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Aus: Ausgabe vom 06.01.2025, Seite 4 / Inland
Syrische Schutzsuchende

Arbeit oder Abschiebung

Bundesinnenministerin erläutert Vierpunkteplan für syrische Geflüchtete. Druck auf Betroffene, ihre Arbeitskraft in der BRD feilzubieten
Von Marc Bebenroth
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Vater und Sohn warten im Ankunftszentrum des ehemaligen Flughafens Tegel (Berlin, 4.10.2023)

Den um ihre Profite besorgten Kapitalisten will auch die Bundesinnenministerin unter die Arme greifen und ihnen mehr billige Arbeitskräfte zuführen: Nancy Faeser (SPD) hat am Wochenende das Vorhaben der Bundesregierung bekräftigt, den Druck auf syrische Asylsuchende erhöhen zu wollen, die noch keiner Lohnarbeit nachgehen. Jenen, »die kein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen wie Arbeit oder Ausbildung haben und nicht freiwillig nach Syrien zurückkehren«, drohe der Entzug ihres Schutzstatus, erklärte Faeser gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe laut Berichten vom Sonntag.

Das für Asylanträge zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) werde »so wie es unser Recht vorsieht« gewährten Schutz von Syrerinnen und Syrern »überprüfen« und »aufheben, wenn Menschen diesen Schutz in Deutschland nicht mehr brauchen, weil sich die Lage in Syrien stabilisiert hat«, sagte Faeser den Blättern. Vom Verlust des (subsidiären) Schutzes verschont werden sollen Syrerinnen und Syrer, die »gut integriert« seien, also die erwerbstätig sind, die deutsche Sprache erlernt und »hier eine neue Heimat gefunden« haben. Diesen Menschen verspricht die Innenministerin, in Deutschland bleiben zu dürfen. »Auf sie können wir nicht verzichten«, ergänzte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese gegenüber der Rheinischen Post (Onlineausgabe vom Sonntag).

Derzeit leben laut Angaben aus dem Bundesinnenministerium rund 975.000 Syrerinnen und Syrer in der BRD. Die meisten kamen demnach seit 2015 infolge des Kriegs in der Arabischen Republik hierher. Mehr als 300.000 von ihnen haben laut Ministerium einen sogenannten subsidiären Schutztitel, da sie offiziell nicht wegen individueller Verfolgung aufgenommen worden waren, sondern wegen des Kriegs in dem Land.

Denen von ihnen, die noch selbst darüber befinden dürfen, ob sie nach Syrien zurückkehren oder nicht, soll der Staat verstärkt Unterstützung anbieten. Das Programm des Bundes zur nominell freiwilligen Rückkehr soll erweitert werden, sagte Faeser den Funke-Zeitungen. Aktuell sind diese Programme für das Zielland Syrien auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Begründet wird das mit der »anhaltenden schwierigen Sicherheitslage«, wie es auf der Internetseite returningfromgermany des BAMF und des UN-Programms IOM auch am Sonntag noch hieß. Interessierte werden an eine »nächstgelegene Rückkehrberatungsstelle« verwiesen. Diese könne gegebenenfalls »über weitere bestehende Unterstützungsmöglichkeiten durch die einzelnen Bundesländer informieren«.

Auch in ihren am Sonntag verbreiteten Äußerungen bekannte sich Faeser zur Forderung, dass wegen Straftaten verurteilte syrische Staatsbürger sowie Islamisten so schnell wie möglich außer Landes verbracht werden sollen. »Die rechtlichen Möglichkeiten dafür haben wir stark erweitert und werden sie nutzen«, kündigte Faeser an – »sobald die Lage in Syrien dies zulässt«. Diese Einschränkung rief die Union auf den Plan. Deren Fraktionsvize Alexander Throm (CDU) forderte gegenüber der Rheinischen Post, bereits jetzt die »Rückführung« von Syrerinnen und Syrern aktiv voranzutreiben. »Flüchtlingsschutz ist Aufenthalt auf Zeit«, erklärte der Christdemokrat. »Bei den meisten syrischen Flüchtlingen ist der ursprüngliche Fluchtgrund des schrecklichen Assad-Regimes jetzt weggefallen«, behauptete er weiter. Zurückkehren müssten ihm zufolge alle Syrer, »die erst kurz hier sind oder die schon länger da sind und nicht ausreichend arbeiten«. Außerdem müsse der Familiennachzug für in der BRD Asyl suchende Syrerinnen und Syrer unverzüglich ausgesetzt werden.

Seit dem 9. Dezember 2024 sind sämtliche Asylverfahren des BAMF, »bei denen auch Informationen zur Lage in Syrien berücksichtigt werden«, eingefroren, wie die Behörde auf ihrer Internetseite mitteilt. Der Grund: Auch nach dem Sieg der NATO und ihrer Stellvertretertruppen über die Assad-Regierung in Damaskus sei die Lage in Syrien »dynamisch, unübersichtlich und schwer zu bewerten«. So werden derzeit auch keine Entscheidungen des BAMF über Familienasyl – »unabhängig der Lage im Herkunftsland« getroffen, wie es weiter heißt. Widerrufsverfahren würden »nur zum Teil« bearbeitet. Betroffene, die sich um ihr Asylverfahren nicht weiter kümmern können, werden mit Einstellung bzw. Ablehnung ihres Antrages ­konfrontiert.

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