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Aus: Ausgabe vom 01.04.2025, Seite 7 / Ausland
Westsahara

Ein langer Marsch

Westsahara: In Frankreich ist ein Protestzug zur Befreiung der sahrauischen politischen Gefangenen aus marokkanischer Haft gestartet
Von Jörg Tiedjen, Paris
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Politische Gefangene des Königreichs: Der Marsch für ihre Befreiung erreicht am Sonntag Vitry-sur-Seine

Es könnte eine der bedeutendsten Solidaritätskundgebungen für die Westsahara werden: Am Sonntag begann in Ivry-sur-Seine bei Paris der »Marche de la liberté« (Marsch der Freiheit), der in zwei Monaten bis nach Marokko führen soll. Dort ist Anfang Juni vor dem Gefängnis der Stadt Kénitra die Abschlussveranstaltung geplant. Ziel ist, die Freilassung der politischen Gefangenen aus der von dem nordafrikanischen Königreich besetzten Westsahara zu erreichen – mehrere sind in der Haftanstalt eingekerkert.

Initiatorin des Marsches ist Claude Mangin-Asfari, eine unermüdliche Menschenrechtskämpferin und Frau des Aktivisten Naâma Asfari. Er wurde 2010 zusammen mit weiteren Sahrauis bei der brutalen Niederschlagung der bisher größten friedlichen Kundgebung – des Protestcamps von Gdeim Izik, eines Lagers aus Tausenden Zelten vor den Toren der Stadt Laâyoune – gegen die marokkanische Besetzung ihres Landes verhaftet. Im Anschluss wurden sie zu hohen Haftstrafen verurteilt. Angebliche Geständnisse, selbst für die Gewalt verantwortlich gewesen zu sein, waren durch Folter erzwungen. Die UNO hat Marokko 2023 aufgefordert, die verbliebenen 19 Gefangenen von Gdeim Izik unverzüglich freizulassen.

Der Marsch begann mit einer Kundgebung vor dem Rathaus von Ivry. Die Gemeinde wird von der Kommunistischen Partei (PCF) regiert und hat 2023 als erste und bisher einzige in Frankreich eine Städtepartnerschaft mit einem sahrauischen Flüchtlingslager in Algerien geschlossen. Oberbürgermeister Philippe Boyssou und der PCF-Parlamentsabgeordnete Jean-Paul Lecoq kamen sogleich auf den Skandal zu sprechen, dass Staatschef Emmanuel Macron vergangenes Jahr am Parlament vorbei die völkerrechtswidrigen marokkanischen Ansprüche auf die Westsahara anerkannt hat, so wie vor ihm bereits Spaniens Premierminister Pedro Sánchez.

Der von Mangin-Asfari organisierte Protestzug führt in jeweils neun Etappen durch beide Länder. Anders als in Frankreich existiert in Spanien eine breite Solidaritätsbewegung für die alte spanische Kolonie Westsahara. Die erste Etappe, die zu Fuß bewältigt wurde, endete im Vitry-sur-Seine, wo der Demonstrationszug von Oberbürgermeister Pierre Bell-Lloch (ebenfalls PCF) empfangen wurde. Am Montag ging es dann mit Autos weiter nach Tours. In langer Vorarbeit hatte die Organisatorin in allen Städten, die angesteuert werden, Unterstützer gewonnen, die für Empfang und Unterbringung sorgen. Es gibt eine Wanderausstellung, Diskussionsrunden und Filmvorführungen. Auch die Westsahara-Befreiungsfront Polisario steht hinter der Aktion.

Spannend wird es, wenn die Teilnehmer schließlich mit der Fähre von Algeciras nach Tanger übersetzen wollen. Wird Marokko sie durchlassen? Für sich selbst ist Claude Mangin-Asfari wenig zuversichtlich. Sie hat seit Jahren in Marokko Einreiseverbot, was gegen das Recht verstößt, Familienangehörige im Gefängnis besuchen zu können. Je mehr Menschen die Überfahrt versuchen, desto mehr werden es nach Kénitra schaffen, ist die Hoffnung. Dort soll es eine Abschlussveranstaltung geben, da auch die marokkanische Menschenrechtsvereinigung (AMDH) und die marxistisch-leninistische Partei »Demokratischer Weg« den Marsch unterstützen.

Marokko versuchte schon vor Beginn des Marsches, den Demonstranten Steine in den Weg zu legen: Im Internet kursierte ein Aufruf zu einer Gegenkundgebung. In ihm wurde Oberbürgermeister Boyssou prophezeit, bei den nächsten Wahlen eine Niederlage zu erleiden. Allerdings waren die marokkanischen Gegendemonstranten, die sich einfanden, wenig zahlreich. Das dürfte nicht nur daran gelegen haben, dass am selben Tag das Ende des Ramadans gefeiert wurde. Boyssou und Lecoq brachten es auf den Punkt, als sie betonten, dass die Veranstaltung nicht gegen Marokko gerichtet sei, sondern gegen die Politik von Regierungen, die sich weder um die Menschen scheren noch um internationales Recht. Erst im Oktober hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass sich der Gültigkeitsbereich von Fischerei- und Handelsabkommen zwischen Marokko und der EU nicht auch auf die Westsahara erstreckt.

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