Stahlkocher vor Arbeitskampf
Von Susanne Knütter
Intern stand der Vorgang längst fest. Am Freitag wurde dann offiziell ein Deckel draufgemacht. Thyssen-Krupp Steel Europe (TKSE) wird in Zukunft auf 2,5 Millionen Tonnen Stahl der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) verzichten. Der Aufsichtsrat der Stahltochter von Thyssen-Krupp hatte auf einer Sondersitzung dem Antrag des Vorstands zugestimmt, den Liefervertrag mit HKM zu kündigen. Die Abnahmeverpflichtung des Stahls läuft demnach spätestens zum 31. Dezember 2032 aus.
TKSE hatte angekündigt, seine HKM-Beteiligung von 50 Prozent zu verkaufen. Sollte dies nicht gelingen, werde HKM geschlossen. Ein Verkauf an den Investor CE Capital war kürzlich gescheitert. Die Kündigung des Liefervertrags selbst hätte zunächst »keine unmittelbaren Folgen für den Weiterbetrieb der HKM«, erklärte TKSE zu dem Beschluss mit. Die Belieferung der Anteilseigner von HKM mit Vormaterial sei bis auf weiteres vollständig gewährleistet.
Betriebsräte vermuten allerdings, dass TKSE die sieben Jahre, die der Liefervertrag nach Kündigung noch weiterläuft, nicht ausschöpfen will, sondern eine vorzeitige Schließung der HKM anstrebe. Das berichtete die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) am Freitag unter Berufung auf den Betriebsratsvorsitzenden von TKSE in Duisburg-Beeckerwerth, Ali Güzel. Grund sei die Investition von 800 Millionen Euro in ein neues Warmbandwerk mit Stranggussanlage im Duisburger Norden. Damit wolle sich TKSE unter anderem von HKM unabhängig machen. »Auf die schmale Bramme von HKM, die für das Werk in Hohenlimburg benötigt wird, ist TKSE dann nicht mehr angewiesen«, so Güzel. HKM beliefert bislang unter anderem die Thyssen-Krupp Hohenlimburg mit Stahlblöcken in besonders schmalen Abmessungen.
Die Beschäftigtenvertreter im TKSE-Aufsichtsrat sollen laut Handelsblatt gegen die Beendigung der Lieferverträge gestimmt haben. »Wer sagt, dass das Unternehmen sicher aufgestellt ist, wenn wir gegen HKM stimmen?« fragte der Betriebsratsvorsitzende von TKSE in Bochum in der WAZ. Auch dort steht das Warmbandwerk auf der Kippe.
Der Chef des Mutterkonzerns Thyssen-Krupp, Miguel López, will die Kapazitäten des Stahlherstellers deutlich reduzieren. Und klar ist: Die Suche nach einem Käufer wird mit dem Ende der Lieferverträge durch den größten Abnehmer des HKM-Stahls (HKM produziert insgesamt vier Millionen Tonnen pro Jahr) eher schwerer. Wenn nicht aussichtslos. »3.000 Beschäftigte und ihre Familien sind durch diese Entscheidung direkt in ihrer Existenz bedroht«, kritisierte der gewerkschaftspolitische Sprecher von Die Linke NRW, Nils Böhlke, am Freitag abend. »Wenn das Ziel bleibt, HKM zu verkaufen, wird allen potentiellen Käufern gerade das Signal gegeben, dass die gute Arbeit der Kolleginnen und Kollegen bei HKM selbst vom Verkäufer kaum geschätzt wird.« Aus Sicht der Linken werde immer offensichtlicher, »dass für die Rettung der Arbeitsplätze bei HKM eine Beteiligung oder gar eine Komplettübernahme durch das Land notwendig sein wird«. Der Artikel 27 der Landesverfassung sehe »gerade in solchen Fällen die Überführung in Gemeineigentum vor«, so Böhlke. Eine Schließung dagegen wäre für den Duisburger Süden ein kaum zu verkraftender Schlag.
Ähnlich sahen es an die 800 Stahlarbeiter, die am Freitag gegen die Aufsichtsratentscheidung in Duisburg-Bruckhausen demonstrierten. Die WAZ ist bereits überzeugt, »Duisburg steht vor dem größten Arbeitskampf seit fast 30 Jahren«. Damals, 1987, hatte Krupp die Schließung der Hütte in Rheinhausen angekündigt. Die Stahlkocher bestzten daraufhin die Rheinbrücke zwischen Rheinhausen und Hochfeld, die seither »Brücke der Solidarität« heißt. Eine Wiederholung ist möglich. Diesmal bei der Berliner Brücke.
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