Einfach mal hinsetzen
Von Gudrun Giese
Bevor an diesem Montag die vierte Verhandlungsrunde für rund 170.000 Tarifbeschäftigte bei der Deutschen Post startet, streikten am Freitag und Sonnabend erneut bundesweit die Brief- und Paketzusteller. Gut jede zehnte Brief- und Paketsendung, die von Post-Beschäftigten am Sonnabend zugestellt werden sollte, war nach Unternehmensangaben zunächst liegengeblieben. Von den Ausständen seien etwa zwölf Prozent der durchschnittlichen Tagesmenge an Brief- und Paketsendungen bundesweit betroffen gewesen.
Nach Einschätzung des Unternehmens folgten am Freitag und Sonnabend jeweils etwa 7.500 Lohnabhängige dem Warnstreikaufruf. Verdi sprach von insgesamt rund 27.000 Streikenden bei den Aktionen von Dienstag abend bis Sonnabend nachmittag. Am stärksten waren die Auswirkungen am vergangenen Mittwoch zu spüren, als ein Viertel der Paketmenge nicht wie geplant weiterbefördert werden konnte.
Das in Runde drei vorgelegte Angebot des Unternehmens sei völlig unzureichend, betonte Andrea Kocsis, stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und Verhandlungsführerin in der Tarifrunde. »Bei einer Annahme würde es spürbare Reallohneinbußen für die Beschäftigten bedeuten.« Bei einer Laufzeit von insgesamt 27 Monaten wollte die Post AG ihre Angestellten mit einem Entgeltplus von 1,8 Prozent zum 1. Juli dieses Jahres sowie weiteren zwei Prozent zum 1. Oktober 2026 abspeisen. Die Urlaubsregelung sollte nach Vorstellung des Unternehmens so angepasst werden, dass nur ein Teil der Beschäftigten einen zusätzlichen Urlaubstag erhalten würde. Demgegenüber fordert die Gewerkschaft für die Tarifbeschäftigten, Auszubildenden und dual Studierenden eine Entgelterhöhung von sieben Prozent bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Tarifbeschäftigte und Auszubildende sollen außerdem drei Urlaubstage mehr erhalten, Verdi-Mitglieder vier. Für die noch rund 19.000 Beamten des Unternehmens will die Gewerkschaft die Fortschreibung der sogenannten Postzulage durchsetzen. Die Zulage gleicht deren Besoldungsdifferenz zu den übrigen Bundesbeamten aus.
»Nur mit deutlichen Lohnsteigerungen für die Beschäftigten lassen sich die noch immer hohen Kosten und Lebensmittelpreise bewältigen«, begründete Kocsis die Forderung. Bisher lägen die Einkommen einer Mehrheit der Post-Beschäftigten unter dem mittleren Einkommen in der Bundesrepublik – bei guter wirtschaftlicher Lage des börsennotierten Unternehmens. Rund neunzig Prozent der Angestellten erhielten ein Bruttogehalt zwischen 2.448 und 3.430 Euro. Die zusätzlichen Urlaubstage seien wiederum dringend nötig für den Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Der Krankenstand bei der Post AG liege auf Rekordhöhe. Das sei insbesondere der körperlich sehr anstrengenden Arbeit der Zusteller sowie der Verlader geschuldet. In der Verbundzustellung müssen derzeit noch Pakete bis zu einem Gewicht von 31,5 Kilogramm zu den Kunden transportiert werden. Mit der Reform des Postgesetzes sollte die Obergrenze auf 23 Kilo reduziert werden, doch der Entwurf wurde – wie viele andere Vorschläge von SPD und Bündnis 90/Die Grünen – in der vorzeitig beendeten Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet. So bleibt es bis auf weiteres bei der Schlepperei für die Zusteller.
Die Post-Beschäftigten erlebten tagtäglich den Arbeitskräftemangel, der längst kein reiner Fachkräftemangel mehr sei, hatte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende bei Betriebsversammlungen zu Beginn der Tarifrunde erklärt. Die Unternehmen stünden im Wettbewerb um bessere Bedingungen, damit sich dauerhaft genug Menschen für diese Arbeit fänden. Dafür müssten aber auch Entgelte und die Anzahl der freien Tage erhöht werden.
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