»Asowisierung« des Militärs
Von Susann Witt-Stahl
Die 3. Separate »Asow«-Sturmbrigade soll die Basiseinheit für ein Korps der ukrainischen Armee bilden. Das gab ihr Kommandeur Andrij Bilezkij Ende vergangener Woche bekannt. Das 3. Korps, das gegenwärtig aufgestellt wird – 19 weitere werden folgen –, soll fünf Brigaden mit je 3.000 bis 5.000 Kämpfern sowie Artillerie, Luftverteidigung, Engineering-, Kommunikations- und Logistikeinheiten umfassen. Gleiches gilt für die 12. »Asow«-Spezialbrigade der Nationalgarde unter dem Befehl von Denis Prokopenko.
Dieser Ausbau der »Asow«-Truppen wird im Rahmen einer strategischen Reform der ukrainischen Streitkräfte vollzogen, die Präsident Wolodimir Selenskij bereits im Februar angekündigt hatte und die die Wiedereinführung der Korpsstruktur vorsieht. Diese gab es bis in die 1990er Jahre, sie wurde aber im Zuge der Reduzierung der Truppenstärke abgeschafft. Die Korpsstruktur soll die Koordination der Kampfbrigaden bei großen Operationen verbessern, nötige Rotationen beschleunigen und den Kommandeuren mehr Verfügungsspielraum über die Truppenkontingente ermöglichen. »Die Säulen, auf denen wir das Korps einrichten werden, sind Kampftraining, eine Riege von Berufsunteroffizieren sowie die Arbeit mit Management, Planung und Technologie«, erklärte Bilezkij.
Damit stehen faktisch insgesamt 30.000 bis 50.000 ukrainische Soldaten unter dem Kommando von Neonazis. Bilezkij war Führer der »Sozial-Nationalen Versammlung« und ihres paramilitärischen Flügels »Patriot der Ukraine«, die sich an Hitlers NSDAP orientierten. Diese Organisationen streben nach der »globalen Herrschaft« einer »reinrassigen Großukraine« als »das Schwert des weißen Europas« – mit einer herausragenden Stellung des Militärs: »Die ukrainische Armee soll die mächtigste Militärmacht der Welt werden« und »der ukrainische Krieger den höchsten Status im Staat haben«, heißt es im Programm des »Patriot der Ukraine«. Mit dem Aufstieg zum Armeekorpskommandanten ist letzterer Traum zumindest für Bilezkij, der bis zum Maidan-Putsch 2014 wegen Raubes und anderer Gewalttaten in Haft gesessen hatte, ein Stück weit wahr geworden. Ebenso für Denis Prokopenko, der aus dem Nazi-Hooligan-Milieu von Dynamo Kiew stammt und sich heute an der ultrarechten deutschen Kriegeraristokratie orientiert: Am 14. März, dem Tag der ukrainischen Freiwilligen, zitierte er Ernst Jünger und ehrte die Helden, die den Komfort des Zivillebens gegen »die Stahlgewitter der Kämpfe um die Freiheit ihres Vaterlandes eingetauscht haben«.
Auch wenn die Führerelite von »Asow«, unter der mittlerweile nicht wenige Besitzer von Luxusimmobilien im teuersten Wohnviertel Kiews sind, sich offener Bekenntnisse zum Hitlerfaschismus enthält – von einer »Entnazifizierung« kann nicht die Rede sein: Mit »Centuria« bildet eine der mächtigsten Neonaziorganisationen der Ukraine weiterhin das politische Rückgrat der »Asow«-Truppen. Diese werden weltanschaulich geschult, etwa durch das »Zentrum für ideologische Unterstützung« des Verlags Rainshouse, der Merchandising mit »Großukraine«-Landkarten und Symbolen der Waffen-SS betreibt. Durch die Einführung der Korpsstruktur dürfte sich der Einfluss der Faschisten sogar deutlich ausweiten und den Prozess beschleunigen, den der unabhängige Forscher Moss Robeson »Asowisierung« nennt. Als Beispiel führt er »Wedmedi SS« an, eine Freiwilligeneinheit mit dem Motto »Meine Ehre heißt Treue«, die bis 2022 dem »Asow«-Regiment in der Nationalgarde angeschlossen war und heute einer Marinebrigade angehört: Wie Videos belegen, haben deren Soldaten bereits den »Asow«-Gruß von ihren Nazikameraden übernommen.
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Leserbrief von Doris Prato (21. März 2025 um 11:18 Uhr)Wenn die Nochaußenministerin der Grünen, Annalena Baerbock, einen Spitzenjob bei den Vereinten Nationen erhält, wird eine Enkelin des früheren Heeresinspekteurs der Bundeswehr, Albert Schnez, in die Organisation gehievt, die dem Frieden sichern soll. Zu ihrem Großvater, der die Pflege des Geistes der faschistischen »Kampfbataillone und -kompanien des letzten Krieges« als »Vorbild« für die Bundeswehr propagierte, hatte Baerbock einige Monate vor ihrem Amtsantritt in einem Interview mit der US-amerikanischen Denkfabrik Atlantic Council den Endkampf ihres Großvaters in Hitlers Wehrmacht gegen die heranrückende Rote Armee als »wertvollen Beitrag für ein geeintes Europa« gelobt. Für Nochbundeskanzler Olaf Schulz, der jetzt mit der CDU die bisher beispielloseste Militarisierung der EU vorantreibt, war das kein Hindernis, sie dann zur Chefdiplomatin der BRD zu berufen. An der Seite Scholz‘ trug sie mit, wenn im Deutschen Bundestag Vertreter der Ukraine, wie in den USA und anderen EU-Ländern auch, die die Waffen-SS-Division »Galizien« und die Angehörigen dieser berüchtigtsten Massenmörderorganisation des »Dritten Reichs« verehren, auftreten und den Faschistengruß »Slawa Ukraini!«, der ukrainischen Variante des deutschen »Sieg Heil!«, aussprechen konnten. Kaum nötig, zu erwähnen, dass die Lieferungen von Waffen und Kriegsgerät der BRD an die Ukraine, die fortgesetzt werden sollen, auch an die in die ukrainische Armee eingegliederten »Asow« Verbände, die Selenskji zum Korp aufstocken will, gehen. Welches Ausmaß der in der BRD verfolgte »Russenhass« wieder angenommen hat, verdeutlichte ein Interview der ZDF-Journalistin Anna Loll, die prorussische Bewohner des Donbass vor laufender Kamera als »Untermenschen« bezeichnete. Diese Aussage wurde dann zwar nicht ausgestrahlt, aber von Unbekannten in den sozialen Netzwerken verbreitet. Von einer chauvinistischen Pervertierung zeugte auch, was die Münchner Politikwissenschaftlerin Florence Gaub in einer »Markus Lanz«-Talkshow erklärte: »Ich glaube, wir dürfen nicht vergessen, dass, auch wenn Russen europäisch aussehen, es keine Europäer sind, im kulturellen Sinne«. Die Journalistin Susann Witt-Stahl hatte das in einem Beitrag für Junge Welt (6. Oktober 2023) so zusammengefasst: »Einst in den finstersten Tiefen der Kollektivpsyche abgelagerte, aber nie überwundene nazistische Ideologeme finden im gegenwärtigen deutschen Zustand der durch das Bündnis der NATO mit dem ukrainischen Faschismus forcierten Verhetzung der Gesellschaft wieder zurück ins Bewusstsein – auch und vor allem in das der Propagandisten dieser verabscheuungswürdigen Allianz.«
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