Putin sucht Gespräch »von gleich zu gleich«
Von Reinhard Lauterbach
Das offizielle Russland hat betont gelassen auf den Amtswechsel im Weißen Haus reagiert. Schon vor der eigentlichen Inauguration von Donald Trump veröffentlichte der Kreml das Stenogramm einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates, auf der demnach Wladimir Putin Trump zur bevorstehenden Amtseinführung gratulierte und warme Worte dafür fand, welchem persönlichen Druck bis hin zu Attentatsversuchen dieser während des Wahlkampfes ausgesetzt gewesen sei. Putin sagte weiter, Russland sei zu »Gesprächen von gleich zu gleich« mit den USA bereit, halte aber an seinen Forderungen für ein Ende des Ukraine-Kriegs fest. Eine eventuelle Einigung mit den USA müsse »die Grundursachen des Konflikts« beseitigen.
Moskau sei nicht an einer kurzfristigen Waffenruhe interessiert, die – Putin implizierte: von der Ukraine, obwohl das für Russland vermutlich ebenso gelten würde – doch nur zur Umgruppierung und Wiederbewaffnung genutzt werden würde. Ein dauerhafter Frieden müsse »die legitimen Interessen aller Beteiligten berücksichtigen«. Das veranlasste das ukrainische, brüsselnahe Portal Ewropejskaja Prawda zu der im Kern wohl nicht unzutreffenden Einschätzung, Putin gehe von seiner »Forderung nach einer vollständigen Kapitulation der Ukraine« nicht ab.
Gleichzeitig ist man offenbar bemüht, Erwartungen in der russischen Gesellschaft zu dämpfen, mit Trump werde es rasch zu einer Vereinbarung über ein Ende des Krieges kommen. Das erfuhr die Moskauer Zeitung Kommersant nach eigenen Angaben aus Beraterkreisen des Kreml. Hauptargument für diese Bemühungen sei, dass eine – wie die Fragestellung unterstellt – sich nach Frieden sehnende russische Öffentlichkeit ein Scheitern der Gespräche mit den USA der eigenen Regierung als Unfähigkeit anlasten könnte. Aktuelle Umfragedaten legen übrigens nahe, dass diese Strategie im großen und ganzen aufgeht: Wie das staatliche Umfrageinstitut VCIOM vor einigen Tagen veröffentlichte, erwartet eine relative Mehrheit von 45 Prozent der Befragten, dass sich auch unter Trump an den russisch-US-amerikanischen Beziehungen nichts wesentliches ändern werde; ihnen steht allerdings ein Anteil von 35 Prozent gegenüber, die auf eine Verbesserung des Verhältnisses hoffen. Dieselbe Zeitung, die vor allem in der bürgerlichen Führungsschicht Russlands gelesen wird, warnte in einem Kommentar vor der Illusion zu glauben, Trump habe keine dringenderen Prioritäten als das Verhältnis zu Moskau. Im ganzen also ergibt sich ein Bild vorsichtigen Abwartens.
In der Ukraine wurde mit Besorgnis registriert, dass Trump in seiner Rede zum Amtseintritt das Land kein einziges Mal erwähnte. Verbunden mit seiner Ankündigung, alle Hilfsprogramme für ausländische Staaten für 90 Tage auszusetzen, um zu überprüfen, ob die Unterstützung mit der Trumpschen Lesart US-amerikanischer Interessen übereinstimme, nährte das die Befürchtung, dass auch der Fluss der US-Militär- und Finanzhilfe für Kiew in absehbarer Zeit austrocknen könnte. Freilich hatte der scheidende Präsident Joseph Biden noch kurz vor dem Ende seiner Amtszeit mehrere Pakete mit Rüstungshilfe im Milliardenwert freigegeben. Es sind dies allerdings in hohem Maße Wechsel auf die Zukunft in Gestalt von Krediten für künftige Lieferungen der US-Rüstungsindustrie, nicht Waffentransporte bereits vorhandenen Materials.
An der Front wird der Druck auf die ukrainischen Truppen weiter aufrechterhalten. Russische Truppen eroberten im Raum Pokrowsk das an der wichtigsten Straße nach Südwesten gelegene Dorf Kotline und sind nur noch wenige Kilometer von der wichtigsten Straße entfernt, die Pokrowsk mit der Zentralukraine verbindet. Auch sie befindet sich nach Aussage ukrainischer Militärs bereits in Reichweite russischer Artillerie und Drohnen. Fast eingeschlossen ist inzwischen auch der Ort Welika Nowosilka kurz vor der Grenze zum Bezirk Saporischschja. In der Nacht zum Montag bombardierte Russland unter anderem den Bahnhof von Sinelnikowe östlich von Dnipro. Dort ist ein wichtiger Knotenpunkt für den Nachschub der ukrainischen Armee.
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