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Aus: Ausgabe vom 22.02.2025, Seite 6 / Ausland
Guatemala

Späte Gerechtigkeit für die Ixil

Guatemala: Jahrzehnte nach der Vertreibung kehren indigene Bewohner in ihr Dorf zurück
Von Thorben Austen, Quetzaltenango
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Endlich erfahren die Einwohner der Gemeinde Ak’ul en Neba mit der Rückgabe ihres Landes Gerechtigkeit (20.2.2025)

Die Einwohner der Gemeinde Ak’ul en Nebaj im Norden Guatemalas haben mehr als 40 Jahre auf diesen Moment gewartet. In einer feierlichen Zeremonie erhielten Indigenenvertreter am Donnerstag die Landtitel für rund 658 Hektar Land zurück, das jetzt wieder dem Volk der Ixil gehört. 1982 waren die Einwohner von Ak’ul im Departamento Quiché in die nahegelegenen Berge geflohenen. Die Region war besonders stark vom Bürgerkrieg betroffen, der in jenen Jahren eskalierte.

Bereits 1980 waren neun Dorfbewohner von der Armee ermordet worden, 1981 gab es weitere Morde. Dies erzählte der indigene Bürgermeister Miguel Brito Marcos bei der live übertragenen Übergabe der Landtitel. Laut Armee sollen die Dorfbewohner mit der Guerilla sympathisiert haben. In der gesamten Region gab es in den Jahren 1981 bis 1983 zahlreiche Massaker an der indigenen Bevölkerung, denen Tausende zum Opfer fielen. Heute werden die Vorgänge international als Völkermord eingestuft.

Als die Bewohner 1983 nach anderthalb Jahren aufgrund von Hunger und Not zurückkehrten, war ihr Land bereits vom Staat übernommen: In der Gemeinde war eines der ersten sogenannten Modelldörfer entstanden. Diese wurden Anfang der 1980er Jahre vor allem im Norden des Landes aufgebaut, damit Armee und »zivile Selbstschutzpatrouillen« die Bevölkerung kontrollieren konnten. Beiden werden schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt.

Vor rund zehn Jahren begannen die Einwohner, ihr Land zurückzufordern, erklärte Rechtsanwalt Juan Carlos Peláez am Donnerstag. Die eigentliche juristische Auseinandersetzung war relativ schnell beendet, 2020 gab das Verfassungsgericht den Einwohnern recht. Es fehlte jedoch der politische Wille, den Entscheid umzusetzen. Der Jurist nannte in seiner Ansprache zur Übergabe der Landtitel die Namen von drei Aktivisten, die die juristische Auseinandersetzung begleitet hatten – und ermordet wurden. Peláez betonte, dass das Land jetzt wieder im Besitz der Ixil sei, mit traditionellen kollektiven Landrechten. 1903 hatte der damalige Staatschef José Manuel Estrada Cabrera das Volk der Maya-Ixil offiziell zum Besitzer der Ländereien erklärt.

Zu der Feier in Ak’ul reiste auch der sozialdemokratische Präsident Bernardo Arévalo an. Er bemüht sich um einen anderen Umgang mit den indigenen Völkern und hat in seinen gut 13 Monaten Amtszeit das traditionell marginalisierte Departamento Quiché und die Region Nebaj mehrfach besucht. Es sei ein »Tag der Freude und der großen Hoffnung für meine Regierung, hier in Ihrem Territorium zu sein und zu sehen, dass die Kämpfe des Volkes auch erfolgreich sein können«, sagte er in einer kurzen Ansprache.

Verschiedene Vertreter der Indigenen brachten Arévalo ihren Dank zum Ausdruck. Miguel de León von den indigenen Bürgermeistern aus Nebaj betonte aber gegenüber Prensa Comunitaria, dass der Rückerhalt des Dorfes kein Geschenk der Regierung oder des Präsidenten war: »Wenn ein Dieb Ihr Handy stiehlt und es nach Jahren zurückbringt, werden Sie ihm kaum danken.« Auch ein angereister indigener Bürgermeister der Pazifikküste unterstrich, dass »nachweislich« 90 Prozent des Landes den Ureinwohnern zustünden. Gleichzeitig fehlten vor allem in den indigenen Gebieten staatliche Investitionen. Die Agrarfrage müsse gelöst und die im Friedensabkommen 1996 getroffenen Vereinbarungen müssten endlich umgesetzt werden.

Guatemala gehört zu den Ländern mit der ungerechtesten Landverteilung weltweit. Bis heute sind Vertreibungen und Landraub zum Beispiel im Kontext der florierenden Palmölproduktion in verschiedenen Landesteilen an der Tagesordnung.

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