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Aus: Ausgabe vom 10.02.2025, Seite 2 / Ausland
Konflikt in der Ukraine

Unklarheit über Atomrüstung

Russland: Besorgnis über Äußerungen des US-Sondergesandten Kellogg
Von Reinhard Lauterbach
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Stiftet mit seinen Äußerungen zur ukrainischen Bewaffnung Verwirrung: Der US-amerikanische General und Sondergesandte Kellogg (Auvers-sur-Oise, 11.1.2025)

Im Westen ist die Aussage des US-Sonderbeauftragten für den Ukraine-Konflikt, General Keith Kellogg, über die »geringe bis gar keine Wahrscheinlichkeit« einer atomaren Wiederbewaffnung der Ukraine im allgemeinen nach der letzteren Seite hin interpretiert und entsprechend heruntergespielt worden. In Russland dagegen fragen sich immer mehr Autoren, warum Kellogg in seiner Stellungnahme vom Donnerstag nicht einfach »No« gesagt, sondern ein Fenster der Wahrscheinlichkeit offengelassen hat. Das Thema wird einstweilen noch auf der publizistischen Ebene abgehandelt, obwohl schon Ende des letzten Jahres Außenamtssprecherin Marija Sacharowa ihre Besorgnis über eine solche Entwicklung zum Ausdruck gebracht hatte. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hatte zuletzt gegenüber AP erklärt, wenn die Ukraine nicht in die NATO gelassen werde, dann müsse sie unter anderem wieder Atomwaffen erhalten. Die Frage ist, wie ernst Selenskijs Aussage gemeint war und welche Möglichkeiten Kiew hätte, zumindest eine »schmutzige Bombe« zu bauen.

Konkrete Antworten hierauf gibt es zumindest in allgemein zugänglichen Quellen nicht. Aber eine am Sonnabend veröffentlichte Recherche des exilukrainischen Portals Strana.news unter anderem bei Personen mit Kontakten in die Kiewer Präsidialadministration deutet darauf hin, dass Selenskij und seine engste Umgebung an einem raschen Friedensschluss oder auch nur Waffenstillstand nicht interessiert sind. Anderslautende Aussagen dienten der Täuschung der nationalen und internationalen Öffentlichkeit. Kiew hoffe darauf, dass sich das militärische Glück erstens noch zugunsten der Ukraine wende und dass zweitens die US-Rüstungsindustrie ihren Einfluss bei Donald Trump geltend machen werde, um eine Wiederaufnahme der US-Waffenlieferungen an die Ukraine durchzusetzen. Im Moment bekommt die Ukraine noch, was Joseph Biden zu Ende seiner Amtszeit bewilligt hatte.

Eine US-amerikanische Duldung der atomaren Wiederbewaffnung der Ukraine würde durchaus in die Logik Trumps passen: Er könnte die Hände in Unschuld waschen und sich halbwegs sicher sein, dass die Folgen einer solchen Entwicklung sich auf Europa beschränken würden. In Russland mehren sich jedenfalls wieder Rufe nach einem Präventivschlag gegen ukrainische Atomfabriken.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (10. Februar 2025 um 16:44 Uhr)
    Präsident Wolodymyr Selenskyjs Behauptung, »wenn die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen werde, müsse sie unter anderem wieder Atomwaffen erhalten«, ist vollkommen falsch. Es kann nicht oft genug betont werden: Diese Aussage entbehrt jeder historischen Grundlage. Die Vorstellung, die ukrainische Regierung habe als Teilrepublik der Sowjetunion jemals Zugriff auf das sowjetische Nukleararsenal gehabt, ist eine bewusste Fehldarstellung. Zwar war die Ukrainische SSR seit 1945 ein eigenständiges Mitglied der UNO, doch hatte sie keinerlei echte Souveränität. Diese Mitgliedschaft war eine rein formale Besonderheit, die auf Stalins Einfluss zurückging – alle wesentlichen politischen und militärischen Entscheidungen wurden in Moskau getroffen. Innerhalb der Sowjetunion hatte die Regierung in Kiew weder Entscheidungsgewalt über militärische Ausrüstung noch über das Nukleararsenal. Das weit verbreitete Missverständnis beruht auf der Tatsache, dass eine sowjetische Nuklearraketeneinheit auf ukrainischem Gebiet stationiert war. Nach dem Zerfall der UdSSR wurde dieses Arsenal jedoch vollständig an Russland übergeben – dem völkerrechtlich anerkannten Nachfolgestaat der Sowjetunion. Die Behauptung, die Ukraine habe jemals eigene Atomwaffen besessen, ist daher historisch unhaltbar.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (9. Februar 2025 um 21:45 Uhr)
    »Verwendet werden bei Plutonium die Isotope 238Pu (Halbwertszeit 87,74 Jahre) und 239Pu (Halbwertszeit 24.110 Jahre). 239Pu wird in Kernwaffen als Spaltstoff eingesetzt. Die kritische Masse von 239Pu beträgt etwa 10 kg, durch technische Maßnahmen benötigt der Bau einer Plutoniumbombe nur etwa vier bis fünf Kilogramm 239Pu.« ( https://wua-wien.at/atomschutz/glossar-zum-thema/11380-plutonium ). Wo sind die Tonnen von Plutonium, die mal in Hanau gelagert waren, hingekommen? Der BND hat vor Jahren einen Plutoniumschmuggel vergeigt, erinnert ihr euch? Zur Erinnerung: Plutonium hat eine Dichte von fast zwanzig Gramm pro Kubikzentimeter. Fünf Kilogramm nehmen also gerade ein »Viertele« ein. Noch ein paar Zahlen, Quelle siehe oben: »Bei der Wiederaufbereitung der Brennelemente werden jedes Jahr weltweit zirka 30 Tonnen Plutonium abgetrennt und separat gelagert. Die militärischen Bestände belaufen sich auf zirka 300 Tonnen (WISE Special 1997: The MOX Myth). Die weltweiten Bestände von Plutonium liegen bei 2.000 bis 3.000 Tonnen. Nach wie vor wird die sichere Lagerung von Plutonium beziehungsweise die Entsorgung stark diskutiert.« Ein Grund mehr, auch gegen die zivile Nutzung von Kernenergie zu sein. Man braucht keine (schmutzigen) Bomben!

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