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Aus: Ausgabe vom 26.03.2025, Seite 4 / Inland
Staat und RAF

Kein fairer Prozess

Mutmaßliches Ex-RAF-Mitglied Daniela Klette vor Gericht. Verteidiger fordern Einstellung des Verfahrens und Aufhebung des Haftbefehls
Von Ariane Müller, Celle
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Vor Gericht: Daniela Klette (l.) hinter schusssicherem Glas (Celle, 25.3.2025)

Protestierende vor dem Gerichtsgebäude fordern »Freiheit für Daniela und alle politischen Gefangenen« in Solidarität mit der angeklagten Daniela Klette. Vor dem Landgericht Verden hat am Dienstag der Prozess gegen die 66jährige begonnen. Bis Ende Mai findet dieser im Staatsschutzsaal des Oberlandesgerichts Celle statt. Dann soll der Prozess in einer ehemaligen Reithalle in Verden-Eitze, die extra umgebaut wird, fortgesetzt werden. Verteidigt wird Klette, die ehemals Mitglied in der Roten Armee Fraktion (RAF) gewesen sein soll, von den Anwälten Ulrich von Klinggräff, Lukas Theune und Undine Weyers.

In ihrem Statement, hier sinngemäß wiedergegeben, beanstandete Klette prekäre Haftbedingungen und die politische Hetzjagd gegen sie. Sie sei bereits vorverurteilt. Auch auf aktuelle politische Geschehnisse nahm die Angeklagte Bezug. So kritisierte sie die jüngst beschlossenen Kriegskredite, nannte das Mittelmeer ein Massengrab für Geflüchtete und verurteilte die Repression gegen die Palästina-Solidarität, Klimaaktivisten und die kurdische Bewegung. Widerstand sei notwendig, eine bessere Welt sei möglich. Ihre 30 Jahre in der Illegalität bezeichnete Klette als wertvolle Erfahrung, sie habe viel Solidarität erlebt.

Von einem normalen Prozess kann kaum die Rede sein. Nur zehn Zuschauer durften dem Prozess beiwohnen. Nach ihrer Festnahme im Februar 2024 saß Klette zunächst in Isolationshaft in der JVA Vechta, durfte keinen Besuch empfangen und wurde Tag und Nacht videoüberwacht. Durch das Anbringen einer Metallblende konnte kein Tageslicht in ihre Zelle kommen. Erst nach öffentlichen Protesten und Kritik ihrer Anwälte wurden die Haftbedingungen gelockert. In der Verhandlung am Dienstag saß die gebürtige Karlsruherin mit ihrer Verteidigung in einem Glaskasten.

Unter diesen Bedingungen sei kein fairer, rechtsstaatlicher Prozess möglich, bemängelten die Verteidiger in einem Antrag am ersten Verhandlungstag. Der etwa anderthalbstündigen Begründung folgte Beifall aus dem Publikum. Eine politische Prozessführung sei zu befürchten. Das Ausmaß der Sicherheitsvorkehrungen weise Anzeichen eines Terrorismusverfahrens auf, so die Anwälte. Dass sich die RAF im Jahr 1998 aufgelöst hatte, werde bei der Bewertung der angeklagten Taten nicht berücksichtigt. Sie forderten die Einstellung des Verfahrens und die Aufhebung des Haftbefehls. »Das ist eine öffentliche Vorverurteilung, die ich noch nie in meinem Leben erlebt habe«, hatte Weyers schon in ihrem Eröffnungsstatement zu bedenken gegeben.

Auch scheint die Angst vor einer Befreiung Klettes bei den Behörden riesig zu sein. Bei den Transporten wird die Inhaftierte auf Geheiß der Bundesanwaltschaft an Händen und Füßen gefesselt und mit einer kugelsicheren Weste in einem gepanzerten Fahrzeug hin- und hergefahren. Begleitet wird sie von Spezialeinsatzkräften mit Maschinengewehren.

Immerhin: Zwei im Glaskasten der Angeklagten positionierte Wachleute wurden ihrer Posten gleich wieder verwiesen. Nach Kritik der Anwälte, die hinter ihnen sitzenden Justizvollzugsbeamten könnten Gespräche zwischen ihnen und Klette mithören, entschied das Gericht im Sinne der Verteidigung. Der Vorsitzende Richter betonte zur Begründung, dass es »kein Staatsschutz- und kein Terrorverfahren« sei und bereits in einem Hochsicherheitssaal verhandelt werde. Der offensichtliche Widerspruch dieser Einschätzung wurde nicht thematisiert.

Die Staatsanwaltschaft Verden wirft Klette vor, zwischen 1999 und 2016 – also nach der Auflösung der RAF – gemeinsam mit den vermeintlichen und gesuchten mutmaßlichen Mitgliedern Volker Staub und Burkhard Garweg an 13 Geldbeschaffungsaktionen in Nordwestdeutschland beteiligt gewesen zu sein. Ein zweiter Prozess gegen Klette könnte folgen, da die Generalbundesanwaltschaft Karlsruhe im März 2024 einen weiteren Haftbefehl wegen drei mutmaßlicher Aktionen der RAF verkündet hatte. Im aktuellen Prozess ist der nächste Verhandlungstag der 1. April.

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