»Der ganze Tarifkampf ist eine politische Frage«
Interview: Niki Uhlmann
Das Bündnis »Berlin steht zusammen«, BSZ, hat einen Brandbrief veröffentlicht. »Wir sind wütend«, heißt es dort. Worüber?
Dass Arbeitgeber und Politik nicht für gute Arbeitsbedingungen sorgen. Dass die Löhne teilweise nicht zum Leben reichen, während alles teurer wird. Dass Politik nur für die Reichen gemacht wird und die Kürzungen auf jene abgewälzt werden, die unsere Stadt und unser Land am Laufen halten.
Der Senat schürt stets Angst vor einer möglichen Haushaltssperre. Was erwidert BSZ? Reicht das Geld doch?
Die Politik muss Prioritäten setzen. Man sieht es gerade auf der Bundesebene: Wenn die Politik es will, ist Geld da. Wir fordern von der Landesregierung, sich im Bund für mehr Finanzspielräume einzusetzen, also für eine Einführung der Vermögenssteuer und eine vollständige Aufhebung der Schuldenbremse. Auch in Berlin gibt es Möglichkeiten, mehr Geld einzunehmen, z. B. durch die Parkraumgebühr, und Geld nicht zu verprassen, z. B. für Prestigeprojekte wie NFL-Spiele.
Mal heißt es bei BSZ »wir Beschäftigte«, mal »die Beschäftigten«. Ist BSZ eine Bewegung von Beschäftigten oder von Aktivisten?
Sowohl als auch. Wir sind ein Bündnis aus Beschäftigten der verschiedenen Berliner Betriebe, der Stadtreinigung, den Krankenhäusern sowie der Charité Facility Management, CFM, und der BVG; die Post war auch dabei, als ihre Tarifrunde lief. Und hinter ihnen steht die Stadtgesellschaft, die die Forderungen der Beschäftigten unterstützt. Die Stärke unseres Bündnisses ist, betriebsübergreifende und stadtweite Solidarität aufzubauen.
BSZ macht einen sehr studentischen Eindruck. Wie ist es aufgebaut?
Die Kernaktiven sind vor allem junge Aktivistinnen. Sie bereiten etwa die Bündnistreffen vor, an denen die Beschäftigten teilnehmen. Einige engagierte Kollegen sind dabei essenziell. Initiiert wurden dort zum Beispiel die gegenseitigen Streikpostenbesuche. Auch das Flyern und die Öffentlichkeitsarbeit werden von Aktivistinnen getragen. Die Beschäftigten verankern unsere Bewegung in den Betrieben.
Wie unterstützt BSZ die Streiks konkret?
Wir haben jüngst eine Spendenkampagne für die CFM-Beschäftigten gestartet. Sie verdienen bis zu 1.000 Euro weniger als ihre Kollegen, fordern eine Lohnangleichung sowie Rückführung in den TVöD und werden dafür lange streiken müssen. Das können sie nur, wenn sie das nötige Geld haben. 13.500 Euro haben wir schon gesammelt. Zudem unterstützen wir bei politischen Aktionen oder sprechen mit Abgeordneten. Bei Streikposten helfen wir mit Essen, Technik und allem, was sonst benötigt wird. Für die Solidarität der Stadtgesellschaft sorgen wir, indem wir bei Streiks Fahrgastinformationen verteilen und plakatieren.
Was kann BSZ denn, was die Beschäftigten oder Gewerkschaften nicht selbst können?
Die Streikenden sind in ihren Tarifrunden total eingespannt. Für Arbeit in der Stadt, die Verbreitung und Erklärung der Forderungen, das Adressieren einzelner Politiker und das Werben um Verständnis bleibt oft keine Zeit. Da springen wir ein.
BSZ stellt explizit politische Forderungen auf, die in Tarifkonflikten sonst weniger präsent sind. Ist BSZ eher ein verlängerter Arm der gewerkschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit oder eine Art revolutionäre Gewerkschaftsopposition?
Weder noch. Die Vermögenssteuer und Investitionen fordern Verdi und viele Streikende. Unsere Rolle sehen wir darin, die Tarifrunde zu politisieren, indem wir immer wieder betonen, dass die ökonomischen und politischen Forderungen nicht getrennt werden dürfen. Schlussendlich ist die Politik für faire Löhne in den öffentlichen Betrieben zuständig.
Wie geht es mit BSZ weiter, wenn die Tarifrunden vorbei sind?
BSZ ist aus der Kampagne »Wir fahren zusammen« entstanden, die die Beschäftigten im Nahverkehr unterstützt hat. Jetzt geht es um die gesamte öffentliche Daseinsvorsorge. Langfristig wollen wir uns als Bündnis für eine gute, bezahlbare und lebenswerte Stadt für alle einsetzen. Wir bereiten uns darauf vor, auch die nächsten Tarifbewegungen zu unterstützen.
Celina Bittger ist Sprecherin von »Berlin steht zusammen«
links & bündig gegen rechte Bünde
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