Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Castorproteste 2010

Castorproteste 2010

  • · Nachrichten

    Greenpeace-Kletterer blockieren Fahrtstrecke

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    Gut trainiert: Greenpeace-Aktivisten an der Kinzig-Brücke

    Kehl. Aktivisten von Greenpeace haben am Samstag in der Nähe von Kehl den Castorzug gestoppt. Wie die Umweltorganisation mitteilte, hatten mehrere ihrer Mitglieder eine Eisenbahnbrücke über den Fluß Kinzig besetzt, wurden aber von der Polizei weggetragen. Zwei weitere Aktivisten hätten sich jedoch mit einem Banner "Atommüll zurück ins AKW Philippsburg" über der Brücke abgeseilt, so daß die Durchfahrt des Zuges nicht mehr möglich war. Der Castor-Transport sei deswegen 400 Meter davor zum Stehen gekommen. Eine unabhängige Bestätigung für diesen Greenpeace-Bericht war zunächst nicht zu erhalten.

    Greenpeace fordert, die Castorbehälter statt nach Gorleben gemäß dem Verursacherprinzip ins grenznahe Zwischenlager am AKW Philippsburg zu bringen.
    (AFP/jW)

  • · Berichte

    Transportstrecke nach Gorleben von Traktoren versperrt

    Ekkehard Beisker, dapd

    Dannenberg. Eine der Castor-Transportstrecken von Dannenberg ins Zwischenlager Gorleben ist dicht. Während Zehntausende Menschen - die Veranstalter sprechen von 50 000 - am Samstagnachmittag auf einem Feld nahe Dannenberg an einer Kundgebung gegen den anrollenden Transport der elf Atommüllbehälter teilnimmt, haben Landwirte mit Traktoren aller Modelle die Straße im beschaulichen Ort Splietau und dahinter versperrt. Fast 600 dicht an dicht stehende Traktoren sollen es sein, wie Polizisten und Landwirte vor Ort bestätigen.

    Statt wie geplant auf das nahe gelegene Kundgebungsgelände zu rollen, seien die an der Castor-Aktion beteiligten Landwirte einfach auf der Straße stehen geblieben, schildert einer der vielen Polizisten entlang der blockierten Strecke das Entstehen der Situation. Jetzt müsse man darauf  achten, daß die Trecker auf der Strecke nicht noch zusammengekettet werden oder - in deren  Schutz - zwischen den Fahrzeugen Hindernisse für den Straßentransport der Castoren errichtet  würden. Die Traktoren, die Losungen wie "Mit Gorleben kommen sie nicht durch" tragen, sind von  den meisten der Fahrer verlassen. Ein mit Kinderwindmühlen auf dem Dach geschmückter Trecker verkündet die Botschaft: "Wind ist umsonst, Atom kostet Leben."

    Derweil steht einer der Landwirte, der sein Gefährt in der Blockade stehen hat, am Straßenrand und beobachtet die Menschen und ihr Tun. Er sei bereits seit 35 Jahren an solchen Aktionen beteiligt, sagt Karl Behrens aus Lüchow. »Zum Widerstand bin ich gestoßen, als ich mich an Aktionen gegen die ersten Erkundungsarbeiten im Salzstock Gorleben beteiligt habe«, sagt der 64-Jährige. Damals habe ihn der Rechtsanwalt und spätere Bundeskanzler Gerhard Schröder in einem Prozeß verteidigt, sagte Behrens, der für die Freie Wählergemeinschaft im Landkreis tätig ist.

    Ein Vierteljahr habe man sich in Splietau auf die Blockade vorbereitet. Den genauen Aktionsplan kenne »aber bis zuletzt nur ein kleiner Kreis«. Behrens geht davon aus, auch am Montag - wenn der Castor-Transport über diese Straße rollen und damit seine letzten Kilometer zurücklegen soll - noch in Splietau zu sein, denn: »Wir wollen auch am Montag noch hier stehen.«

  • Splietau / Dannenberg - Auf der Großdemonstration der Atomkraftgegner  hat die Polizei zwischen Splietau und Dannenberg Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt. Nach jW-Informationen wurden dadurch mehrere Demonstrationsteilnehmer leicht verletzt. Zahlreichen schwarz gekleideten Demonstranten gelang es nach Berichten von Augenzeugen darauf hin, die Polizei-Hundertschaft einzukesseln und abzudrängen.

