Umworbene Union
Von Philip TassevFür FDP und Bündnis 90/Die Grünen scheint die Union bereits als Gewinner der Bundestagswahl am 23. Februar festzustehen. Offensiv bewerben sie sich für die Position des Juniorpartners in einer künftigen CDU/CSU-geführten Bundesregierung.
»Schwarz-Gelb« sei »die beste Konstellation für unser Land«, behauptete FDP-Chef Christian Lindner am Freitag gegenüber dpa. Er bedauere, »dass die Union ihre Offenheit für Koalitionen mit SPD und Grünen wie eine Monstranz vor sich herträgt«. Er könne den Kanzlerkandidaten der CDU, Friedrich Merz, »nur vor der Illusion warnen, dass mit linken Parteien die grundlegend andere Wirtschafts- und Migrationspolitik erreichbar wäre«. Laut Lindner gebe es viele ungeduldige und unzufriedene Wähler, die für »die Mitte« gewonnen werden könnten, die aber momentan die AfD oder das BSW wählten. »Das Letzte, was diese Menschen wollen, ist Schwarz-Grün.« Auch der FDP-Generalsekretär Marco Buschmann ruft die Union zum Bündnis auf. Die Aussicht auf eine »schwarz-gelbe« Koalition sei »eine echte Perspektive für eine neue Wirtschafts- und Migrationspolitik aus der seriösen Mitte heraus«, sagte der ehemalige Justizminister der Rheinischen Post vom Freitag. Es trete zwar jede Partei für ihr eigenes Programm an. »Aber ein echter Politikwechsel braucht auch eine Machtkonstellation, die diesen Politikwechsel tatsächlich verwirklichen möchte.«
Es ist zwar überhaupt nicht sicher, ob die FDP nach der Wahl noch im Parlament vertreten sein wird. Aktuelle Umfragen sehen die Partei bei gerade einmal drei bis vier Prozent. Trotzdem rennen die Liberalen mit solchen Tönen bei Teilen der Union offene Türen ein. CSU-Chef Markus Söder etwa macht seine Abneigung gegen eine Zusammenarbeit mit den Grünen immer wieder sehr deutlich. Auch CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn hält eine Koalition mit der FDP für eine »Alternative« – vorausgesetzt, es ergibt sich die dafür notwendige »bürgerliche Mehrheit«. Ziel der Union sei eine Regierung ohne »Rot-Grün«. Und dem Vorsitzenden der »Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft« (CDA), Dennis Radkte, »fehlt schlicht die Phantasie, wie mit der SPD die notwendigen Korrekturen in der Außen- und Sicherheitspolitik umsetzbar sein sollen«, wie er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Freitag sagte. Bei den »wesentlichen Entscheidungen« sieht der CDU-Mann innerhalb der SPD eine »Moskau-Connection« am Werk. Durch eine Koalition aus Union und SPD könnte außerdem die AfD zur stärksten Oppositionspartei im Bundestag werden. Dabei sei »das politische Klima in Deutschland« bereits »dramatisch vergiftet«, so Radkte. »Da braucht es nicht noch eine angebräunte Oppositionsführerin mit Alice Weidel.«
Die Bundesvorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, sieht in einer Bundesregierung von Union und SPD vor allem »einen teuren Stillstand«, wie sie dem Tagesspiegel sagte. Von Söders kategorischer Ablehnung von »Schwarz-Grün« lässt sie sich nicht beirren. Der CSU-Chef ändere regelmäßig seine Position. Die »Demokraten« müssten »miteinander gesprächsfähig bleiben«. Wenn die Union die Grünen als »Hauptfeind« betrachtet, führe das zu »instabilen Machtverhältnissen und einer Regierungsbeteiligung des BSW«. Offenbar setzt Brantner ihre Hoffnung auf jene Kreise in der CDU, die einem Bündnis mit den Grünen durchaus etwas abgewinnen können. Dafür bemüht sie sogar Konrad Adenauer. Der erste Kanzler der BRD »würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sähe, dass Herr Söder lieber auf Akteure setzt, die uns in Putins Arme treiben, statt auf eine klare Westbindung und europäische Sicherheit«.
Dass auf die Grünen Verlass ist, wenn es um Westbindung und Aufrüstung geht, demonstriert der Kanzlerkandidat der Partei, Robert Habeck. Der Spiegel zitierte den Wirtschaftsminister am Freitag mit der Aussage, die Rüstungsausgaben müssten in den nächsten Jahren auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen – natürlich nur, »damit Putin nicht wagt, uns anzugreifen«. Bisher gibt die NATO zwei Prozent des BIP vor. Zu seiner Haltung zur Armee sagte Habeck, der einst Ende der 1980er Jahre den Wehrdienst verweigerte: »Heute würde ich zur Bundeswehr gehen.« Ob das reicht, um Leute wie Söder umzustimmen? Zumindest außenpolitisch passen »grüne« und »schwarze« Bellizisten hervorragend zusammen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (4. Januar 2025 um 07:50 Uhr)Übrigens sind Habecks Grüne diejenigen, mit denen gemeinsam die Partei Die Linke vor einigen Jahren einmal zukunftsgerichtete Politik machen wollte. Dass sich ob dieser mit Vehemenz vorgetragenen Illusion auch nur einer der damaligen führenden Linken selbst geohrfeigt hätte, ist bisher nicht bekannt geworden.
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