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Aus: Ausgabe vom 31.01.2025, Seite 5 / Inland
Landwirtschaftspolitik

Rechtsclinch um »rote Gebiete«

Niedersachsen: Oberverwaltungsgericht kippt Ausweisungspraxis nitratbelasteter Agrarflächen. Nabu befürchtet negative Folgen für Grundwasser
Von Oliver Rast
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Nährstoffbringer und Nitratbelaster zugleich: Gülle und Mist auf landwirtschaftlichen Nutzflächen

Wegweisend, folgenreich sei das Urteil des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Lüneburg zur Landesdüngeverordnung, kommentierten Fachkundige. Die Richter des 10. Senats hatten am Dienstag die Ausweisungspraxis nitratbelasteter »roter Gebiete« bei landwirtschaftlichen Nutzflächen für unwirksam erklärt. Denn die im Oktober 2023 novellierten düngerechtlichen Anforderungen zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat oder Phosphat enthielten gravierende Rechtsfehler – jedenfalls, was die »Gebietskulisse Grundwasser« betrifft. Also die Schadstoffbelastung des kühlen Nasses durch hiesige Agrarwirtschaft.

Der Landesbauernverband »Landvolk« ist gegen die aktuelle Verordnungsfassung Sturm gelaufen, politisch, rechtlich. Jahrelang. Und sieht sich nun bestätigt, betonte Pressesprecherin Silke Breustedt-Muschalla am Donnerstag im jW-Gespräch.

»Rote Gebiete«, ein Politikum: Der Bund hatte 2020 mit der geänderten Bundesdüngeverordnung die Länder verpflichtet, nitrat- und phosphatbelastete Gebiete zu markieren. Mittels Verwaltungsvorschrift wurden Modalitäten der Messstellennetze und der Gebietsausweisung fixiert. Bei einer Feststellung erhöhter Schadstoffwerte sind Landwirte unter anderem aufgefordert, die Düngung ihrer Felder einzuschränken. Nur, die Messstellen hätten erhebliche Mängel, so der Vizepräsident von »Landvolk«, Hubertus Berges, am Dienstag in einer Mitteilung. Betroffene Areale würden aufgrund fehlender Messstellen viel zu großflächig ausgewiesen. Dadurch würde das Verursacherprinzip unterlaufen. Datenbasis und Methodik für die Ausweisung »roter Gebiete« seien mindestens unpräzise.

Beispiel: Die in Niedersachsen angewandte Methode zur Gebietsermittlung widerspreche den Vorgaben der bundesrechtlichen Düngeverordnung, kritisiert Berges. So seien bei der Ermittlung der Ausdehnung der nitratbelasteten Gebiete in einem Grundwasserkörper regelmäßig auch in anderen Grundwasserkörpern gemessene Nitratwerte berücksichtigt worden, berichtete am Dienstag das Onlineportal Land & Forst. Dies laufe der Verordnung zuwider und sei obendrein sachlich falsch.

Hinzu kommt: Weniger Stickstoffdüngung auf Agrarflächen für den Anbau von Lebensmitteln bedeuten Minderqualität bei Feldfrüchten, große Ertragseinbußen und nicht zuletzt ein betriebswirtschaftliches Minus. Vielfach sei ein vermarktbarer Weizen mit Backqualität nicht mehr produzierbar, weiß Berges. Mühlen würden das Getreide ablehnen.

Wie reagiert der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) auf das OVG-Urteil? Zunächst: Sollte das »rot-grüne« Landeskabinett nicht in Revision gehen, würde die Düngeverordnung Niedersachsens nicht mehr gelten, erklärte der Nabu-Landesvorsitzende Holger Buschmann am Donnerstag gegenüber jW. »Das hätte weitere negative Folgen für unser Grundwasser.« Und: Das Urteil besage ausdrücklich, dass die Beschränkungen für die Ausbringung von Gülle rechtmäßig seien. »Lediglich die Art und Weise, wie die ›roten Gebiete‹ festgelegt wurden, ist nicht rechtmäßig«, so Buschmann weiter. Hier müsse das Land nachbessern. Aber: Wie belastet ist das niedersächsische Agrarland? Dafür gebe es eine Faustregel: Je höher der Anteil der intensiven Tierhaltung und je größer die landwirtschaftlich genutzte Fläche in einer Region, desto höher sei die Belastung der Böden und auch der oberen Grundwasserkörper sowie der Oberflächengewässer.

Nun ist das Landwirtschaftsministerium gefragt. Das habe Zweifel ob der OVG-Rechtsauffassung, sagte eine Sprecherin am Donnerstag jW. Ferner bleibe die Verordnung »bis auf weiteres vollumfänglich in Kraft, wenn das Land Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegt«. Wird es dazu kommen? Das werde die Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung ergeben. Und die wird wann vorliegen? »In zwei bis vier Wochen«, ergänzte OVG-Sprecher Marcus Hettig am Donnerstag auf jW-Nachfrage. Die Rechtssache sei wegen der Grundsatzbedeutung aufwendig.

Die finale Runde im juristischen Clinch erwartet auch »Landvolk«-Vize Berges. Problem: Geht der Fall zum höchsten deutschen Verwaltungsgericht, werden weitere Jahre verstreichen. Folgenreich. Jahre, in denen »rote Gebiete« fehlerhaft ermittelt würden.

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