    Eine Sprecherin der Bundespolizei sagte, rund 150 Personen hätten im Schutz der Kundgebung mit Schaufeln ein Loch in der Straße ausgehoben, um den Atommülltransport nach Gorleben zu behindern.Die Südroute nach Gorleben ist eine von zwei üblichen Transportwegen ganz am Ende des Castor-Transports, nachdem die Behälter von der Schiene auf Lastwagen geladen worden sind.

    Das Vorgehen der Polizei sei mit den Veranstaltern abgestimmt worden, sie hätten die Grabungsaktion nicht gebilligt, sagte die Sprecherin. Die Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg konnte das alledings nicht bestätigen. Die beteiligten Bauern, die mit Traktoren zur Kundgebung gekommen seien, hätten das Loch an dieser Stelle zwar nicht für sinnvoll gehalten, sagte BI-Pressesprecher Wolfgang Ehmke zur jW. Er wisse aber nichts davon, daß irgend jemand auf Seiten der Protestbewegung Verständnis für einen Pfefferspray-Einsatz geäußert habe. 

    Laut Nachrichtenagentur dapd gab die Polizei an, von den Atomkraftgegnern mit Steinen und Knallkörpern beworfen worden zu sein.
    (jW)

  • · Nachrichten

    Castor Schottern: »Nicht harmlos, sondern entschlossen«

    Mischa Aschmoneit von der Kampagne »Castor Schottern« hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf ihren Einwand geantwortet, das geplante Entschottern der Gleisbetten zur Verhinderung des Atommülltransports sei »keine friedliche Demonstration, sondern eine Straftat«.

    Aschmoneit sagte, Frau Merkel unterliege einem Irrtum, wenn sie behaupte, die Kampagne käme harmlos daher: »Das Gegenteil ist der Fall: Wir sind entschlossen! Wir haben von Anfang an gesagt, daß wir mit vielen Menschen die Castor-Schiene unterhöhlen wollen, um den Atommüll effektiv zu stoppen. Dabei werden wir niemanden gefährden.« Gefährlich sei hingegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, die die Regierung mit allen Mitteln gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchsetzen will. Daher sei ziviler Ungehorsam legitim und notwendig.

    (jW)

  • · Berichte

    Wendland-Stimmung in der Pfalz - Stuttgarter Demonstranten machen mit

    Sandra Schipp, dapd

    Berg/Pfalz. Wendland-Stimmung in Südwestdeutschland: Über tausend Menschen demonstrieren am Samstag in Berg/Pfalz nahe der deutsch-französischen Grenze gegen den Castor-Transport von der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ins niedersächsische Atommülllager Gorleben. Über Stunden halten sie die Bahngleise besetzt - eine der möglichen Transportstrecken des Castors.

    Auf Strohsäcken und Isomatten warten sie, bis die Polizei am frühen Nachmittag beginnt, die Strecke zu räumen. Zuvor hat die französische Polizei in der Nachbarschaft 16 Deutsche dabei erwischt, wie sie sich gerade an die Gleise ketten wollen. Zwei der Greenpeace-Aktivisten schaffen es noch, sie werden jedoch bald wieder von den Schienen gelöst.

    Der Widerstand gegen den Atommülltransport jedenfalls ist in diesem Jahr erheblich - die Castoren schlagen schließlich eine andere Route ein und fahren über Kehl, was die Demonstranten als ihren Erfolg verbuchen.

    Der sonst so beschauliche Ort Berg/Pfalz wird am Morgen zum Versammlungsort von hunderten Atomkraftgegnern aus ganz Südwestdeutschland. Sie treffen sich zur Auftaktkundgebung mit anschließender Demonstration durch den Ort. Danach geht es am zweiten Versammlungsort vorbei über Wiesen, ein abgeernetes Maisfeld, einen Bach und ein Waldstück zu den Schienen. Dort wartet
    zwar die Polizei, sie ist jedoch den Demonstranten zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen. Kommen die Atomkraftgegner an einer Stelle nicht mehr auf die Gleise, versuchen sie es eben woanders. Über 2 000 Atomkraftgegner hätten schließlich die Transportstrecke blockiert, erklärt ein Sprecher der südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen. Die Polizei spricht von rund 800 Teilnehmern.

