Ewiges Manhattan
Von Manfred Hermes![11.jpg](/img/450/205563.jpg)
Peter Hujar starb 1987 mit 53 Jahren an den, wie es früher gern hieß, »Folgen von AIDS«. Zu dieser Zeit hatte der Fotograf eine eher mittlere Bekanntheit, die zudem vom Erfolg eines Robert Mapplethorpe oder der guten Nan Goldin überschattet war. Hujar war allerdings nicht weniger eng mit der New Yorker Kunstszene verbandelt. Er hatte schon für Warhols »Screen Tests« posiert, war mit Susan Sontag, Fran Lebowitz und auch mit Mapplethorpe befreundet, mit Paul Thek oder David Wojnarowicz liiert und hat eben auch Gott und die Welt durchfotografiert.
Mitte der 70er Jahre hatte die Autorin Linda Rosenkrantz den Einfall, mit (guten) Freunden und (bekannten) Bekannten Gespräche über banale Dinge zu führen. Sie sollten ihr von den Besorgungen, Verabredungen und Beschäftigungen eines einzigen, aber ganzen Tages berichten und in ein Mikro sprechen. Alltäglichkeit, Banalität, Beiläufigkeit und »tape recorder«, da hält man natürlich sofort Andy Warhol für den Ideengeber. Rosenkrantz fehlte es dann doch an dessen Ausdauer, ihr Projekt geriet nach zwei Gesprächen ins Stocken. Jedenfalls ist nicht bekannt, dass es andere Interviews als mit Chuck Close und eben mit Hujar gäbe. Und dann gingen die Tonbandaufnahmen auch noch verloren. Da Rosenkrantz das Gespräch mit Hujar irgendwann aber abgetippt hatte, konnte sie es 2022 immerhin als Buch veröffentlichen.
Ira Sachs hat nun »Peter Hujar’s Day« als Vorlage für ein gleichnamiges Kammerspiel mit Ben Whishaw und Rebecca Hall gewählt. Zwei Freunde treffen sich und legen mit dem Plaudern los. Der Ort ist Rosenkrantz’ Wohnung in der 94. Straße, die Zeit November 1974. Und da geht es jetzt also um dies und das. Fotos waren in irgendeiner der Vogues dieser Welt ungefragt und daher unbezahlt nachgedruckt worden, und das ist schon ein großes Ärgernis. Es ist eben Teil des Lebens und Leidens einer freelancenden Bohème, die sich neben der Ärmlichkeit die großen Ambitionen und die Bekanntschaft mit vielen Gleichgesinnten teilt, die nach oben hin genauso offen sind. Es gibt viel »gossip«, durch den sich auch ein übersichtlicher sozialer New Yorker Kosmos aufwickelt. Es fallen Namen, Namen, Namen. Nicht alle sind heute noch geläufig, viele aber doch. Susan soll Peter ein Vorwort für ein Fotobuch schreiben, vielleicht hilft das ja und es kommt mal etwas Geld ins Haus (was übrigens nicht der Fall war). Hujar raucht auch viel, Whishaw sieht entsprechend fahl und angegriffen aus, und Linda gibt besorgte Ratschläge: »Du musst besser essen. Mehr Gemüse. Und weniger rauchen.«
Sachs’ Film läuft etwas zäh an. Auch Whishaws selbstgefällige Bedächtigkeit hilft da erst einmal nicht, denn wie üblich scheint er auch hier von den eigenen Ticks und Zuckungen selbst am meisten angetan zu sein. Whishaw macht ja immer viel mit dem Mund, und es ist wirklich schwer erträglich, ihm zum Beispiel auch nur bei der Nahrungsaufnahme zuzusehen. Sehr im Gegensatz dazu trägt Rebecca Hall eine erfreulich luftige und aufgeweckte Präsenz ein.
Eigenartigerweise lösen sich die Störungen irgendwann auf, und man treibt in diesem Gesprächsfluss des Intimen mit. Es kann aber auch sein, dass Sachs hier von von einem gewissermaßen konzeptuellen Furor angefeuert war. Der würde sich aus der komplizierten Überlieferungsgeschichte des Materials ergeben bzw. der medialen Vielschichtigkeit von der Transkription bis zur filmischen Übertragung der Rosenkrantz’schen Warholismen durch ihn selbst. Zur komplizierten Künstlichkeit könnte man dann noch die antrainierten New Yorker Dialekte der britischen Darsteller hinzuzählen.
Vor allem aber hängt sich dieser Film noch einmal an die ewige Attraktivität dieser Zeit, dieser Stadt, an die populäre Kultur, die Queerness, an den Manhattaner Mythenbestand eben. Das wird man sich vielleicht auch noch in hundert Jahren alles erzählen. Und es werden dabei die immergleichen Namen fallen: der Andy, der Truman, die Susan und der Peter.
»Peter Hujar’s Day«, Regie: Ira Sachs, USA/BRD 2025, 75 Min., Panorama, 22.2.
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