In Ungnade Gefallener des Tages: Hamed Abdel-Samad
Von Nick Brauns
Als Student in Ägypten gehörte Hamed Abdel-Samad der Muslimbruderschaft an. Später in Deutschland trat er als ihr schärfster Gegner auf. Bei seinem Geschäftsmodell als »arabischer Kronzeuge wider den Islam« zeigte sich der bekennende Atheist in der Wahl seiner Partner nicht zimperlich. Mit dem nach rechts abdriftenden Journalisten Henryk M. Broder tourte er ab 2010 durch Deutschland. 2015 trat er bei der AfD und der österreichischen FPÖ auf. Weil er vom »islamischen Faschismus« sprach, rief ein Prediger im ägyptischen Fernsehen zu seiner Ermordung auf. Abdel-Samad legte nach und bezeichnete den Propheten Mohammed in einem Buch als »Massenmörder« – mit der Folge, dass er bis heute oft nur unter Polizeischutz auftreten kann.
Nach mehr als 50.000 Toten im Gazastreifen plagten den deutsch-ägyptischen Publizisten nun offenbar Gewissensbisse. »Es gibt nur ein Wort, das das, was gerade in Gaza passiert, genau beschreibt: Genozid. Schande über alle, die das unterstützen oder relativieren!« schrieb er am Freitag auf X. Der Aufschrei seiner bisherigen Fans rechts außen und in der Israel-Lobby erfolgte prompt. »Ziemlich umständlicher Weg, ›Hamas Forever‹ zu schreiben«, meinte Influencerin Marie von den Benken. »Auf Dauer können diese Typen ihre DNA nicht verstecken«, kommentierte eine Dana Weinstein. »Er ist halt immer noch Araber. Blut ist dicker als Wasser«, schreibt ein Dritter im ebenso völkischen Duktus.
Nun sei seine Lesung in Seligenstadt abgesagt worden, weil er Israel kritisiert habe, gab Abdel-Samad am Sonnabend bekannt. Sprechen wollte er über Meinungsfreiheit. Die sieht der Publizist bedroht durch »rechte, linke und religiöse Fundamentalisten« – an die Verteidiger der Staatsräson hatte er beim Verfassen seines neuen Buches »Der Preis der Freiheit« dabei wohl nicht gedacht.
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