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Aus: Ausgabe vom 20.02.2025, Seite 8 / Inland
Pflegeversicherung

»Viele Angehörige kommen in eine sehr prekäre Situation«

Wahlkampf mit der Pflege: Sozialverband gegen Deckelung der Kosten und private Zusatzversicherung. Ein Gespräch mit Philipp Stielow
Interview: Gitta Düperthal
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Auch diejenigen, die sich um die Pflege kümmern, brauchen Unterstützung

In ihren Wahlkampfreden haben Kanzler Olaf Scholz, SPD, und Friedrich Merz, CDU, sich auch zur Pflegefinanzierung geäußert. Scholz verspricht bei Wiederwahl, dass die Kosten für Angehörige auf 1.000 Euro gedeckelt werden. Merz fordert, dass es auch künftig einen Anreiz für die Bevölkerung gibt, eine private Zusatzpflegeversicherung abzuschließen. Wie wertet das der VdK?

Die Pflege wird zunehmend auch von profitorientierten Investoren als Geschäftsfeld genutzt. »Wir deckeln die Pflegekosten auf 1.000 Euro«, ohne darauf zu achten, ob sie überhaupt jeweils gerechtfertigt sind, macht also keinen Sinn. Es kann nicht sein, dass so etwa große Investoren Kasse machen. Nur deckeln hilft nicht. Zur Forderung der privaten Pflegezusatzversicherung: Viele Angehörige kommen durch die von ihnen zu leistende Pflege bereits in eine sehr prekäre Situation, da sie oft nur noch eingeschränkt arbeiten können. Sie haben daher meist kein Geld übrig, um in private Zusatzversicherungen einzuzahlen.

SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und BSW streben die Pflegebürgerversicherung an: ein Versicherungsmodell, in das alle Bürger, unabhängig von ihrem beruflichen Status, Beiträge entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zahlen. Könnte das die Finanzierungsprobleme lösen?

Zumindest könnte so die Zahl der Beitragszahlenden vergrößert werden. Die Anhebung von Beiträgen zur Pflegeversicherung könnte moderater ausfallen, wenn sie auf mehr und breiteren Schultern ruht. Alle Menschen in unserer Gesellschaft könnten sich darauf verlassen, dass ihre Pflege im Alter gewährleistet ist. Bisher zahlen nur die lohnabhängigen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in die gesetzliche Pflegeversicherung ein. In eine solidarische Bürgerversicherung würden ausnahmslos alle einzahlen, auch Beamte, Selbständige und Unternehmer. Weil die aus privaten Versicherungen finanzierte Pflegeleistung nahezu identisch ist, wird sie nicht benötigt.

80 Prozent der Pflegebedürftigen werden in Hessen und in Thüringen von meist weiblichen Angehörigen oder Freundinnen zu Hause gepflegt. Wie stellt sich die Lage in der Pflege dar?

Wir verstehen nicht, warum nur in Wahlkampfzeiten über die zu leistende Pflege gesprochen wird – dabei meist auch nur über die in den Pflegeheimen. Obwohl die Pflege bundesweit meist privat geleistet wird. Das Wichtigste ist, den Zugang zu Informationen und zu den Leistungen zu erleichtern. Oft wird jemand sehr plötzlich zum Pflegefall, durch Krankheit, einen Unfall oder Ähnliches. Es gilt, die Menschen, die dann zu Hause pflegen, bei der Antragstellung zu unterstützen. Das leisten Pflegestützpunkte (von den Kranken- und Pflegekassen jeweils auf Initiative eines Bundeslandes eingerichtet, bieten sie Beratung und Unterstützung, jW). Wir fordern deren Ausbau, damit sie schnell und ortsnah erreichbar sind. Dort werden etwa Fragen beantwortet, an wen sich Hilfesuchende wenden können. Ob ich Unterstützung bei der Hausarbeit oder etwa einen Treppenlift benötige: Zuständig sind unterschiedliche Träger.

Es geht auch um die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland. Diese arbeiten häufig zu lange und zu einem zu geringen Arbeitslohn. Wie ist dem Problem fehlender Fachkräfte zu begegnen?

Angeworben werden sie meist, um Pflegearbeit in Kliniken oder Wohnheimen zu leisten, die tariflich abgesichert ist. Diesen Pflegekräften muss man aber bei der Integration helfen. Weil es bei der häuslichen Pflege einen Graubereich gibt, fordern wir, für finanzielle und rechtliche Sicherheit zu sorgen: sowohl für die betroffenen Familien als auch für die Betreuungskräfte.

Pflege darf kein Armutsrisiko sein, sagen Sie. Wie kann dies angesichts des demographischen Wandels gewährleistet werden?

In Österreich im Burgenland gibt es Regelungen, pflegende Angehörige, die deshalb nicht mehr oder nur eingeschränkt ihrem Beruf nachgehen können, zu entlohnen. Damit ihnen selber nicht Altersarmut droht, sind sie sozialversichert und zahlen in die Rentenversicherung ein. Dieses Modell befürworten wir.

Philipp Stielow ist Sprecher des Sozialverbandes VdK Hessen-Thüringen

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