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Aus: Ausgabe vom 08.08.2024, Seite 8 / Inland
Tödliche Temperaturen

»Vor allem trifft Hitze nicht alle gleich«

Hessen: Linke-Fraktion in Frankfurt fordert konsequenten Hitzeschutz für Bevölkerung. Ein Gespräch mit Daniela Mehler-Würzbach
Interview: Gitta Düperthal
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Der Sonne und heißen Luft ausgeliefert, benötigen Wohnungslose besonderen Schutz (Frankfurt am Main, 26.3.2020)

Rund jeder vierte Mensch in Deutschland hat 2024 Gesundheitsprobleme durch extreme Hitze, ergab eine Forsa-Studie im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit. In einer Rangliste der Deutschen Umwelthilfe liegt Frankfurt am Main im bundesweiten Vergleich der Städte mit Hitzeproblemen auf Platz 19, in Hessen nach Rüsselsheim auf Platz 2. Wie steht es um Schutzräume in Frankfurt?

Während es im Umland noch etwas kühler ist, staut sich die Hitze in den Städten, wo es eng bebaut und asphaltiert ist. Vor allem trifft Hitze nicht alle gleich. Wer in klimatisierten Räumen wohnt und in ebensolchen Büros arbeitet, den trifft es weniger als Menschen, die in schlecht sanierten Gebäuden leben. Die Stadt muss mehr Maßnahmen zu deren Schutz ergreifen. Ältere aufzufordern, mehr zu trinken, oder etwa der Rat zu Kopfbedeckung und Sonnencreme reichen da nicht aus.

Unsere Fraktion im Römer hatte schon 2023 einen Antrag eingebracht, dass es öffentliche Hitzeschutzräume wie im spanischen Barcelona geben muss; jeweils wenige Minuten zu Fuß entfernt von Wohn- und Arbeitsräumen oder -plätzen erreichbar. Ziel ist, in einer Entfernung von bis zu zehn Minuten durch die Innenstadt jeweils öffentliche kühle Orte zu schaffen, die kostenfrei zugänglich sind. Das kann etwa ein Museum, eine Schule oder ein Aufenthaltsraum sein, wo man sich ausruhen kann. Barcelona hat ein gutes Netz aufgebaut, von der linken Partei dort auf den Weg gebracht. Sicherzustellen ist, dass diese Räume in der Wärmeperiode weniger als 26 Grad haben; in der Kältezeit dann mehr als 19 Grad Raumtemperatur.

Frankfurt hat eine Karte mit »Kühlräumen« ausgewiesen. Reicht das nicht?

Was diese Karte ausweist, ist armselig: im Gallusviertel einzig das Einkaufszentrum »Skyline Plaza«, in Bockenheim sind es nur zwei Orte draußen, der Bernau-Park und der Wasserspielplatz am Kurfürstenplatz. Am Frankfurter Berg und in Bonames gar nichts. Der nächste von dort aus ist der Friedhof in Berkersheim. Aufgeführt sind Einkaufszentren, Kinos, Museen, Schwimmbäder: also meist keine öffentlichen Räume, die freien Zugang haben. Die Frage ist doch: Wie kann ich auf dem Weg durch die Stadt mal Pause machen, Zuflucht an einem kühlen Ort finden?

Warum hat die Koalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Volt mehrfach einen Antrag der Ihrer Fraktion abgelehnt, ein Konzept ähnlich dem in Barcelona umzusetzen?

Die Stadtverwaltung stimmte zunächst zu, es sei eine gute Idee. Dann lehnte die Koalition unseren Antrag ab: An Verantwortlichkeit und Ressourcen für diese Räume fehle es. Und man war ja der Auffassung: »Machen wir doch schon!«

Welche Bevölkerungsgruppen leiden besonders unter Hitze?

Arbeitsschutz ist ein Thema für alle, die draußen tätig sind, etwa auf dem Bau, oder bei teils schwerer körperlicher Arbeit, etwa in der Pflege oder im Handwerk. Sehr alte und sehr junge Menschen sind stark betroffen, auch die vulnerable Gruppe der Obdachlosen. Die französische Stadt Lyon vergibt angesichts von Hitzewellen an nachweislich Bedürftige freien Eintritt für klimatisierte Museen und Kinos, verlängert Öffnungszeiten für Schwimmbäder. Eine coole Idee. In Frankreich ist man viel weiter; hat dort zentrale Hitzeregister angelegt, um bedürftige Menschen anzurufen, ob sie Unterstützung brauchen; man ihnen etwa Wasser bringen soll.

In Frankfurt wurden dagegen Bibliotheken, Museen, etc. zeitweise geschlossen, weil die Stadt dafür weniger Geld ausgeben will.

Genau, die Stadtteilbibliothek im Gallus ist über die Sommerzeit geschlossen, die in Bornheim nur eingeschränkt geöffnet. Bäder sind zu teuer. Die Aufzählung könnte ich fortführen!

Wie wollen sie weiter wirken?

Wir machen uns stark für Entsiegelung von Plätzen, nach dem Beispiel des sogenannten »Tegelwippen« in den Niederlanden. Dort versuchen Gemeinden und Städte, möglichst viele Pflastersteine durch Grünflächen zu ersetzen. Zudem muss in Frankfurt der Autobahnausbau endlich gestoppt werden, damit die Stadt nicht zur Klimahölle wird.

Daniela Mehler-Würzbach ist Stadtverordnete der Fraktion Die Linke in Frankfurt am Main

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