    »Die Bilder gehen ins Wendland, die freuen sich«, sagt ein Mann, der auf den Schienen sitzt. Und tatsächlich ähneln sich die Bilder sehr: Hunderte Menschen sitzen in Berg/Pfalz friedlich auf Strohsäcken und Isomatten auf den Schienen, viele von ihnen tragen Flaggen und Sticker mit der Aufschrift »Atomkraft - Nein Danke«, einige haben Sonnenblumen mitgebracht. Zwischendrin trommelt eine Percussion-Band, die Stimmung ist gelöst.

    »Diese Musikgruppe - ist die aus Stuttgart? Die kommt mir so bekannt vor«, fragt ein Polizist zwei Gleisbesetzer. Stuttgart ist tatsächlich allgegenwärtig: Viele Demonstranten haben das Symbol für den Widerstand gegen Stuttgart 21 auf Jacken und Taschen geheftet. Nach Angaben der südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen hat der enorme Protest gegen das Bahn-Bauprojekt auch ihnen neuen Zulauf beschert.

    Aber auch der Protest gegen die Atomkraft hat in der Region Tradition. Nicht weit entfernt bei Karlsruhe befindet sich das Atomkraftwerk Philippsburg, weitere AKW liegen in der mittelbaren Umgebung. Viele Leute, die heute gegen den Castor-Transport auf die Schienen gehen, haben schon in den 80er Jahren gegen Atomkraft demonstriert.

    So auch Andrea Schöffer, die in Berg/Pfalz wohnt. Als sie in den Ort zog, rechnete sie nicht damit, noch einmal direkt mit dem Thema konfrontiert zu werden. Doch dann wurde die Bahnstrecke durch Berg/Pfalz ausgebaut - und das sei nur wegen des Atommülltransports aus La Hague passiert, sagt sie. Dennoch spielte der Castor lange Zeit kaum eine Rolle in der Region, bis sich 2008 ganz in der Nähe des Ortes mehrere junge Leute an die Gleise ketteten und den Atommülltransport für Stunden aufhielten. Damals hätten viele Helikopter über dem Ort ihre Kreise gezogen, und das habe viele genervt. Sie sei jedenfalls froh, daß die Menschen auf die Straße gingen, und sie werde auch selbst  mit dabei sein.

    Nicht alle der rund 2 200 Bewohner von Berg/Pfalz denken so wie Andrea Schöffer. Einige schließen lieber schnell Tür und Tor, als der lärmende Demonstrationszug näher kommt. Das FC Berg Clubhaus hat für Samstag vorsorglich geschlossene Gesellschaft angemeldet. Einige Neugierige schauen dennoch zu, als die Demonstranten schließlich am späten Vormittag mehrere hundert Meter Schienen besetzen.

    Nach zweieinhalb Stunden und mehreren Aufforderungen der Polizei werden die Atomkraftgegner schließlich einzeln von den Schienen gehoben und weggetragen, ihre Personalien aufgenommen. Ob Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden, darüber müsse noch entschieden werden, sagt Rudolf Höser, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Trier. Die Demonstranten hätten nicht nur gegen die Allgemeinverfügung verstoßen - auch das Betreten der Gleisanlagen selbst könne mit einem Bußgeld geahndet werden.

