Der nützliche Idiot
Von Maximilian Schäffer»The Apprentice« ist kein Film über Donald Trump. Regisseur Ali Abbasi hat abermals versucht, einen Film über das Böse zu machen. In »Holy Spider« demonstrierte er 2022 die ganze Verkommenheit seiner Heimat Iran. Im Sinne Hollywoods, sicherer Hort der Steigbügelhalter des Establishments der Demokratischen Partei, ist Abbasi ein weiterer loyaler Verbündeter für die Sache. Wir befinden uns schließlich in der Endphase des Wahlkampfs. Für Kamala Harris, die nach allen Grundsätzen der Zweiparteiendemokratie das Erbe von Joseph »Die Mumie« Biden antritt, stehen die Chancen so gut wie einst für Hillary Clinton. Es braucht also Schreckgespenster als letzte Maßnahme kurz vor dem Urnengang der 335 Millionen.
Weil über Donald Trump schon jeder Aspekt seines verkommenen Daseins – Bettgeschichten, Steuerangelegenheiten etc. – erzählt wurde, hat Regisseur Abbasi dem Teufel einen Dämon zur Seite gestellt: Roy Cohn ist in den 70er und 80er Jahren Trumps Anwalt und lieber Freund. Bereits zu Lebzeiten betrachtet man ihn als krumme Figur – das Naziblatt Der Stürmer hätte ihn nicht schamloser illustrieren können: jüdisch, klein, großnasig, innerlich wie äußerlich vernarbt, korrupt, mächtig, skrupellos, reich, intrigant und schwul obendrein. Abbasi schämt sich nicht, lediglich die verzerrte Figur des in Wahrheit so hochbegabten wie amoralischen Anwalts zu inszenieren. Geht es um Trump und seine Assoziierten, scheint alles erlaubt.
Tatsächlich war Cohn ein zu Recht gefürchteter Mann, ein geschickter Machtmensch wie viele andere im Sumpf New York Citys. Als junger Staatsanwalt jagt er für Hoover und McCarthy Kommunisten, lässt das Ehepaar Rosenberg hängen. Bis er über seine sexuellen Leidenschaften stolpert – eine schwule Affäre sorgt für seine öffentliche Bloßstellung. Als er vom offiziellen politischen Zirkus geschlagen ausscheidet, betreibt er seine Kanzlei in Manhattan als Agentur für alle, die auf dem Highway to Hell über große Steine stolpern: Rupert Murdoch, das Erzbistum New York, Andy Warhol, Mafiagrößen und Donald Trump.
Trump und Cohn sind zu dieser Zeit selbst Mitglieder der Demokratischen Partei. Treppenwitze der Geschichte wie diese ignoriert Abbasi. Und eine Stunde lang ist das auch herzlich egal, weil er einen handwerklich einwandfreien, hervorragend gespielten, champagnerspritzig inszenierten Großstadtfilm auf die Leinwand zaubert. Der junge Donald, gespielt von Sebastian Stan, wirkt angemessen halbsympathisch. Treibt für seinen Vater in Queens Mieten ein, trägt faltige Anzüge und geschleckte Haare. Das ungesunde Aufsteigersyndrom des ehrgeizigen Emporkömmlings zweiter Generation sieht man ihm deutlich an. Die Höhlen der Löwen sind ihm noch unvertraut, im Privatklub der Millionäre verlacht ihn Roy Cohn (Jeremy Strong) als »Schwuchtel«.
In der zweiten Hälfte des Films entfaltet Abbasi seine propagandistischen Ambitionen, dümmliche Eigentore. Dämon Cohn erfährt juristische Niederlagen, erkrankt an AIDS, zieht sich ins Kretinöse seiner Existenz zurück. Und Donald? Wird zum Oberteufel, vergewaltigt und manipuliert, wo er geht und steht. Im Herzen versteinert, schickt er seinen alkoholkranken Bruder auf die Straße. Randvoll mit Niedertracht lehnt er die Hilfegesuche seines gefallenen Spindoktors ab.
»Fiesling, Feigling, Opfer« stickte jemand auf Cohns Quilt der Aidstoten. Die finalen Szenen des Films imaginieren Cohns letzten Geburtstag, 1986 bei Trump zu Hause im Strandschlösschen Mar-a-Lago. Im Rollstuhl sitzend wird der Todkranke vom zukünftigen Präsidenten mit einem billigen Siegelring aus Blech, einer Torte im Stil der US-Flagge, verhöhnt. Nach zwei Stunden lässt Abbasi es dann gut sein mit seiner Wahlempfehlung für aufgeklärte Amerikaner. Wenn talentierte Regisseure zu nützlichen Idioten werden, haben sie mit korrupten Anwälten manches gemeinsam.
»The Apprentice – The Trump Story«, Regie: Ali Abbasi, Kanada/Dänemark/Irland/USA 2024, 120 Min., bereits angelaufen
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