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Aus: Ausgabe vom 02.08.2024, Seite 8 / Inland
»Israel-Tag« in Fürth

»Ein Format zionistischer Propaganda«

Bayern: »Israel-Tag« und Proteste in Fürth. Gruppe will Bevölkerung aufklären. Ein Gespräch mit Lena Schmailzl
Interview: Hendrik Pachinger
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Laut Veranstalter sollte in der Stadthalle Fürth an die Staatsgründung Israels 1948 erinnert werden (28.7.2024)

Gedenk- und Feiertage gibt es viele. Doch nur wenige dürften bisher von einem »Israel-Tag« gehört haben. Was ist das?

Tatsächlich gibt es einen Aufruf der israelischen Botschaft, solche »Israel-Tage« zu veranstalten. Sie sind ein Format zionistischer Propaganda, Hasbara genannt, initiiert von der israelischen Regierung selbst. Offensichtlich versucht sie so, die immer stärkere Ablehnung in der Bevölkerung gegenüber zionistischer Ideologie und der Unterdrückung von Palästinensern zu bekämpfen. Tragend für die Durchführung dieser Tage in Deutschland ist ein Verein mit Sitz in Frankfurt mit dem vielsagenden Namen »I Like Israel«, ILI, die »Deutsch-Israelische Gesellschaft«, DIG, ist natürlich auch dabei.

Von wem wurde die Veranstaltung organisiert?

Vor allem nichtjüdische, prozionistische und teils auch offen antisemitische Gruppen organisieren diese Tage. Es geht eben nicht darum, jüdisches Leben in Deutschland zu feiern, sondern jüdische Menschen zur Auswanderung nach Israel zu bewegen und Hasbara zu verbreiten. Zu den Organisatoren gehören neben der DIG und ILI das israelische Konsulat und der Jewish National Fund. Mit dabei ist auch die evangelikale Gruppe »Suchet der Stadt Bestes«. Es ist verheerend, dass die israelitische Kultusgemeinde sich für solche Positionen instrumentalisieren lässt und die Stadt Fürth dieses Event mitträgt. Neben dem Fürther Oberbürgermeister werden Abgeordnete von CSU, Grünen, FDP und SPD sprechen.

Sowohl Bayerns Staatsminister Joachim Herrmann als auch der ehemalige Sprecher der israelischen Armee, Arye Sharuz Shalicar, waren angekündigt. Wie viel Ausgewogenheit darf man von dieser Veranstaltung erwarten?

Der Begriff Ausgewogenheit ist in bezug auf diese Genozidfeier völlig absurd. Shalicar war bis Mai offizieller Sprecher der Armee, seine Aufgabe war es, einen laufenden Völkermord zu legitimieren. Er bezeichnet seine Gegner konsequent als »Abschaum« oder »Pack«, nach eigener Aussage »verabscheut« er »Linksradikale« genauso wie »intellektuelle Juden«. Eine Zweistaatenlösung lehnt er mit den Worten ab: »Diesen Monstern einen eigenen Staat geben? Wie krank ist das bitte?«

Vielen Kritikern stieß die Ankündigung des Tages besonders auf. Es sollte »die israelische Liebe zum Leben«, sowie »Rechtsstaatlichkeit und Demokratie« in Israel gefeiert werden. Ist das nicht gerade in Anbetracht des vor wenigen Tagen ergangenen IGH-Urteils zynisch?

Zynisch ist das vor allem angesichts der offiziell bestätigten Opferzahlen von mindestens 39.000 Menschen im Gazastreifen. Bei unserem Protest vor dem Stadtrat haben wir eine Liste mit den Namen der ermordeten Kinder ausgerollt, Stand April 2024. Die Liste zog sich durch das komplette Rathaus, über mehrere Stockwerke. Wer heute von der »israelischen Liebe zum Leben« redet, macht damit klar, dass ihm palästinensische Leben gleichgültig sind. Vom IGH werden die Vorwürfe des Völkermordes gegen Israel als »plausibel« eingestuft und die Besatzung klar als Verbrechen bezeichnet. Amnesty International, Human Rights Watch und B’Tselem sprechen seit Jahren vom Apartheidstaat Israel. Wer das ignoriert und einen israelischen »Rechtstaat« herbeilügt, der feiert tödliche Propaganda. Der »Israel-Tag« ist eine zutiefst reaktionäre, gewaltverherrlichende, zionistische Veranstaltung, die offen einen Genozid feiert.

Ihre Gruppe rief zum Protest gegen diese Propagandaveranstaltung auf. Wie verlief dieser?

Wir hatten eine Emailvorlage erstellt, die innerhalb weniger Tage über 250mal an den Fürther Stadtrat und die Stadthalle gesendet wurde. Die CSU-Abgeordnete Birgit Bayer-Tersch sah sich daraufhin zu der völlig unsinnigen Behauptung veranlasst, die Freundschaft zu Israel stehe im Grundgesetz, und wem das nicht passe, der solle Deutschland verlassen. Mit Infoständen wollten wir mit Passanten ins Gespräch kommen und über den reaktionären Charakter der Veranstaltung aufklären, Vorträge zur Geschichte des Zionismus wurden gehalten und am Nachmittag mobilisierten wir zu mehreren Kundgebungen und Demonstrationen rund um die Stadthalle.

Lena Schmailzl ist Mitglied der Gruppe Intifada Nürnberg

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (2. August 2024 um 12:47 Uhr)
    Wenn »offen antisemitische Gruppen« zu den Organisatoren solcher Veranstaltungen gehören, wäre es sehr nützlich, diese beim Namen zu nennen und ihren Antisemitismus sorgfältig zu dokumentieren. Mit solchem Material könnte man vielen SchwaflerInnen den Wind aus den Segeln nehmen.

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