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Krimis für Kuczynski

Von Pierre Deason-Tomory
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»Sade – mein Nächster«: Szenenfoto aus Pier Paolo Pasolinis Film »Salò – Die 120 Tage von Sodom« (1975)

Eine Umfrage bei einer Leserin dieser Radiokolumne hat ergeben, dass hundert Prozent der Befragten regelmäßig den »ARD Radio Tatort« hören, weshalb wir damit fortfahren werden, die Folgen der Reihe hier anzukündigen. Jürgen Kuczynski wäre damit einverstanden. Dem halben Dutzend seiner Autobiographien lässt sich entnehmen, dass dieser nicht nur täglich drei Bücher, fünf Vorträge und zwölf Artikel verfasst, sondern auch ein oder zwei Detektivromane gelesen hat. Friedrich Dürrenmatt dagegen fand Krimis dumm und schrieb welche, um auf immer neue Weise gegen deren Gesetze zu verstoßen. In »Das Versprechen« etwa lässt er das Verbrechen des Täters ungesühnt, nicht aber dasjenige, das er dem Kommissär aufbürdet. Patricia Highsmith ging es ebenfalls nicht darum, wer der Bösewicht ist und wie man ihn fängt. Sie fragte in ihren Kriminalromanen nach dem Warum, wie es vielleicht auch der »unverbesserliche« Marxist Kuczynski getan, wenn er Krimis geschrieben hätte. Das lässt sich nachweisen in drei Highsmith-Hörspielen, die anlässlich des 30. Todestags der Autorin am 4. Februar am Wochenende gesendet werden, praktischerweise immer um 19.04 Uhr: Am Freitag »Lösegeld für einen Hund (1/2)« (WDR 2006, WDR 3), am Sonnabend »Die Heldin« (SWR 2022, SWR Kultur) und am Sonntag ­»Der süße Wahn (1/2)« (NDR, SRF 2023, NDR Kultur).

Was passiert außer Mord und Totschlag in dieser Radiowoche? Die Raumfahrt entwickelt sich. Alma Hasun liest aus dem Booker-Prize-Gewinnerroman von 2024, »Umlaufbahnen« von Samantha Harvey (Di., 11.05 Uhr, Ö 1). In den »Querköpfen« macht Kabarettaltmeister Erwin Grosche »Nützliche Nebengeräusche« (Mi., 21.05 Uhr, DLF). Verstörende Geräusche hört Gültekin, ein Wachmann, und seine Tochter Ayla glaubt ihm nicht im Hörspiel »Babas Geister (1/6)« von Ayla Güney und Jurate Braginaite (DLF, SWR 2024, Do., 20.30 Uhr, DLF). Auch zwei Features stehen auf unserer Liste. Mirjana Jandik fragt »Gute Pflege für alle?« in ihrem Stück über das Los mexikanischer Pflegekräfte in der BRD (WDR 2024, Fr., 14.05 Uhr, SWR Kultur). Und Beate Ziegs erinnert an »Thomas Harlan und seine Erkundungen zum ›Vierten Reich‹« (Sa., 12.04 Uhr, So., 15.04 Uhr, WDR 3).

Die ARD-Einheitsoper der Woche stammt aus der Feder der englischen Komponistin Ethel Smyth, deren Werk seit einigen Jahren näher erkundet wird: »The Wreckers«, aufgenommen im Vorjahr von der Hausband des Badischen Staatstheaters Karlsruhe (Sa., 20.03 Uhr, BR Klassik, HR 2 Kultur, NDR Kultur, Radio 3, SR 2 Kultur, SWR Kultur, WDR 3). Zur selben Stunde läuft das Hörspiel »Die Könige spielen die anderen« von Gesche Piening über das endlose Rattenrennen, in dem »Angestellte dafür da sind, Chef und Chefin glücklich zu machen«; im November gewählt zum Hörspiel des Monats (DLF Kultur 2024, Sa., 20.05 Uhr, DLF). Heiner Goebbels hat für sein neuestes Hörstück Geräusche aus Natur und Stahlwerk sowie Originaltöne von Hannah Arendt, Marguerite Duras und anderen in »Eine Orakelmaschine« geworfen, damit diese keine Antworten gibt (DLR, SWR 2025, Ursendung, Sa., 23.03 Uhr, SWR Kultur). Die Sonntagmorgensendereihe mit dem tuffigen Titel »Du holde Kunst« entrückt mit Gedichten, die »Das Rom des Pier Paolo Pasolini« besingen, vom späteren Filmemacher in den frühen 50er Jahren verfasst (8.15 Uhr, Mo., 0.05 Uhr, Ö 1). Schließlich beginnt am Montag eine »Klassikerlesung« in 20 Teilen, Kurt Böwe ist zu hören mit der Novelle »Grete Minde« von Theodor Fontane (MDR 1995, Mo., 14.05 Uhr, MDR Kultur).

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ralph D. aus Gotha (28. Januar 2025 um 09:44 Uhr)
    Das Interesse von Jürgen Kuczynski an Kriminalgeschichten war trotz seiner ansonsten wissenschaftlich völlig anders ausgerichteten Tätigkeit groß. Er sprach gern von »Detektivromanen«, die er sich unter anderem Anfang der 1950er Jahre mit Bertolt Brecht austauschte. Manchmal habe die wechselseitige Übergabe der Hefte bzw. Bücher wortlos an seiner Haustür stattgefunden. Während er das erzählte, lächelte er so schelmisch, dass es geradezu ansteckend wirkte. Ich denke gern daran zurück.

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