Reformpaket mit Sprengstoff
Von Thomas BergerDer Gedanke mag auf den ersten Blick durchaus sinnvoll erscheinen. Warum sollten in Indien nicht in Zukunft nationale Parlaments- und die Regionalwahlen in den 28 Unionsstaaten zusammengelegt werden? Wahlkampfkosten für die Parteien würden sinken, der Staat mit verringertem Organisationsaufwand erheblich sparen – Schätzungen sprechen von einem Potential bis zu 1,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Was die regierenden Hindunationalisten der Bharatiya Janata Party (BJP) von Premier Narendra Modi mit dem in dieser Woche eingebrachten Gesetzentwurf »One Nation, One Election Bill« anstreben, bietet politisch aber reichlich Zündstoff.
Dies zeigte sich auch bei der aufgeheizten Auftaktdebatte in der Lok Sabha, dem Unterhaus des Zweikammerparlaments. Von einem Angriff der BJP auf die Fundamente der indischen Demokratie war da seitens der Opposition die Rede. Nicht nur aus der altehrwürdigen Kongresspartei (INC), die Indien seit der Unabhängigkeit 1947 über lange Zeit politisch dominiert hat, kommt heftige Kritik. Auch mächtige Regionalparteien aus der oppositionellen India-Allianz wie die sozialdemokratische Samajwadi Party aus Uttar Pradesh, der moderat konservative Trinamool Congress aus Westbengalen und die im Kern progressive Dravida Munnetra Kazhagam, die im südlichen Tamil Nadu regiert, sind strikt gegen den Vorstoß.
Worum geht es? Das Land befindet sich mit kurzen Unterbrechungen beinahe ständig im Wahlmodus, weil irgendwo ein oder mehrere neue Regionalparlamente – zuletzt im Oktober mit einem überragenden Sieg der BJP in Maharashtra mit der Wirtschaftsmetropole Mumbai – neu gewählt werden. Die Idee ist nun, ab der übernächsten Wahl 2034 zur Lok Sabha alle regionalen Wahltermine mit der Abstimmung für das Unterhaus zu synchronisieren. So sieht es der am Dienstag von Justizminister Arjun Meghwal vorgelegte Gesetzentwurf vor. Erarbeitet hat ihn eine Sonderkommission, zu der Expräsident Ram Nath Kovind und Innenminister Amit Shah (beide BJP), Modis rechte Hand, gehören.
In der Frühzeit nach der Unabhängigkeit 1947 war diese Gleichzeitigkeit durchaus Usus, bis ab 1967 eine Zersplitterung des Parteiensystems viele Legislaturperioden vorzeitig enden ließ, das System somit aus dem Takt kam. Auch im jetzigen »Koalitionszeitalter« oft ohne allzu klare Mehrheit ist es nicht selten, dass vorzeitig neu gewählt werden muss. Allerdings würde bei etlichen Regionalparlamenten eine sonst solide fünfjährige Legislatur zwangsweise abgebrochen, wenn deren Abgeordnete erst 2031 oder 2032 gewählt wurden, eine Neuwahl aber schon 2034 gemeinsam mit der Lok Sabha anstünde. Die Opposition sieht in der strittigen Reform deshalb eine erhebliche Schwächung der in Indien traditionell starken Unionsstaaten. Eine erste Abstimmung mit 269 Stimmen dafür und 198 dagegen war noch weit von der nötigen Zweidrittelmehrheit entfernt, die eine Verfassungsänderung beim finalen Beschluss bräuchte.
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