Regierungsagenda in Wien steht
Von Dieter Reinisch, Wien
Insgesamt 151 Tage hat es gedauert, bis »die Leute durchs Reden zusammengekommen« sind. So drückte sich ÖVP-Chef Christian Stocker am Donnerstag bei der Vorstellung des Regierungsprogramms der neuen österreichischen Regierungskoalition aus. Geworden sind es mehr als 200 Seiten, mit denen eine Dreierallianz aus der konservativen ÖVP, der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos eine neue Regierung bilden möchte.
Die Postenbesetzung ist noch nicht klar, dies werden die Parteien in den nächsten Tagen intern entscheiden. Das SPÖ-Präsidium will sich am Freitag vormittag treffen, um die Ministerliste zu beschließen. Herausgekommen sei »ein Kompromiss im besten Sinne des Wortes«, erklärte SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler. Die ÖVP sieht den Prozess als »schwierigste Verhandlungen in der Geschichte Österreichs«, so Stocker.
Dieser Kompromiss beinhaltet nun die sogenannte Förderung von »Leistung und Engagement«: Mitarbeiterprämien, Begünstigung der Altersarbeit. Die ÖVP will damit den »Wirtschaftsstandort Österreich stärken«. Für Babler sind die geplante Bankenabgabe, der Mietpreisstopp für ein Jahr sowie eine Mietpreisbremse in den darauffolgenden beiden Jahren eine »gute Nachricht«. Das kann jedoch nicht über das hinwegtäuschen, was österreichischen Bürgern durch die geplanten Kürzungen zur Sanierung des Staatshaushalts – um ihn den EU-Vorgaben anzupassen – droht, wie eine Anhebung des Pensionsalters.
Härte wird in der Migrationsfrage gezeigt: Der Familiennachzug soll mit sofortiger Wirkung gestoppt, Asylanträge im Inland auf null gebracht werden. Auf EU-Ebene wolle man »die gemeinsame Asylpolitik weiterentwickeln«, und im Inland sollen »Rückkehrverfahrenszentren« errichtet werden, in denen sich Geflüchtete nach Ablehnung des Asylantrags aufhalten müssen. Statt Geld soll es eine Sachleistungskarte geben.
Ebenso soll für Mädchen unter 14 Jahren ein Kopftuchverbot gelten, und die vom Staatsschutz geforderte Überwachung von Messengerdiensten soll eingeführt werden. Auch strafrechtliche Bestimmungen gegen den »politischen Islam« werden ausgeweitet. Die Rüstungsausgaben werden auf zwei Prozent des BIP angehoben und auch an der Teilnahme am Luftabwehrsystem der EU, »Sky Shield«, will die künftige Regierung festhalten.
Der einzige mögliche Stolperstein auf dem Weg zu einer neuen Regierung sind die Neos. Laut ihrem Parteistatut müssen die rund 4.000 Mitglieder mit einer Zweidrittelmehrheit dem Regierungseintritt zustimmen. Sie treffen sich zur Abstimmung am Sonntag. Stimmen sie zu, soll die Regierung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen (Grüne) bereits am Montag angelobt werden.
Lehnen die Neos doch ab, werden ÖVP und SPÖ mit einem Sitz Mehrheit und Duldung der Grünen dennoch eine Koalition bilden. Durch Neuverteilung der Minister- und Staatssekretärsposten würde sich die Angelobung dann aber um ein paar weitere Tage verzögern.
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