    Die Atomkraftgegner stört es kaum - sie dürfen nach Feststellung der Personalien ihres Weges ziehen und gehen mit einem Lächeln im Gesicht. Schließlich haben sie einen Sieg davongetragen: Der
    Castor-Transport rollt in diesem Jahr erstmals nicht durch Berg/Pfalz.
    (dapd/jW)

  • · Nachrichten

    Loch in der Straße entdeckt

    André Lenthe
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    Knochenjob: Ordnungshüter stopfen Löcher

    Splietau / Dannenberg - Ein etwa drei mal vier Meter großes Loch ist soeben in der Straße zwischen Splietau und Dannenberg entdeckt worden. Der Asphalt wurde scheinbar mit Schaufeln oder Spitzhacken aufgebrochen. Der Abschnitt gehört zur Südroute des Atommülltransports nach Gorleben. Die Castorbehälter sollten ihn passieren, nachdem sie vom Sonderzug aus La Hague auf Lastwagen umgeladen wurden. Polizeikräfte sind dabei, das ein bis zwei Meter tiefe Loch weiträumig abzuschirmen.

  • · Nachrichten

    Riesenbeteiligung: Mindestens 50 000 Demonstranten

    Dannenberg. Mit 50 000 hat die Zahl der Demonstranten bei der Großkundgebung der Atomkraftgegner im wendländischen Splietau alle Erwartungen übertroffen. Zahlreiche Demonstranten hätten den Kundgebungsplatz gar nicht erst erreicht, weil die Straßen verstopft seien, teilten die Veranstalter mit. Aus dem gesamten Bundesgebiet seien 400 Autobusse gekommen, Bauern aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein hätten sich mit 600 Treckern beteiligt. Ursprünglich waren zwischen 30 000 und 40 000 Demonstranten erwartet worden.
    (AFP/jW)

  • · Nachrichten

    »Kriegstreiber!« - Trittin rastet aus

    Splietau. Aus Wut über kritische Zwischenrufe hat der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin bei der Großkundgebung gegen Castortransporte heute Nachmittag ein Interview mit dem TV-Sender ntv abgebrochen. Als Demonstranten immer wieder »Kriegstreiber!« und »Hau ab!« skandierten, stürmte Trittin auf die Zwischenrufer los und beschimpfte sie.

    Trittin war in seiner Zeit als Bundesumweltminister der SPD/Grünen-Regierung mitverantwortlich für den jetzt von der schwarz-gelben Regierung gekippten halbherzigen Atomausstieg sowie für Kriegs-Einsätze der Bundeswehr.
    (jW)

  • · Nachrichten

    Traktoren blockieren Südroute nach Gorleben

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    Die Bauern von heute sind nicht von gestern

    Splietau - Mit rund 250 Traktoren haben Bauern im Wendland am Samstagnachmittag eine Landstraße zwischen Dannenberg und Gorleben blockiert. Wie ein Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg mitteilte, fuhren die Trecker von der Hauptkundgebung in Splietau auf die Landstraße. Bei der lahmgelegten Strecke handelt es sich um die sogenannte Südroute nach Gorleben. Sie ist eine von zwei üblichen Transportwegen ganz am Ende des Castor-Transports, nachdem die Atommüllbehälter von der Schiene auf Lastwagen geladen worden sind.

    (dapd/jw)

  • · Nachrichten

    Umweltminister Röttgen: »Verantwortungslos!«

    Bonn. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hält es für eine »verantwortungslose Position«, gegen Zwischenlager zu demonstrieren. Sie seien zur Zeit »alternativlos«, sagte er heute Nachmittag auf dem CDU-Landesparteitag in Bonn, der ihn zum Vorsitzenden der NRW-CDU wählte. Er ging aber ebenso wenig wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) darauf ein, mit welch beispiellosen Betrugsmanövern Bundes- und Landesregierungen den Standort Gorleben durchgesetzt hatten, obwohl alle geologischen Gutachten gegen dessen Eignung sprechen.

    Merkel übte scharfe Kritik an SPD und Grünen. Die beiden Oppositionsparteien hätten während ihrer Regierungszeit bis 2005 sehenden Auges mehr als zehn Jahre lang die Suche nach einem Endlager für Atommüll versäumt, sagte sie auf dem CDU-Landesparteitag. Es gebe kein Grundrecht auf gewaltsame Demonstrationen. Das Unterhöhlen von Bahngleisen - das sogenannte »Schottern«, zu dem ein Teil der Castor-Gegner aufruft - sei keine friedliche Demonstration, sondern ein Straftatbestand.
    (dapd/jW)

  • · Nachrichten

    Castorzug umgeleitet und in Kehl eingetroffen

    Kehl. Der Castor-Transport mit Atommüll ist heute am frühen Nachmittag umgeleitet worden und hat
    kurz vor 14.00 Uhr die französisch-deutsche Grenze bei Kehl überquert. Im dortigen Bahnhof, dessen Umgebung weiträumig von der Polizei überwacht wurde, stoppte der Sonderzug, um die Lokomotive zu wechseln und das französische gegen das deutsche Begleitpersonal auszutauschen.

