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Vom Hintern her denken

Von Pierre Deason-Tomory
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»Wohin ich auch komme, überall gibt es etwas, wovon die Menschen leben können.« – »Nils Holgersson«, kein Österreicher

Der Chefsessel beim ORF dürfte ein voluminöser sein, muss er doch einen großen Sesselfurzer aufnehmen. Kurz vor dem Abschluss der dritten Auflage der Koalitionsverhandlungen in Österreich hat sich Roland Weißmann, der Generaldirektor der Rundfunkanstalt, wortreich nicht hinter seine eigenen Leute gestellt. Die ÖVP hatte beim Pokern mit SPÖ und Neos am einen und mit der FPÖ am anderen Tisch ein ORF-Streichkonzert aufspielen lassen, es geht um viel Geld und damit um Jobs, mehrere Sender und das Radiosinfonieorchester. Generaldirektor Weißmann, der wie alle Oberen beim ORF seine Abberufung befürchten muss, hat offenbar nicht die Absicht, dem Angriff auf sein Haus Widerstand zu leisten. Vom Wiener Standard vorige Woche gefragt, ob er die Streichungen hinnehmen oder ob er zum Beispiel »für FM4 kämpfen« würde, dem Jugendkulturradio, antwortete Weißmann: »Natürlich werden wir versuchen, den ORF in seiner gesamten Breite zu erhalten. Natürlich ist FM4 ein ganz wichtiger Teil des ORF. Aber Gesetze macht der Gesetzgeber, und sie sind am Ende umzusetzen.« Natürlich. Die Kollegen in den Sendern und im Orchester werden selber um ihren Arbeitsplatz kämpfen müssen, ihr Chef könnte ein windlassender Oarsch sein, den nur der eigene Sessel kümmert.

Bis zur Verunglimpfungsklage Weißmanns – weiß man’s? – setzt die jW ihre Radiokolumne fort mit Programmvorschlägen. Das »ARD-Radiofeature« behandelt das Geschäft mit Smartphonedaten und die Risiken für die Nutzer:  »Die Angst vorm Blackscreen« (ARD 2025, Di., 20.04 Uhr, MDR Kultur, Do., 15.04 Uhr, HR 2 Kultur, Fr., 15.05 Uhr, SWR Kultur, Sa., 9.05 Uhr, SR 2 Kultur, 13.05 Uhr, Bayern 2, 18.05 Uhr, Bremen wei). In den »Radiogeschichten« liest Florentin Groll eine Erzählung aus der versunkenen Welt Wolyni­ens, »Wildwuchs« von Chaim Nachman Bialik (Di., 11.05 Uhr, Ö 1). Wie Sprache genutzt wird, um Interessen durchzusetzen, wollen die »Systemfragen« in der Serie  »Wörter als Waffen (1/4)« aufzeigen (Do., 21.10 Uhr, DLF). Zu ihrem 100. Geburtstag am 13. März besichtigt das Feature »Unterm Schutt« das Werk der DDR-Dichterin Inge Müller (Fr., 19.30 Uhr, DLF Kultur). Das Zitat »Als seien mir Flügel gewachsen« hat Kirsten Heckmann-Janz ihrem Porträt der Kommunistin Clara Zetkin vorangestellt (MDR 2007, Sa., 9.04 Uhr, MDR Kultur). Der Wiener Arzt und Kabarettist Omar Sarsam behauptet bezüglich Krank- und Blödheit, »die Dosis macht das Gift«; die »Contra«-Redaktion denkt, »Da stimmt was«, und verschreibt Ausschnitte seines neuen Programms (Sa., 19.05 Uhr, So., 21.30 Uhr, Ö 1).

Für den Opernabend haben wir Tschaikowski in Mailand und Verdi in New York, es gibt »Eugen Onegin«, aufgenommen im Februar in der Scala (Sa., 19.05 Uhr, DLF Kultur), und den »Falstaff«, dirigiert 1964 von Leonard Bernstein in der Met (Sa., 19.30 Uhr, Ö 1). Kinderprogramm: Peter Striebeck liest »Nils Holgerssons wunderbare Reise (1/2)« von Selma Lagerlöf in »Mikado« (NDR 1978, So., 7.04 Uhr, NDR Kultur). SWR Kultur bringt zum bevorstehenden 70. Todestag von Charlie Parker eine Vertonung der Erzählung »Der Verfolger« von Julio Cortázar, in der irrigen Annahme, der Held der Geschichte sei dem Meister ähnlich (SWF, WDR 1990, So., 18.20 Uhr). Nach diesem Nichtvorschlag zur Entschädigung ein Originalwerk der oben erwähnten Inge Müller, »Die Weiberbrigade«, mit Marianne Wünscher, Lotte Loebinger und anderen Kanonen in der Regie von Wolfgang Schonendorf (Rundfunk der DDR 1960, Mo., 20.04 Uhr, MDR Kultur).

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