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Aus: Ausgabe vom 31.01.2025, Seite 4 / Inland
Resolution des Bundestags

Verkappter Radikalenerlass

Wissenschaftler widersprechen neuer Resolution des Bundestags gegen Israel-Kritik an Schulen und Hochschulen. Nur BSW stimmt dagegen, Linke enthält sich
Von Marc Bebenroth
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Widersprechen der Staatsräson: Studenten protestieren gegen die Unterstützung der Regierung Israels (München, 19.10.2024)

Im Schatten der Oppositionsmehrheit für eine autoritärere Migrationspolitik verabschiedete der Bundestag zu später Stunde eine neue Antisemitismusresolution. Für die am Donnerstag in Berlin vorgetragene Kritik daran interessierte sich vor Ort nur eine Handvoll Journalisten. Den Behauptungen der Mehrheit der Abgeordneten im Plenum, wonach die Wissenschaftsfreiheit von einer Umsetzung der Forderungen unberührt bliebe, widersprachen Miriam Rürup, Aleida Assmann, Michael Zürn und Ralf Michaels in der Bundespressekonferenz.

Die Resolution »Antisemitismus und Israel-Feindlichkeit an Schulen und Hochschulen entschlossen entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern« sei das jüngste Feigenblatt im staatlichen Kampf gegen Antisemitismus, sagte Rürup, Direktorin des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam. Am Mittwoch habe sich wiederholt, was zuletzt am 7. November im Plenum geschah. Damals hatte ein Block aus SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und AfD die Resolution für den »Schutz jüdischen Lebens« beschlossen. Erneut seien die Augen vor dem Rechtsruck verschlossen worden, erklärte Rürup. Derartige Symbolpolitik verstelle den Blick auf das, was in der Praxis gegen Diskriminierung, Rassismus und Judenhass getan werden müsse.

Die am Mittwoch nach 22 Uhr mit den Stimmen derselben Fraktionen verabschiedete Resolution fordert verschärfte Maßnahmen gegen Positionen, die der proisraelischen »Staatsräson« der BRD widersprechen. »Keinen Platz« an Schulen und Hochschulen sollen demnach »Antisemitismus und Israel-Feindlichkeit« – der Text verknüpft diese Begriffe wiederholt – haben sowie Unterstützer der gewaltfreien und gegen die völkerrechtliche Besatzung palästinensischer Gebiete gerichteten BDS-Kampagne (»Boycott, Divestment and Sanctions«). Aus den Bildungseinrichtungen vertrieben werden sollen auch alle, die »etwaige Bewegungen« unterstützen.

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Mit Nein hatten nur die Abgeordneten der BSW-Gruppe gestimmt. Die der Linkspartei hatten sich enthalten. Die »ganz große Koalition« habe dem Kampf gegen Antisemitismus einen Bärendienst erwiesen, sagte Andrej Hunko (BSW) im Plenum. Nicole Gohlke (Die Linke) sprach von einem »Schaufensterantrag«. »Wir wollen Lehrkräfte stärken, Sie die Sicherheitskräfte«, rief sie dem Bürgerblock entgegen. Dieser mache »eine Seite unsichtbar«: die Palästinenser.

Er habe sich »immer gegen BDS ausgesprochen«, erklärte Zürn, Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin. Dennoch sei er gegen die Resolution, weil sie die Wissenschaftsfreiheit beeinträchtigen könne. Im Anschluss an die Pressekonferenz erläuterte Zürn im Gespräch mit junge Welt, warum er gegen die palästinasolidarische BDS-Kampagne sei. Er wolle nicht, dass Akademikerkollegen aus Israel, selbst wenn sie der dortigen Regierung kritisch gegenüberstehen, nicht mehr von ihm eingeladen werden sollen. Auf Nachfrage erklärte Zürn, nicht prinzipiell gegen die Idee einer Boykottkampagne zu sein.

Für den Juristen Michaels spricht einiges gegen die neue Resolution. Wie zuvor sei wieder in Hinterzimmern und ohne Anhörung von Fachleuten daran gearbeitet worden. Die Urheber der Resolution wollen Michaels zufolge »nicht eine bestimmte Gruppe, sondern bestimmte Ansichten« schützen und umgekehrt bestimmte Auffassungen unterdrücken. Als Mitglied der Steuerungsgruppe der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus kritisierte Aleida Assmann die Resolution unter anderem dafür, den Schulen und Hochschulen vorschreiben zu wollen, sich an der unwissenschaftlichen IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus zu orientieren. Die Resolution betrachte Antisemitismus als Phänomen völlig isoliert. Assmann sprach sich dafür aus, ihn statt dessen als eine Form von Rassismus, Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu begreifen.

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