Corbyns Projekt nimmt Form an
Von Dieter ReinischIm Januar dürfte Großbritannien eine neue Linkspartei bekommen. Laut Informationen mehrerer Medien wird der ehemalige Labour-Parteichef Jeremy Corbyn dann formell die Unterlagen zu ihrer Gründung bei den Behörden einreichen. Zu den Hauptunterstützern werden die vier propalästinensischen Abgeordneten zählen, die mit Corbyn im September eine unabhängige Fraktion gegründet hatten. Mehr Abgeordnete könnten sich anschließen. Ziel ist der Antritt bei den Parlamentswahlen 2029.
Im Juli waren vier unabhängige Kandidaten mit einem entschieden propalästinensischen Programm ins Parlament gewählt worden: Shockat Adam in Leicester South, Ayoub Khan, der in Birmingham Perry Barr gewann, Adnan Hussain, der in Blackburn siegte, und Iqbal Mohamed, der in Dewsbury and Batley siegreich war. Seitdem hat sie mit Corbyn, der in Islington North in London seinen Sitz halten konnte, eine »unabhängige Allianz« gebildet. Die Fraktion, die von einigen als die »Gaza-Fünf« bezeichnet wird, wurde damit zur fünftstärksten Fraktion – gleichauf mit den nordirischen Unionisten und der rechten Reform UK.
Der politische Fokus der Gruppe ist seither, gegen die Sozialkürzungen der Labour-Regierung und gegen Waffenlieferungen an Israel einzutreten. In ihrer Gründungserklärung heißt es: »Diese Regierung hat bereits die Winterzulage für rund zehn Millionen Rentner gestrichen, für die Beibehaltung der Obergrenze für Zwei-Kind-Zuschüsse gestimmt und Forderungen nach einem Ende der Waffenverkäufe an Israel ignoriert.« Die Allianz wolle »Millionen Menschen eine echte Alternative zu Austerität, Ungleichheit und Krieg« sein. Obwohl jeder als Einzelperson gewählt wurde, könne die Arbeit als kollektive Gruppe mit größerer Wirkung fortgesetzt werden: »Je mehr Abgeordnete bereit sind, für diese Prinzipien einzutreten, desto besser«, so die Erklärung.
Wenig überraschend daher: Eine ihrer ersten Maßnahmen bestand darin, Kontakt zu den sieben Labour-Abgeordneten aufzunehmen, die für sechs Monate aus der Parlamentspartei ausgeschlossen worden waren, nachdem sie im Sommer für die Abschaffung der Obergrenze bei der Kinderbeihilfe gestimmt hatten. Alle sieben sind ehemalige Verbündete von Corbyn, darunter auch sein ehemaliger Stellvertreter, John McDonnell.
Mitte September gab es dann ein Treffen, auf dem über die Gründung einer Partei um die Parlamentsfraktion gesprochen wurde, berichteten damals Medien wie der Guardian. Dieser gab an, dass die neue Partei »Collective« heißen werde. An dem Treffen habe auch Len McCluskey, ein enger Corbyn-Vertrauter und ehemaliger Generalsekretär der mächtigen Unite-Gewerkschaft, teilgenommen. Andere Teilnehmer waren demnach der ehemalige Bürgermeister von Newcastle, Jamie Driscoll, der ehemalige ANC-Angeordnete Andrew Feinstein – der im Wahlkreis von Labour-Chef Keir Starmer im Juli fast zwanzig Prozent holen konnte – und der Filmdirektor Ken Loach. Wie der Guardian unter Berufung auf einen anonym bleibenden Teilnehmer schrieb, soll die neue linke Partei ein deutliches Gegengewicht zu Reform UK und der nach rechts abdriftenden Labour-Partei sein. Hatte die Zeitung noch im September berichtet, der Name der neuen Linkspartei werde Collective sein, meldete die britische Zeitschrift The Spectator, die in der vergangenen Woche zuerst von dem Zeitplan der Parteineugründung wusste, dass ein solcher noch nicht feststehe.
Wie erfolgreich das neue politische Projekt sein könnte, ist Gegenstand verschiedener Analysen. Doch sogar die konservative Times aus London glaubt, dass ein großer Teil der Labour-Linken im Unterhaus sich der neuen Partei anschließen könnte: »McCluskey ist einer von denen, die sich offenbar für Collective stark machen, eine Diskussionsrunde, die sich möglicherweise zu einem organisierten Netzwerk linker Unabhängiger entwickeln könnte.« Laut Informationen der Zeitung vom Donnerstag sollen sich bis zu zwanzig Parlamentarier ihr anschließen wollen. Weitere Punkte des politischen Programms seien die Ablehnung einer transatlantischen Außenpolitik und die Labour-Sparpolitik.
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