»Es gibt hier extrem gentrifizierte Gebiete ...«
Im Dezember hat Ihre Partei eine Aktion gestartet, bei der man überprüfen lassen konnte, ob die eigene Nebenkostenabrechnung korrekt ist. Laut Gesetz können Mieter 15 Prozent ihrer Heiz- und Warmwasserkosten vom Vermieter zurückverlangen, wenn die Abrechnungen in den Nebenkosten falsch sind. Die eingereichten Abrechnungen eines Wohnblocks in der Karl-Marx-Allee haben ergeben, dass die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte, WBM, massenweise falsche Nebenkostenrechnungen erstellt hat. Wie kann das sein?
Momentan führen wir noch eine ganze Reihe von Gesprächen an den Haustüren der betroffenen Häuser der WBM in der Karl-Marx-Allee. Viele Bewohner sind überrascht. Die Mieter gehen davon aus, dass sich die WBM als landeseigenes Unternehmen an gesetzliche Vorgaben hält. Die Abrechnungen sind nicht alle untypisch hoch. Das Problem ist aber, dass es mindestens in einigen der Häuser keine Wärmemengenzähler gibt. Die WBM rechnet also nicht verbrauchsabhängig ab, sondern verteilt die Heizkosten auf die Mieter des Hauses. Der Vermieter ist in so einem Fall aber gesetzlich verpflichtet, allen Mietparteien 15 Prozent der Mietkosten zurückzuzahlen.
Hat sich die WBM zu den Vorwürfen geäußert?
Nein, wir sind bislang noch nicht mit der WBM im Austausch gewesen. Diesen Freitag findet eine Mieterversammlung im Rathaus Mitte statt, zu der wir die potentiell betroffenen Bewohner eingeladen haben. Dort werden wir wahrscheinlich mit den Mietern einen Widerspruch formulieren, wenn aus den jeweiligen Abrechnungen hervorgeht, dass der Wärmemengenzähler fehlt, der mittlerweile gesetzliche Vorgabe ist. Dann warten wir ab, wie sich die WBM verhält.
Gehen Sie davon aus, dass der Vermieter die Bewohner entschädigen wird?
Die Gesetzeslage ist relativ klar. In München haben die Genossinnen und Genossen von der Linken vor einem Jahr ungefähr denselben Fehler aufgedeckt. Anschließend wurden über 100.000 Euro falsch abgerechnete Heiz- und Nebenkosten an Mieter zurückgezahlt.
Wie ist die generelle Wohnsituation in den Häusern der WBM?
Der zweite Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee besteht aus Wohnungen, die in den 1960er Jahren gebaut wurden. Es kann sein, dass die Technik nicht mehr auf dem neuesten Stand ist oder auch die Wärmemengenzähler fehlen. In den Altbaubeständen ist die Situation eine ganz andere. In Friedrichshain hat die WBM zum Beispiel flächendeckend unzulässige Mieterhöhungen verschickt. Ein Vorgehen, das wir gerade bei der WBM schon oft beobachtet haben. Die wenigsten Bewohner wehren sich dagegen oder prüfen die Erhöhung.
In einer Pressemitteilung Ihres Bezirksverbands heißt es, dass es im Bezirk Mitte die meisten Fälle von Mietwucher gibt. Woran liegt das?
Wir haben in Mitte eine besonders angespannte Wohnungslage. Es gibt hier extrem gentrifizierte Gebiete wie Alt-Mitte, oder Kieze im Wedding oder in Moabit, die total im Kommen sind. Das nutzen die Vermieter ungeniert aus und treiben die Preise hoch. Wir haben auch in Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln hohe Mieten, aber Mitte ist trauriger Anführer unserer Statistik.
In einem Interview vom Dezember erklärte Jan van Aken, der Koparteivorsitzender der Linken, im Haustürwahlkampf werde man sich auf Wohngebiete konzentrieren, in denen früher die Linke gewählt wurde. Ist die Karl-Marx-Allee solch ein Gebiet?
Bei der Europawahl im Juni 2024 hat die Linke im Stadtteil Mitte, also insbesondere in der Karl-Marx-Allee, massiv Wähler eingebüßt. Trotzdem hatten wir im Bezirk Mitte eines der besten Ergebnisse bundesweit (10 Prozent, jW). Gleichzeitig ist das BSW dort auf Anhieb sehr stark gewesen (7,2 Prozent, jW). Deswegen ist es da besonders wichtig, zu zeigen, dass wir als Linke da sind, dass wir als einzige sozialistische Partei im Bundestag für Frieden, bezahlbare Mieten und bezahlbare Wocheneinkäufe kämpfen.
Martha Kleedörfer ist Sprecherin für Wohnen und Stadtentwicklung der Linken in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte
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