Zeichen und Wunder
Von Reinhard Lauterbach
Es wäre ein Wunder, wenn die EU und die Ukraine den jüngsten Trump-Vorschlag für ein Ende des Ukraine-Kriegs so akzeptieren würden, wie er auf dem Papier steht. Denn es stimmt: Er kommt Russland weit entgegen, indem er anerkennt, was faktisch ohnehin feststeht: dass die Krim russisch ist. Soll Russland sie also behalten, lautet Trumps Vorschlag: Militärisch ist die Halbinsel für Russland ohnehin kaum noch etwas wert. Denn die Ukraine hat mit westlicher Hilfe gezeigt, dass sie die dortigen Stützpunkte der Schwarzmeerflotte angreifen kann und dazu bereit ist. Zwar schließt die EU territoriale Konzessionen an Russland bisher ebenso kategorisch aus wie die Ukraine – aber was steht dahinter? Wenn sie sich zu politischer Ehrlichkeit durchringen könnte, müsste sie zugeben, dass ihr erst recht die militärischen Mittel fehlen, die Übernahme von 2014 rückgängig zu machen. Gerade erst hat es die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas indirekt bestätigt, als sie der Trump-Regierung vorwarf, zuwenig für Kiew zu tun. Eben. Die EU mag zwar wollen, aber sie kann nicht.
Dafür hat Brüssel die Hebel in der Hand, eines von Trumps Versprechen ins Leere laufen zu lassen: die Aufhebung der Sanktionen. Denn die meisten russischen Staatsgelder liegen auf in Europa gepfändeten Konten, auch das Zahlungssystem SWIFT hat dort seinen Standort. Die Hardlinerfraktion in der EU wird sich sicherlich weigern, dem Wunsch Trumps zu folgen. Nach der Logik: Lässt du uns hängen, blamieren wir dich auch. Vielleicht wird bei der nächsten Sanktionsabstimmung im Juli die Front der Befürworter bröckeln, aber umgekehrt haben auch die Balten, Polen und Skandinavier ihre Vetooption. Dieser Teil des »Deals« hängt also in der Luft.
Und damit kommen wir von den Wundern, die eher nicht passieren werden, zu den Zeichen: Was sagt die Auseinandersetzung um Trumps Ukraine-Plan über die Interessen und Kräfteverhältnisse? Trump kann Zugeständnisse anbieten, die Russlands Eitelkeit schmeicheln. Dazu geschäftliche »Deals« aller Art. Dass darüber der Marktanteil, den die EU einmal in Russland hatte, auf Dauer verlorengehen wird, ist klar. Ökonomisch würde sich die EU also durch eine Hardlinerpolitik gegenüber Russland ohne die USA eher ins eigene Fleisch schneiden. Nur, dass es politisch für Ursula von der Leyen und ihre Russenfresserkommission peinlich wäre, die eigene Machtlosigkeit so demonstriert zu bekommen. Man wird sehen müssen, ob der Ruf des ehemaligen Kiewer Botschafters in Berlin, Andrij Melnyk, nach 30 Prozent der schweren Waffen der Bundeswehr und 0,5 Prozent des deutschen Sozialprodukts als Dauersubvention für Kiew irgend welche Folgen haben wird. Sein Winken an Friedrich Merz mit dem Ehrentitel eines »Führers der freien Welt« steht gegen die Investorenregel: Nie in ein fallendes Messer zu greifen. In Verlierer investiert man nicht mehr. Trump hat das erkannt, die EU bisher nicht.
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