Nervennahrung
Von Gisela SonnenburgSternschnuppennächte gibt es nicht nur im Sommer. Auch der Februar hat Meteorschauer zu bieten, und eine passende musikalische Begleitung bietet das Gitarristenduo PassChord. Am kommenden Dienstag sind PassChord in der von Hannes Zerbe kuratierten Veranstaltungsreihe »jW geht Jazz« live zu erleben. Das Duo, bestehend aus den Musikern Dirk Töpper und Reinhard Jungrichter, ist spezialisiert auf einen einschmeichelnd leichten Sphärensound. Der führt mal in meditative Bereiche, mal zu modernen, schwebenden Klangwelten.
Töpper und Jungrichter kennen sich seit ihrer Teenagerzeit. Sie wuchsen beide in Schwerin auf, wo Dirk Töpper – der Komponist im Duo – mittlerweile auch wieder lebt. An der dortigen Musikschule, an der die beiden die Grundlagen für ihr Handwerk lernten, gab es mal ein Jubiläumskonzert. Töpper, damals in Berlin lebend, rief Jungrichter an, um ihn zu fragen, ob sie nicht als Duo proben und auftreten wollten. Fünfzehn Jahre lang hatten sich die zwei da nicht gesehen. Aber Musik verbindet, manchmal fürs Leben: Der Funke sprang sofort wieder über, seither gibt es PassChord.
Der Name ist übrigens ein Wortspiel, ein Phantasiegebilde, eine Assoziation. Dass die zweite Silbe des Wortes an »Akkord« erinnert, wird aber wohl kein Zufall sein. »Dieser Akkord passt« – das könnte die Ausdeutung des Namens in einem ganzen Satz sein. Für Töpper sind solche Gedanken erstrebenswert: »Wir haben die Absicht, Musik sprechen zu lassen«, sagt er.
Wer ihre Stücke zum ersten Mal hört, mag sich an den lieblichen Gitarrensound von Simon & Garfunkel erinnert fühlen. Inspirierend war aber auch ein anderes Duo aus den späten 70er Jahren: Ralph Towner und John Abercrombie. Bis in den Free Jazz hinein gehen manche Stücke von PassChord. Aber schmerzhaft dissonant wird der Sound nie. Töpper sagt, was seine Kompositionen beweisen: »Eine neue Richtung muss nicht weh tun.« Auch dann nicht, wenn sich die bekannten Strukturen von Musik manchmal auflösen.
»Meuterei« heißt so ein Stück. Da steht am Anfang ein sanftes Blubbern, und am Ende greint ein zerzupftes Wabern. Trotzdem ist das über drei Minuten lange Stück gut hörbar, geht nie auf die Nerven, fragt eher höflich an, als drastisch zu provozieren. Der Aufstand aus dem Titel könnte hier aus dem 22. Jahrhundert kommen, aus einer anderen Welt allemal.
Schlechte Laune gibt es bei PassChord jedenfalls nicht. Dabei sind sie vom Grundsatz her ganz verschieden. Denn Töpper studierte an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin Jazzgitarre. Jungrichter studierte an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar das Spielen auf der Konzertgitarre. Und wenn die beiden nach Töppers Vorlage ein neues Stück entwickeln, spielen diese Unterschiede eine große Rolle. Thema und Variation: Hier kommt erst der Jazz, dann die klassische Variante ins Spiel.
Um zu proben, nehmen die beiden Musiker zudem die Strapazen weiter Autofahrten auf sich. Jungrichter lebt weiterhin in Weimar. Töpper setzt sich darum in seinen dann mit Gitarrenequipment gefüllten silbergrauen alten Benz – und zuckelt von der Ostseeküste bis nach Thüringen. Mit und ohne Sternschnuppen über sich. Demnächst geht es allerdings von Schwerin direkt nach Berlin. Zu unserer großen Freude.
PassChord spielen am 4.2., 19.30 Uhr (Einlass ab 18.30 Uhr) in der Maigalerie der jungen Welt, Torstraße 6, 10119 Berlin. Eintritt: 10 Euro (erm. 5 Euro), Anmeldung erbeten unter: 0 30/53 63 55- 54 oder maigalerie@jungewelt.de
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