Yoon hinter Gittern
Von Martin Weiser, Seoul
Südkoreas suspendierter Präsident Yoon Suk Yeol durfte am Mittwoch für seinen gescheiterten Putschversuch vom 3. Dezember eine erste Nacht in Haft verbringen. Weitere werden wohl folgen. Erst einmal darf die Sonderstaatsanwaltschaft ihn nur bis zu diesem Freitag festsetzen, um ihn zu verhören. Mit hoher Wahrscheinlichkeit folgt aber vor Ablauf der Frist der nächste Haftbefehl, der ihn auf Wochen in Untersuchungshaft bringen wird. Die Zeitung Hankyoreh berichtete bereits über Yoons Essensplan im Gefängnis für die nächsten Wochen.
Zu Auseinandersetzungen zwischen Yoons Personenschutz und Polizisten kam es bei der Verhaftung am Mittwoch nicht, weil die Strafvollzugsbehörden mit fast 3.000 Mann klar die Oberhand hatten. Yoon behauptete am Ende gar, er habe sich freiwillig gestellt, um ein Blutvergießen zu verhindern. Da hatte sich aber bereits abgezeichnet, dass, vielleicht abgesehen von einigen Verrückten im Personenschutz, keiner zur Waffe greifen würde. Statt dessen wollte Yoon in letzter Minute wohl doch noch verhandeln – außer einer würdevollen Fahrt zum Verhör konnte er jedoch nichts herausschlagen. Damit entfielen auch erhoffte Bilder des Präsidenten in Handschellen.
Was Yoon in den Stunden und Tagen vor der Festnahme in seiner Wohnung tat, ist kaum bekannt. Anscheinend versuchte er aber, seine Anhänger zu mobilisieren, wenn nicht sogar zum Aufstand aufzurufen. In einer Videobotschaft, die seine Anwälte veröffentlichten, behauptete Yoon wie schon zuvor, nicht nur der Haftbefehl, sondern auch die Ermittlungen gegen ihn seien illegal. Das Rechtssystem sei mit seiner Festnahme kollabiert. In einem schnell zusammengeschriebenen Manifest, das nach seiner Festnahme veröffentlicht wurde, behauptete er, Südkorea sei zu einer »Parlamentsdiktatur« verkommen. Dementsprechend verweigerte er in Haft jede Aussage, und in den fast neun Stunden Verhör wollte er zu keiner Sache, nicht einmal bei der Frage nach seinem Namen, etwas sagen. Am Donnerstag weigerte er sich, seine Zelle zu verlassen.
Yoons Phantasiewelt, in der das Vorgehen gegen ihn illegal sei, wurde am gleichen Tag auch offiziell von einem Gericht für Blödsinn erklärt. Yoon hatte versucht, mit einer Verfügung seine Haft aufheben zu lassen, genauso wie das Verfahren der Sonderstaatsanwaltschaft für Korruption gegen ihn. Die könne gar nicht gegen Putschisten vorgehen, behauptete er, ehemals selbst Oberster Staatsanwalt. Doch das Gericht belehrte Yoon: Bei Amtsmissbrauch dürfe eingeschritten werden, und darunter falle selbstverständlich auch, wenn ein Präsident per Kriegsrecht die Demokratie abschaffen wolle.
Ebenso ließ man nicht gelten, dass Yoon den Haftbefehl für unzulässig erklärt, nur weil angeblich das falsche Seouler Bezirksgericht ihn ausgestellt habe. Angesichts der Anschuldigungen muten diese Detailfragen geradezu absurd an, sie dienen aber wohl dazu, den Prozess in die Länge zu ziehen und Anhänger von Yoons Argumentation zu überzeugen. Der vom Amt suspendierte Präsident verwehrte sich auch mit einem weiteren absurden Argument gegen den Vorwurf, er habe dem Parlament verbieten wollen, Sitzungen abzuhalten. In Südkorea ist laut Verfassung ein Parlamentsbeshluss nötig, um mit einfacher Mehrheit das Kriegsrecht wieder aufzuheben. Er habe den entsprechenden Passus im Dekret vom 3. Dezember übersehen, so Yoon, dies habe also der ehemalige Verteidigungsminister zu verantworten. Der sitzt seit einiger Zeit in Haft und wird den schwarzen Peter wahrscheinlich wieder zurückschieben.
Durch Parlamentsbefragungen der obersten Beamten gelangte am Montag ein weiteres perfides Detail an die Öffentlichkeit: Das Kriegsrecht wollte die Regierung wohl auch dazu nutzen, linken Medien wie dem Fernsehsender MBC und den Zeitungen Hankyoreh und Kyunghyang Strom und Wasser zu kappen. Diese Anordnung des Innenministers offenbarte der Chef der Feuerwehr, Heo Seok Gon, jedoch nur, nachdem ein Abgeordneter mehrmals nachgebohrt und gedroht hatte, ihn auch vor Gericht zu bringen.
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