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Aus: Ausgabe vom 17.12.2024, Seite 8 / Inland
Profite mit Flüssigerdgas

»Die Lobbyverbände bauen Lügengebäude auf«

Protest gegen Erdgasgipfel im Berliner Hotel Adlon. Polizei ging gewaltsam gegen Aktivisten vor. Ein Gespräch mit Jule Fink
Interview: Gitta Düperthal
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Unter den Blicken der Staatsmacht protestieren weiß gekleidete Erdgasgegner während des »World LNG Summit« in Berlin (10.12.2024)

Gegen den Gasgipfel, der vergangene Woche im Nobelhotel Adlon in Berlin stattfand, protestierten ihr Zusammenschluss und 40 weitere Umweltorganisationen. Was kritisieren Sie an der Veranstaltung?

Solche Kongresse höhlen demokratische Prozesse weiter aus. Man schiebt sich Deals gegenseitig zu, obwohl bekannt ist, dass Gas ein Klimakiller ist und Energiepreise in die Höhe treibt. Verträge für LNG-Gas sind teilweise bis 2046 angelegt. Das Ziel, bis 2045 klimaneutral werden zu wollen, tritt man mit Füßen.

Die Teilnahme kostete 4.000 Euro. Dabei waren RWE, Exxon Mobil, BP, Shell und weitere US-Frackingkonzerne, Gaslobbyverbände wie »Zukunft Gas«, Endverbraucher wie der Schiffskonzern Hapag-Lloyd, und Politiker aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Die Berliner Zeitung hatte versucht, Zutritt zu erlangen. Der wurde verwehrt. Nur ausgewählte Medien ließ man zu. Wir haben gezeigt: Wenn CEOs von Gaskonzernen im Luxushotel mit Champagner auf ihre Profite aus schmutzigen fossilen Energien anstoßen, müssen sie mit unserem Widerstand rechnen.

In Deutschland ist Fracking verboten. Wie sehr schädigt es die Umwelt?

Krebserregende Chemikalien werden ins Grundwasser gepresst, um das Gas aus dem Boden hervorzubringen. Das passiert etwa in Regionen der US-Bundesstaaten Louisiana oder Texas, wo viele arme Menschen und Afroamerikaner wohnen. Entlang der Lieferkette entweicht Methangas in die Atmosphäre, was umweltschädlicher ist als CO2. Die deutsche Bevölkerung wurde in Angst versetzt, im Winter frieren zu müssen. Zwei Drittel des Gases von LNG-Terminals wird aber direkt weitergeleitet, etwa zu Düngemittelfabriken oder Konzernen, die Plastik herstellen. Es gibt Überkapazitäten.

Das Schlimmste: So wird verhindert, dass sich erneuerbare Energien durchsetzen können. Behauptet wird, Gas sei klimafreundlicher als Kohle. Das stimmt nicht. Ebenso falsch ist die Behauptung, Flüssigerdgas sei nur eine Brückentechnologie, werde durch Wasserstoff ersetzt. Man nimmt Milliarden Euro Steuergeld in die Hand, um die Infrastruktur zu bauen. Wasserstoff müsste jedoch erst aus wasserarmen Gebieten in Nordafrika geliefert werden. Die Lobbyverbände bauen solche Lügengebäude gezielt auf. Die Lobbycontrol-Studie »Pipelines in die Politik« analysiert ihre fatale Macht.

Welche Parteien betreiben Greenwashing?

Ob im von den Grünen geführten Wirtschaftsministerium, ob seitens der SPD oder CDU: Man spielt im Interesse der Gaslobbys mit.

Gegen Umweltaktivisten geht die Polizei heftig vor. Wie war es vor einer Woche?

Ein Polizeisprecher behauptete, wir hätten eine Fahrradstreife der Polizei überrannt. Das ist absurd. »Ende Gelände« greift keine Polizeiketten an, sondern versucht, sie zu durchfließen oder zu umgehen. Die Polizei hatte aus dem Hotel Adlon eine Festung gemacht, alles abgesperrt; ging mit Pfefferspray gegen Demonstrierende vor. Besonders gewaltsam ging sie gegen Aktivistinnen und Aktivisten der »Letzten Generation« vor, riss festgeklebte Hände los, es gab Verletzungen.

»Ende Gelände« hat immer wieder gegen den Bau von LNG-Terminals demonstriert. Können Sie etwas ausrichten?

Wir waren mit dem Kohlewiderstand erfolgreich. Jetzt haben wir gemeinsam mit 40 Organisationen das Thema Gas gesetzt. Nach unseren Protesten 2021 sind Investoren abgesprungen. Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine schaffte es die Industrie, Panik zu schüren. Weder gibt es einen Notstand noch hat es einen gegeben. Terminals sind teils nur zu 15 Prozent gefüllt. Wir erleben einen fossilen Rückschlag. Die transnationalen Konzerne betreiben eine undurchsichtige Politik, sind kaum kontrollierbar. Wir stehen mit Menschen aus den betroffenen Gebieten in internationaler Solidarität, um der neokolonialen Ausbeutung zu begegnen. Wir brauchen den Gasausstieg.

Jule Fink ist Sprecherin der Klimaschutzgruppierung »Ende Gelände«

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