    Ursprünglich hatte der Zug bei Berg in Rheinland-Pfalz die deutsch-französische Grenze überqueren sollen. Dort hatten jedoch zahlreiche Demonstranten die Gleise besetzt gehalten. Es ist nach Angaben von Bürgerinitiativen das erste Mal in der Geschichte der Castor-Transporte, daß aufgrund von Protesten die Fahrstrecke geändert werden mußte.
    (dapd/jW)

  • · Berichte

    »Das Treckerfahren habe ich schon mit 16 gelernt«

    Max Eckart

    Dannenberg. Gregor Gysi ist der erste. Der Fraktionschef der Linken im Deutschen Bundestag kommt schon um kurz vor zehn Uhr zum Treffpunkt der Bäuerlichen Notgemeinschaft in Klein Gusborn. Die Landwirte aus dem Wendland - alle kritsch gegenüber der Atomkraft - haben Prominente aus Politik und Kultur eingeladen, sie auf der Treckerfahrt zur großen Kundgebung gegen den Castor-Transport zu begleiten.

    Auf der matschigen Wiese schimpft Gysi erstmal kräftig über die Atompolitik der Bundesregierung. Es sei unverantwortlich, eine nicht beherrschte Technik weiter auszubauen. »Und unverschämt, Niedersachsen zum Atomklo der Bundesrepublik zu machen«. Am liebsten würde Gysi gleich auf einen Trecker steigen und lostuckern. »Ich war Facharbeiter für Rinderzucht«, erklärt er. »Das  Treckerfahren habe ich schon mit 16 gelernt.«

    Auch Claudia Roth hat damit schon früh Erfahrungen gesammelt. »Ich komme schließlich aus  Bayern«, sagt die Vorsitzende der Grünen. Der Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin kennt sich mit Landmaschinen dagegen nicht so gut aus. Er sei wohl irgendwann mal auf einem Trecker mitgefahren, aber nicht wirklich in Übung. Trittin hat keinen Führerschein.

    Die Grünen nutzen ebenfalls die Gelegenheit, die Regierung zu schelten. Es sei »zynisch und eine  Provokation der Bevölkerung, daß die Laufzeiten der Atomkraftwerke weiter verlängert werden und das Endlager Gorleben weiter gebaut wird«, sagt Roth. Gorleben sei »ein illegaler Schwarzbau«. Die Endlagersuche müsse neu begonnen werden, Gorleben dabei  außen vor bleiben. »Der Standort ist schon politisch verbrannt.«

    Inzwischen ist Landwirt Carsten Niemann auf einen Traktor geklettert. Er formt die Hände vor dem Mund zu einem Trichter und erläutert das weitere Vorgehen. Jedem »Promi« haben die Bauern einen aus ihrer Mitte als Fahrer zugelost. Vor dem Start sollen Chauffeur und Fahrgast vor einem Anti-Atom-Transparent für ein Foto posieren. Neben Spitzen-Politikern von Grünen und Linken treten auch die Buch-Autorinnen Petra Oelker und Charlotte Roche nach vorn, nachdem Landwirt Niemann sie aufgerufen hat. Der Sänger und Schlagzeuger Bela B, der ebenfalls einen Treckerplatz gebucht hat, »steckt noch im Stau«, ruft jemand aus der Menge. Der Grünen-Co-Vorsitzende Cem
    Özdemir will seinen Fahrer nach dem Foto gar nicht mehr loslassen. »Wir verstehen uns jetzt schon prächtig«, sagt er.

