Vučić unter Druck
Von Slavko StilinovićAm Freitag könnte das Land stillstehen: Die Anführer der seit Wochen andauernden Studentenproteste in Serbien haben an diesem Tag zu einem Generalstreik aufgerufen. Eine führende Studentengruppe veröffentlichte am Mittwoch in mehreren Onlinenetzwerken einen Aufruf zu »allgemeinem zivilem Ungehorsam«. Die Menschen sollten nicht zur Arbeit, zum Einkaufen oder ins Restaurant gehen. »Nehmen wir unsere Freiheit selbst in die Hand«, erklärten sie im Onlinedienst Instagram. Der Rektor der Belgrader Universität solidarisierte sich mit den Studenten. Auch einige Gewerkschaften und Berufsverbände haben Streiks angekündigt. Am Donnerstag hat die Unabhängige Kulturgewerkschaft Serbiens bereits einen einstündigen Arbeitsstopp organisiert. Außerdem gab es in dieser Woche in vielen kleineren Städten Proteste, beispielsweise im südserbischen Leskovac.
Neben Arbeitsniederlegungen und Verbraucherstreiks am Freitag werden auch Proteste in den Kleinstädten Sremska Mitrovica, Apatin, Kikinda, Sombor, Temerin, Alibunar, Dimitrovgrad, Vlasotince und Vladičin Han erwartet. Am Sonnabend wollen sich Bürger in Zrenjanin, Kikinda, Sombor, Mladenovac und Pančevo versammeln.
Seit am 1. November 2024 in der nordserbischen Stadt Novi Sad das Vordach eines neu renovierten Bahnhofs einstürzte und 15 Menschen dabei ums Leben kamen, gibt es eine vor allem von Studenten initiierte Welle von Demonstrationen. Die Aufklärung des Vorfalls wird gefordert und gegen Korruption im Staatsapparat protestiert. Am 22. Dezember kam es zur größten Demonstration der serbischen Geschichte: Knapp über 100.000 Menschen versammelten sich in Belgrad. Serbiens russlandfreundlicher Präsident Aleksandar Vučić warnte bereits mehrfach vor einer prowestlichen »Farbenrevolution«.
Auffällig ist auch, dass sich Angriffe auf die Demonstrationen häufen. So fuhr ein Autofahrer am 16. Januar bei einer Protestkundgebung im Zentrum von Belgrad eine auf dem Bürgersteig stehende Studentin an und floh vom Unfallort. Der 37jährige ist nun wegen »versuchten schweren Mordes« angeklagt. Das Ereignis wurde auf Video aufgezeichnet, doch der Präsident relativierte die Tat. Schon im vergangenen August war während der Massendemonstrationen gegen Lithiumabbau ebenfalls ein Fahrer in eine Autobahnblockade gefahren und hatte dabei drei Demonstranten verletzt.
Am Morgen nach dem Unglück besetzte die Opposition in Novi Sad das Stadtparlament und das Rathaus und unterstützte die Forderungen der Studenten. Allerdings drang die Polizei bald darauf durch ein Fenster in das Rathaus ein und brachte die Oppositionsmitglieder aus dem Gebäude, wobei es zu einer Schlägerei kam. Einem Abgeordneten wurde ein Finger gebrochen, anwesende Journalisten und Kameraleute berichteten, von der Polizei geschubst worden zu sein. Am selben Tag versammelten sich zwischen 53.000 und 55.000 Menschen bei einer Demonstration unter dem Motto »Unser Recht, alles zu wissen« vor dem Gebäude des serbischen Staatsfunks RTS. Sie kritisierten die Berichterstattung des Senders als voreingenommen und forderten mehr Transparenz und Unabhängigkeit.
Dass die Regierung sich um ihr Fortbestehen sorgt, zeigt die Tatsache, dass Zivilpolizisten am Dienstag mehrere junge EU-Ausländer festnahmen, die verhört und anschließend des Landes verwiesen wurden. Der Verband der unabhängigen Kulturszene Serbiens gab bekannt, dass die jungen Leute alle zivilgesellschaftlich tätig seien und an einem Workshop der österreichischen »Erste Stiftung« und der Wiener Wirtschaftsuniversität für Führungskräfte der Zivilgesellschaft in Mittel- und Osteuropa teilgenommen hätten. In dem Dokument, das sie vor ihrer Ausreise unterschreiben mussten, hieß es, die Abschiebung erfolge aufgrund eines »inakzeptablen Sicherheitsrisikos für die Republik Serbien«.
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