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Aus: Ausgabe vom 10.12.2024, Seite 8 / Inland
Antimilitarismus

»Unser Protest zeigt, dass wir etwas ändern können«

Leipzig: Verweis wegen antimilitaristischer Aktion auf dem Schulhof. Ein Gespräch mit Iven K.
Interview: Yaro Allisat
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Sie haben von Ihrer Schule einen Verweis wegen eines antimilitaristischen Protests an Ihrer Schule, der Humboldt-Schule in Leipzig, bekommen. Was genau ist passiert?

Am 28. Oktober hatten wir auf unserem Schulhof ein »Die-in« gegen einen Bundeswehr-Besuch an unserer Schule veranstaltet. Während sich Schüler tot stellten, hielt ich eine Rede, in der ich vorrechnete: Wenn man Bundeswehr-Zahlen auf unsere Schule übertragen würde, wären vier Schüler im Einsatz gestorben und einer hätte Selbstmord begangen. Ich habe auch dagegen gesprochen, dass die Bundeswehr an Schulen kommt.

Auf einem Video, das die Schüler über Instagram verbreitet haben, ist zu sehen, wie die Schulleiterin Ihnen das Megaphon wegnimmt.

Sie sagte als Begründung so etwas wie, dass eine politische Demon­stration an der Schule nicht okay sei. Angemeldet hatten wir den Protest nicht.

Warum haben Sie die Aktion gemacht?

Mit unserer Kampagne »Kein Werben fürs Sterben« wollten wir uns dagegen wehren, dass die Bundeswehr an unserer Schule spricht. Es hieß, die kommen, um uns über Auslandseinsätze zu informieren. Bei dem Vortrag, der zwei Tage nach unserer Aktion stattfand, erzählten sie aber vor allem, wie toll doch eine Karriere bei der Bundeswehr sei, dass man da mit den Kollegen entspannt am Lagerfeuer sitzen kann und solche Sachen. Fragen zu den imperialistischen Auslandseinsätzen der Bundeswehr konnten sie nicht wirklich beantworten.

Was ist nach der Schulhofaktion passiert?

Direkt nach der Aktion hatten ein Genosse und ich ein Einzelgespräch mit der Schulleiterin, die uns sagte, es sei sinnlos, was wir machen, und dass »Ordnungsmaßnahmen« erlassen werden, falls so etwas wieder passiert. Danach hatte ich eine »Anhörung zur Androhung eines Schulverweises« mit der Schulleitung. Sie haben mir allerlei Dinge vorgeworfen. Die Schulleiterin hat mir dabei gar nicht zugehört. Es gab auch eine Anhörung mit meinen Eltern und eine Konferenz von Schulleitung und Lehrern. Es hieß, es sei ein von außen organisierter Protest gewesen und ich hätte den »Schulfrieden gestört«.

Wir haben das Ganze öffentlich gemacht. Es gab dann Einzelgespräche mit zwei von meinen Mitschülern. Einer von beiden wurden ebenfalls Ordnungsmaßnahmen angedroht, bei der anderen Person gab es eine Elternanhörung, bei der die Schulleitung die Anschuldigungen sehr aggressiv vorgetragen hat. Die Kernaussage der Schulleitung ist, dass linke Gedanken von uns an der Schule verbreitet werden. Dabei haben wir offene Neonazis an der Schule.

Und gegen diese Neonazis unternimmt die Schulleitung nichts?

Es gab mal ein Einzelgespräch, aber sonst weiß ich von keinen weiteren Maßnahmen. Und das, obwohl die Spinde von linken Schülern mit Nazistickern beklebt wurden. Parolen wie »Antifaschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen« und ähnliches. Lehrer haben Schüler mit diesen Stickern in der Hand gesehen. Trotzdem hat die Schulleitung gesagt, dass man da leider nichts machen könne.

Was hat die Schulleitung dazu gebracht, den angedrohten Schulverweis zurückzunehmen?

Ich denke, dass der mediale Druck, zum Beispiel die Petition, die es gegen den Verweis gab, wichtig war. Die Schulleitung hat zwar angemerkt, dass sie gern noch höhere Ordnungsmaßnahmen als den schriftlichen Verweis, den nur ich bekommen habe, erteilt hätte. Aber sie hatte einfach keine rechtliche Grundlage dafür.

Was denken die Mitschüler über die Aktion und die Repressionen?

Die meisten waren dagegen, dass die Bundeswehr an die Schule kommt, und fanden die Aktion gerechtfertigt. Die Reaktion der Schulleitung halten sie für übertrieben. Viele sehen aktuell die Probleme, aber sie denken, dass sie nichts daran ändern können. Ich denke, unser Protest hat gezeigt, dass wir etwas verändern können. Man muss die Schüler zusammenbringen und mit ihnen aktiv werden.

Iven K. ist Schüler an der Humboldt-Schule in Leipzig

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