    Gegen elf Uhr setzt sich der Konvoi in Richtung Dannenberg in Bewegung. Vorne kurven ein paar Mini-Trecker und Rasenmäher, dann folgt der kilometerlange Zug der großen Schlepper. Alle Fahrzeuge sind mit Anti-Atom-Fahnen, dem grün-orangefarbenen Banner der »Republik Freies Wendland« oder Transparenten geschmückt. Etliche Bauern haben auch große gelbe »X«, das Widerstandsymbol der wendländischen Atomkraftgegner, auf die Ladeschaufeln ihrer Traktoren montiert. Wieviele Trecker insgesamt zur Kundgebung rollen, weiß Monika Tietke am Mittag noch nicht genau. Es seien aber hunderte, versichert die Sprecherin der Bäuerlichen Notgemeinschaft.
    Von Uelzen und Lüneburg seien weitere Konvois unterwegs. Endgültige Zahlen gebe es erst am späten Nachmittag.

    Die Landwirte möchten auf jeden Fall das Ergebnis von 2008 übertreffen. Da waren rund 350 Traktoren dabei. Den Rekord halten bislang die Castor-Proteste von 1997. Damals waren die Landwirte mit etwa 550 Schleppern dabei.

    Am Kundgebungsgelände östlich von Dannenberg parken die Traktoren dicht an dicht in Doppel- und Dreierreihen. Eine bunte und aus Sicht der Polizei auch bedrohliche Armada. Die Einsatzleitung hatte Mitte der Woche das an die Castorstrecke grenzende Camp der Notgemeinschaft in Gusborn verboten, weil von dort Trecker zu Blockadeaktionen gegen den Atommülltransport starten könnten. Das Lüneburger Verwaltungsgericht kassierte das Verbot allerdings wieder. An diesem Samstag bleiben die Traktoren zunächst auf den für sie reservierten Parkplätzen.

    (dapd/jW)

  • · Nachrichten

    Südwesten: 1 276 Menschen auf Castor-Gleis

    Berg. Zahlreiche Kernkraftgegner haben bis zum frühen Nachmittag im rheinland-pfälzischen Berg die Polizeiabsperrungen überwunden und sich zu den dort schon ausharrenden Demonstranten auf die Bahngleise gesetzt. Nach Zählung der südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen waren es genau 1 276 Menschen. Den Angaben zufolge hat die Polizei die Demonstranten mehrfach aufgefordert, die Gleise zu verlassen, sie treffe Vorbereitungen für eine gewaltsame Räumung.

    Möglicherweise werde der aus Frankreich kommende Castorzug aber über die Bahnstrecke Kehl-Karlsruhe umgeleitet, hieß es. Darauf weise hin, daß die polizeiliche Überwachung der Umgebung des Kehler Bahnhofs in den vergangenen Stunden deutlich verstärkt worden sei. »Damit könnte der Castorzug zum ersten Mal in der Geschichte der Atommülltransporte aufgrund einer Protestaktion seine Fahrtroute ändern müssen. Wir sehen dies als großen Erfolg unserer Proteste«, sagte ein Initiativen-Sprecher.
    (jW)

  • · Nachrichten

    Kundgebung im Wendland hat begonnen

    Splietau. Mit schätzungsweise 40 000 Teilnehmer hat soeben in Splietau (Wendland) die zentrale Kundgebung gegen die Castortransporte begonnen. Zahlreiche Teilnehmer waren unterdessen noch auf dem Weg zum Kundgebungsplatz.

    »Es sind 400 Busse mit Atomkraftgegnern unterwegs«, sagte der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke. »Wir erwarten die größte Protestkundgebung in der Geschichte des Gorleben-Widerstandes«.

    Als Redner waren unter anderem der Landrat des Kreise Lüchow-Dannenberg Jürgen Schulz (parteilos) und der Präsident von Greenpeace International, der Südafrikaner Kumi Naidoo (s. Interview im jW-Blog), eingeplant.
    (jW)

  • · Nachrichten

    Steht die Räumung der Gleise bei Berg bevor?

