche Gegner oder Freunde, das ist der Unterschied. Was sie indes eint, ist ihre Unbelehrbarkeit und Bösartigkeit, gepaart mit wirren Gedanken, eine durchaus gefährliche Mischung.

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