Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 26.03.2025, Seite 1 / Inland
Bundestag tritt zusammen

Auf zur »inneren Einheit«

Neuer Bundestag hat sich konstituiert. Gysi hält als Alterspräsident Eröffnungsrede
Von Nico Popp
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Gregor Gysi am Dienstag als Alterspräsident des Bundestages

Fotos, gute Laune, Händeschütteln, ausnahmsweise mal ein voller Plenarsaal – am Dienstag hat sich in Berlin der neue Bundestag konstituiert. Zu Beginn der konstituierenden Sitzung versuchte die AfD, die 2017 beschlossene Regelung zu kippen, wonach nicht der an Jahren älteste (das wäre der AfD-Mitbegründer Alexander Gauland), sondern der dienstälteste Abgeordnete die Sitzung leitet. Ein entsprechender, vom parlamentarischen Geschäftsführer Bernd Baumann begründeter Antrag erhielt indes nur die Stimmen der AfD-Abgeordneten.

Somit fiel die Rolle des Alterspräsidenten an Gregor Gysi, der – mit einer Unterbrechung von 2002 bis 2005 – seit 1990 dem Parlament angehört. In seiner rund 40minütigen Rede, die mit der Feststellung begann, dass er, Gysi, »erst« seit 1990 an Bundestagswahlen teilnehmen »konnte«, sparte der 77jährige nicht mit Ratschlägen und Mahnungen, war aber nach allen Richtungen um einen versöhnlichen Ton bemüht. Politiker, die der Aufrüstung das Wort reden, solle man nicht als Kriegstreiber bezeichnen, die Verfechter von Diplomatie umgekehrt nicht als »Putin-Knechte«. Es gebe eben »unterschiedliche Auffassungen, wie man zum Frieden gelangt«. Gysi beklagte, dass die Bundesrepublik aus der DDR »nur das Sandmännchen, das Ampelmännchen und den grünen Abbiegepfeil« übernommen und so den Ostdeutschen vermittelt habe, »dass sie außer diesen drei Punkten nichts geleistet hätten«. Der neue Kanzler solle sich dafür entschuldigen und so für »einen wirklichen Ruck bei der Herstellung der inneren Einheit« sorgen.

Trotz ungleichmäßig verteilten Beifalls sorgte die Rede für keinerlei Aufregung. Die anschließend mit 382 gegen 204 Stimmen gewählte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) bedankte sich artig beim »Herrn Alterspräsidenten« für den »Aufgalopp heute«. Das dürfte für Gysi und die noch in der Linkspartei verbliebenen Akteure aus den frühen Jahren der PDS, die sich alle gut an die Verachtung und Herablassung erinnern, mit der die Unionsabgeordneten 1994 die Eröffnungsrede Stefan Heyms quittiert hatten, keine kleine Genugtuung sein.

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