    Lauterbourg/Berg. Die Räumung der von mehreren hundert Atomkraftgegnern besetzten Bahngleise in Berg (Rheinland-Pfalz) steht möglicherweise bevor: Gegen 12.30 Uhr hat die Polizei die bis dahin friedlich verlaufene Demonstration für aufgelöst erklärt.

    Auf französischer Seite in Hausbergen kurz vor Lauterbourg hatte die französische Polizei zuvor 16 Greenpeace-Aktivisten in Gewahrsam genommen. 14 von ihnen hatten sich auf die Schienen gelegt, zwei hatten sich mit Röhren an den Schienen festgemacht, wie Greenpeace bestätigte. Der Zug sei gegen 12.15 Uhr zum Stehen gekommen, die Röhren seien mit einem Metallschneider durchtrennt worden.

    In der Ortschaft Metzingen im Kreis Lüchow-Dannenberg war die Polizei gestern abend erneut gegen Atomkraftgegner vorgegangen. Rund 150 Demonstranten hätten während eines Laternenumzugs die Bundesstraße 216 blockiert, sagte ein Polizeisprecher.Sie seien daraufhin zur Seite gedrängt worden. Dem Sprecher zufolge warfen im Anschluß an die Räumung rund 20 teilweise vermummte Personen Feuerwerkskörper.
    (dapd/jW)

  • · Berichte

    »Wir wollen eine Energierevolution«

    Interview: Claudia Wangerin
    kuminaidoo.jpg

    Greenpeace-Geschäftsführer Naidoo lobt deutsche Anti-Atombewegung.

    Kumi Naidoo ist Geschäftsführer von Greenpeace International und nimmt im Wendland an den Protesten gegen den Atommüll-transport nach Gorleben teil.

    Willkommen in Deutschland. Welchen Eindruck haben Sie von der Anti-Atombewegung hier?

    Ich bin sehr beeindruckt von ihren Aktivitäten – obwohl ich schon wußte, daß fast drei Viertel der Deutschen gegen Atomkraft sind. Der Protest hier ist gut organisiert und generationsübergreifend: Junge Leute, Familien, ältere Leute; und Bauern wie Gewerkschafter wehren sich gegen die Gefährdung ihrer Umwelt und Gesundheit. Die Stimmung ist gut; kämpferisch, aber friedlich. Das ist wirklich ermutigend.

    Sie kommen in Ihrer Funktion viel herum. Wie groß ist das Interesse an den Geschehnissen rund um den Atommülltransport nach Gorleben in anderen Ländern der Welt?

    Im Moment ist das Interesse sehr groß. Die Greenpeace-Familie blickt sowieso sehr aufmerksam ins Wendland, aber auch viele Medien tun das. Gestern war ich in Frankreich, wo der Castor-Transport startete. Auch dort war das Medienecho sehr groß. Es kann von den Regierungen nicht als lokale oder regionale Angelegenheit abgetan werden.

    Sie kommen aus Südafrika. Ihr Kontinent leidet am stärksten unter dem Klimawandel. Die Lobbyisten der Atomkraft bezeichnen diese als wichtige Brückentechnologie, die unverzichtbar sei, um das Schlimmste zu verhindern. Was ist Ihre Antwort?

    Investitionen in die Atomkraft sind keine Investitionen in die Zukunft oder gegen den Klimawandel, sondern sie behindern den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien. Wir dagegen wollen eine Energierevolution.

    Wie sehen das Durchschnittsmenschen in Südafrika? Informieren sie sich über energiepolitische Fragen, oder sind sie durch den täglichen Existenzkampf abgelenkt?

    Zunächst  mal dürfen wir nicht vergessen, daß 1,6 Milliarden Menschen auf diesem Planeten gar keinen Zugang zur Energieversorgung haben. Für sie hat es natürlich Priorität, diesen Zugang zu bekommen. Sie haben ja oft auch kein sauberes Wasser und müssen es abkochen, damit ihre Kinder nicht krank werden. Wir reden also über Infrastruktur, die sowieso erst geschaffen werden muß. Warum also auf eine veraltete Risikotechnologie zurückgreifen? Atomkraft ist keine Lösung, um diese Menschen schnell, sicher und billig mit Energie zu versorgen. Die Lösung sind erneuerbare Energien. Gerade Afrika hat ein riesiges Potential an Wind- und Solarenergie. Wenn wir dieses Potenzial konsequent nutzen, haben wir auch das Arbeitsplatzargument auf unserer Seite. Und auf Dauer können die Menschen so schneller, sicherer, sauberer und billiger mit Energie versorgt werden.

