Gräf, Chill, Dietzel, Scholz, Wien
Von Jegor Jublimov»Kameramann zu sein ist ein traumhaft schöner Beruf. Aus seiner Faszination kann man sich nie befreien«, schrieb Kameramann Horst E. Brandt in einem Manuskript für die Defa-Stiftung über seine Spielfilmkollegen. Brandt wechselte nach vielen Kamerajahren in die Regie, behielt sein gutes optisches Gespür jedoch bei. Gleiches galt für Roland Gräf, der 2017 starb und am 13. Oktober 90 Jahre alt geworden wäre. Der gelernte Industriekaufmann aus Thüringen gehörte vor 70 Jahren zur ersten Kameraklasse der neu eingerichteten Babelsberger Filmhochschule. Nach einem ersten Kinderfilm 1960 prägte er 1965 den neorealistischen Stil von Jürgen Böttchers einzigem Spielfilm »Jahrgang 45«, der prompt keine Zulassung erhielt. Als »dokumentaren Spielfilm« führte Gräf diesen Stil 1969 weiter in Frank Vogels »Das siebente Jahr«, über den der Kritiker Helmut Ullrich schrieb: »Dem Dokumentarischen ist er nah: Berlins Straßen und Menschen.« Auch seine ersten Regiearbeiten (z. B. »Mein lieber Robinson«, 1970) waren vom Dokumentarischen geprägt, bevor er sich literarischen Themen nach Günter de Bruyn, Friedrich Wolf, Hans Fallada und Christoph Hein zuwandte.
Nur gelegentlich führte Kameramann Dieter Chill, der seine Laufbahn als Fotograf begann, auch Regie. Sein Hochschuldiplom erlangte er in der Ära von Lothar Bisky mit dem vielbeachteten Film »Ich bin einfach der leidenschaftlichste Mensch, der existiert« seines Kommilitonen Taddeus Schmidt. Nachdem Chill 1989 als Defa-Spielfilmkameramann debütiert hatte, realisierte er auch in der Folgezeit hauptsächlich Spiel- und Dokumentarfilme mit HFF-Absolventen mehrerer Generationen, wie Herrmann Zschoche, Dietmar Hochmuth, Gerd Kroske, Jens Becker, Helge Trimpert, Bodo Fürneisen oder Hans Werner. Seit rund zehn Jahren hat Chill, der am 8. Oktober seinen 70. begehen konnte, sein Spektrum wieder verbreitert, arbeitet als Autor und Ausstellungskurator zu Filmthemen und dreht experimentelle »Kurz- und Kürzestfilme«.
Während Dieter Chill sich mit dem technischen Fortschritt verschiedene Aufnahmetechniken aneignen musste, hat Wolfgang Dietzel, der seine Kameralaufbahn 1965 begann und am Sonnabend 85 wird, fast nur mit Filmmaterial gearbeitet, bei dem allerdings viele Aufnahmevarianten, was die Beschaffenheit des Materials und die Wirkung von Lichtstimmungen betrifft, bedacht werden mussten. Dazu kommt die künstlerische Wirkung, die von Einstellungsgröße und Blickwinkel ausgeht. Für das alles war Dietzel Regiekoryphäen wie Winfried Junge, Jürgen Böttcher, Gitta Nickel, Eduard Schreiber oder Karlheinz Mund ein unerlässlicher, stilsicherer Partner.
Auch ein Regisseur wie Gunther Scholz, der ursprünglich vom Theater kam, war dankbar für erfahrene Kamerapartner. Er wurde am Mittwoch vor 80 Jahren in Görlitz geboren, konnte nach seinem NVA-Dienst in Babelsberg Regie studieren und neben Dokumentar-, bis 1991 auch Spielfilme (u. a. »Nicki«, 1979; »Vernehmung der Zeugen«, 1986/87) realisieren. In den 2000er Jahren verhalf er mit drei akribisch recherchierten Filmen dem württembergischen Justizopfer Harry Wörz zur Rehabilitierung.
Bodo Fürneisen konnte für seinen Diplomfilm »Die Entdeckung« an der HFF viele gute Schauspieler zusammentrommeln. Zu ihnen zählte Dieter Wien, der seit Mitte der sechziger Jahre oft in Hauptrollen bei Defa und DFF arbeitete und dabei bis 2004 auch noch viele große Rollen am Maxim-Gorki-Theater spielte, begonnen bei Lessing über Michail Schatrow bis zu Lutz Hübner. Der Mann mit der eingängigen Sprecherstimme wird am Sonntag 90 Jahre alt.
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