Staatlicher Schutzschirm für Nazikorps
Von Susann Witt-Stahl
Eine Formation vermummter Gestalten zog am 1. März in einer »Anti-Putin-Demo« mit »Ukraine über alles!«-Gebrüll und anderen faschistischen Parolen durchs Regierungsviertel der Hauptstadt. Dieser anachronistische Zug des paramilitärischen Neonazibataillons »Russisches Freiwilligenkorps« (RDK), der in der Medienberichterstattung nahezu vollständig unterschlagen wurde, wirft eine Menge kritischer Fragen auf – vor allem an die Berliner Polizei.
So hat junge Welt um Auskunft darüber gebeten, warum die anwesenden Beamten das Vermummungsverbot nicht durchgesetzt haben. Der Anmelder des Aufmarschs habe den Wunsch geäußert, für Angehörige des »RDK« eine »Identitätsverschleierung zu nutzen« – der der Staatsgewalt offenbar Befehl war: »Dieses Anliegen wurde gewährt«, räumt eine Polizeisprecherin ein. Begründung: »Schutz ihrer Identität vor möglichen Repressalien durch die russische Regierung«.
Die Gefahr, dass dadurch die Verfolgung von Straftaten vereitelt werden könnte, sieht die Polizei nicht gegeben. Schließlich habe die »RDK«-Versammlungsleitung eine »namentliche Liste« der vermummten Teilnehmer bereitgestellt. Dass sich hinter dem von deutschen Sicherheitsbehörden aufgespannten Schutzschirm zumindest einige Schwerstkriminelle vor der Öffentlichkeit verbergen konnten, ist nicht unwahrscheinlich. Dem »RDK« gehört zum Beispiel Alexej Lewkin an, Exchef einer Neonazibande, die in Russland mindestens vier Morde zu verantworten hat, heute Kopf der Band M8L8TH (Hitlers Hammer) aus dem Umfeld der militanten »Wotanjugend«, die er ebenfalls anführt.
Zu dem Hinweis von junge Welt, dass aus dem Naziblock Flugblätter mit strafbarer Rekrutenwerbung für ausländische Mächte verteilt wurden – Exilrussen in Deutschland werden »wegen Gewissenspflicht und Ehrensache« aufgefordert, sich am Stützpunkt des »RDK« zu melden, »um an terroristischen Aktivitäten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (laut Interpretation des Terrorstaates) teilzunehmen« – erklärt die Polizei: »Eine Ordnungswidrigkeitenanzeige wurde wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Pressegesetz gefertigt« (es fehlte das vorgeschriebene Impressum). Ferner werde der Flyer noch auf mögliche strafbare Inhalte durch den Staatsschutz des Landeskriminalamts geprüft.
Zu der Frage von junge Welt, ob Personalienfeststellungen, etwa wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, vorgenommen wurden, gibt die Polizei an, dass während der Demonstration »insgesamt 14 freiheitsbeschränkende Maßnahmen durchgeführt« worden seien. Ob diese überhaupt Teilnehmern des »RDK«-Blocks galten, ist unklar. Somit ist unter anderem offen, ob die durch Fotos belegte Präsentation der von den ukrainischen »Asow«-Brigaden verwendeten Wolfsangel – einst Truppenkennzeichen der SS-Panzerdivision »Das Reich« und anderer hierzulande verbotener Organisationen Nazideutschlands – ungeahndet bleibt. Ebenfalls die Frage, ob die Zurückhaltung der Polizei einer delikaten Tatsache geschuldet ist: Koorganisator des Nazispektakels war der »RDK«-Chefideologe Wassili »Kardinal« Kiryuschchenko, Sohn des Regisseurs der Fernsehserie »Diener des Volkes« und engen Freunds des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij.
Indes hebt die Neonazipartei »Der III. Weg«, deren Jugendverband sich am Aufmarsch beteiligte und die von der Staatsgewalt gewährte Ausnahme vom Vermummungsverbot sichtbar auskostete, den wachsenden Gebrauchswert der »Nationalrevolutionäre« unter dem Vorzeichen der Trump-Politik und Aufrüstung Europas gegen Russland hervor. Die »Kameraden« des »RDK« stünden »heute in den Schützengräben der Ostfront, im Geiste der Russischen Befreiungsarmee Andrej Wlassows«, gegen die »neobolschewistische Invasion Europas durch Putins Soldateska«, würdigte »Der III. Weg« die historischen Erben der russischen Hitlerkollaborateure.
Seiner Macht als neue alte Verbündete eines Deutschlands bewusst, das seine »Freiheit in der Ukraine verteidigen« will, hat das »RDK« bereits weitere Aktionen angekündigt.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (13. März 2025 um 10:47 Uhr)Das sind also die neuen Kumpel der »progressiven« Linken, wie sie sich in Gestalt einiger der neuen (eine Schande, das schreiben zu müssen) VVN-BdA-Funktionäre, z. B., öffentlich präsentiert, wenn sie sich an die Seite der »Slawa Ukraini - Gerojam Slawa«-Patrioten stellt. Die alten Genossen, die Verfolgten des Naziregimes, würden sich im Grabe umdrehen, wüssten sie, was heute im Namen ihrer Organisation getrieben wird.
- Antworten
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
- Hannes P. Albert/dpa05.03.2025
Aufmarsch mit Nazikorps
- Uncredited/South Korea Defense Ministry via AP/dpa14.09.2024
Putin warnt NATO
- BildFunkMV/IMAGO28.06.2024
Durch den Scholzomaten gedreht
Mehr aus: Inland
-
Bärendienst für Klimaschutz
vom 13.03.2025 -
»Die bürgerliche Frauenbewegung lassen sie in Ruhe«
vom 13.03.2025 -
Grabmal geschändet
vom 13.03.2025 -
Pflegekassen vor »Pleite«
vom 13.03.2025 -
Anleitung zum Macherstaat
vom 13.03.2025 -
Ford soll beerdigt werden
vom 13.03.2025 -
VCI will »Economy First«
vom 13.03.2025 -
»Vor der eigenen Haustür stört Kultur plötzlich«
vom 13.03.2025