  • · Nachrichten

    Castor-Zug wird möglicherweise umgeleitet

    Straßbourg. Der Zug mit den Castor-Behältern könnte wegen der massiven Gleisblockade kurz hinter der deutsch-französischen Grenze beim rheinland-pfälzischen Berg möglicherweise umgeleitet werden. »Das ist nicht auszuschließen«, sagte ein Polizeisprecher heute Mittag der Nachrichtenagentur AFP. Über eine Räumung der Gleise bei Berg, wo etwa 1 000 Kernkraftgegner das Bahngleis blockieren, sei noch nicht entschieden worden. Der Zug, der zunächst weiterhin auf französischer Seite der Grenze nahe Straßburg in der Ortschaft Hausbergen stand, könnte statt wie geplant bei Lauterbourg und Berg auch über die Rheinbrücke zwischen Straßbourg und Kehl nach Deutschland fahren.
    (AFP/jW)

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    600 Trecker unterwegs zur Kundgebung

    Dannenberg. Mit prominenter Unterstützung bewegt sich zur Zeit ein Protestzug aus hunderten Treckern zur Großkundgebung gegen die Castor-Transporte im niedersächsischen Dannenberg. An dem in Klein-Gusborn gestarteten Demonstrationszug beteiligten sich rund 600 Trecker, sagte der Sprecher der Bäuerlichen Notgemeinschaft, Carsten Niemann. Die Bauern aus der Region würden von Landwirten aus anderen Teilen Niedersachsens sowie aus Schleswig-Holstein unterstützt. An dem Protestzug der Bäuerlichen Notgemeinschaft beteiligten sich zudem Prominente aus Politik und Kultur: u. a. die Moderatorin und Autorin Charlotte Roche, Bela B von der Punkgruppe »Die Ärzte«, Grünen-Chefin Claudia Roth und der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi.
    (AFP/jW)

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    Im Südwesten: 650 Demonstranten auf den Gleisen

    Berg. Etwa 650 Atomkraftgegner haben die Polizeiblockade überwunden und sind auf die Gleise der Bahnstrecke zwischen Lauterbourg und dem rheinland-pfälzischen Berg gelangt. Nach wie vor begeben sich weitere Demonstranten auf die Gleise zwischen dem Bahnhof in Berg und dem Bootshaus. Nach neuesten Schätzungen wird erwartet, daß der aus Frankreich kommende Atomzug gegen 12.30 Uhr die deutsche Grenze passieren wird.
    (jW)

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    Atomkraftgegner sitzen am Bahnhof fest

    André Lenthe
    Mehrere Tausend Atomkraftgegner, die an der Großdemonstration gegen den Castor-Transport in Splietau bei Dannenberg teilnehmen wollen, sitzen zur Zeit am Bahnhof in Lüneburg fest. Grund ist der schlecht organisierte Schienenersatzverkehr: Nur zwei Busse stehen zur Verfügung, während die Schiene für den Atommülltransport gesperrt ist. Während die Polizei das Entfernen von Schottersteinen aus dem Gleisbett als Sabotage bezeichnet, fühlen sich die Umweltschützer bei der Ausübung ihres Demonstrationsrechts sabotiert.

    Obwohl absehbar ist, daß nicht alle pünktlich um 13 Uhr ankommen werden, rechnen die Veranstalter inzwischen mit bis zu 40 000 Teilnehmern. Über 400 Reisebusse aus dem gesamten Bundesgebiet sowie dem europäischen Ausland sind demnach unterwegs nach Dannenberg.

    Der Sonderzug mit den Castorbehältern befand sich nach jW-Informationen um 11:30 Uhr kurz vor Strasbourg. Süddeutsche Atomkraftgegner hoffen unterdessen, den Transport noch einmal aufhalten zu können.