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Buchmesse Havanna 2010

Buchmesse Havanna 2010

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    Die Macht der Dose

    Christof Meueler

    Jürgen Trittin hat Kuba noch nicht erreicht. Die Macht der Blechdose ist ungebrochen. Bier und Limonade werden aus Dosen ausgeschenkt. Auf der Buchmesse warten sie in großen Bottichen auf Nachfrage. Das Kühlwasser sieht so aus, als würde man gerade Tapetenkleister mit Schneematsch anrühren. Grundlage sind Eisblöcke, die jeden Morgen neben den Ständen angeliefert und dann in den Bottichen zerschlagen werden. Wie ist der Geschmack? Die normale Limonade lala, die Cola angenehm, weil sie nicht so sooo süß ist und das Bier ist sehr gut – was man bekanntlich von sehr wenigen Ländern behaupten kann. Allerdings ist die bekannteste Sorte, "Bucanero", auch die langweiligste, weil geschmacklich sehr dezent. Obwohl es über ein kerniges Piraten-Outfit verfügt, geht in Richtung Brause. Besser ist das „Crystal", es hat mehr Kraft. Manche sagen, das „Crystal" sei das Bier für die Frauen. Und angeblich suchen die sich in Kuba ihre Männer aus. Die sitzen dann brav rum und halten sie am „Bucanero" fest und auch wen sie größten Machos sein mögen, freuen sie sich über den guten Geschmack der Frauen. „Crystal" und „Bucanero" kann man für CUC kaufen, sie sind in jedem Restaurant für Touristen erhältlich. Auf der Buchmesse gibt es „Cacique" und „Mayabe" für normale Peso. Beide sind sehr bierig und sehr wenig limonadig, also sehr lecker. Dagegen schmeckt das „Bucanero" wie ein beliebiges Bier aus der Dortmunder Unionsbrauerei. Tatsächlich werden alle kubanischen Biere in einer Provinz gebraut: Holguín im Südosten. Zeitweise hat die DDR bei der Herstellung geholfen. Das berühmte deutsche Reinheitsgebot ist also bis heute glücklich eingedost. Anders als beim Dortmunder Einheitsbier in diversen Verpackungen ist bei der sehr übersichtlichen Zahl von kubanischen Biermarken eine Differenzierung drin, die man schmeckt.

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    Ten years after

    Marion Leonhardt
    Michael Delgado Jardines
    Michael Delgado Jardines

    25 Jahre jung ist Michael Delgado Jardines. Der Deutschstudent unterstützt uns tatkräftig als Dolmetscher auf der Messe. Einer, der vielseitig interessiert ist und die Dinge hinterfragt. Einer, der sein Deutsch- und Französischstudium ebenso ernst nimmt wie seine Übersetzeraufgaben bei uns. Und wie für viele kubanischen Jugendliche ist Spaß ein wichtiger Faktor für ihn, das Einlassen auf das Hier und Jetzt.

    Wo sieht er sich in 10 Jahren? Wie lebt er dann? Was erwartet er von seiner Zukunft? Erstaunlich klare Vorstellungen hat er da. Heiraten möchte er auf keinen Fall, was ihm gewiß die Zustimmung seiner bundesdeutschen Altersgenossen einbringen würde. Aber zwei oder drei Kinder hätte er gern mit seiner österreichischen Freundin. Viel Zeit möchte er mit den Kindern verbringen und sich intensiv um sie kümmern. Deswegen will er dieses Projekt auch erst später angehen, wenn er beruflich Fuß gefasst hat und mehr Lebensreife besitzt. Die vermisst er oft bei jungen Leuten, die zu früh Eltern werden. Er jedenfalls möchte erst Fuß fassen. Konkrete Pläne gibt es da.

    Die Liebe zu Sprachen ist bestimmendes Element seiner beruflichen Zukunft. Eine Tätigkeit als Dolmetscher und Betreiber einer Sprachenschule sieht er für sich. Da kann er sein organisatorisches Talent ausleben. Und die Inhalte müssen stimmen, Geschichte und Naturwissenschaften sind seine Spezialgebiete. Aber auch das Team ist wichtig, die Chemie unter den Kollegen muss passen. Und das Leben außerhalb der Arbeit? Sport, Sport und nochmals Sport. Leichtathletik, Fußball und die Dokumentation aller wichtigen Fußballergebnisse – auch die der deutschen Bundesliga. Ach ja, auch Reisen sieht der Sprachbegabte als Teil seines Erwachsenenlebens. Brasilien, Niederlande und die Schweiz sind anvisierte Reiseziele. Und vielleicht lebt man auch eine Zeit lang in der österreichischen Heimat der Freundin.

    Zukunftsangst? Nein, nicht wirklich. Vor Ende des Studiums vielleicht ein wenig vor dem beruflichen Scheitern. Aber ansonsten strahlt Michael mit der Sonne, die uns heute wärmt, um die Wette. Wünschen wir ihm, dass seine Träume sich erfüllen und er und seine Gesellschaft, in der er lebt, ihren Weg ungehindert gehen können.

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    Pfeifen und klopfen

    Christof Meueler

    In Kuba wird grundsätzlich gepfiffen. Nicht auf zwei Fingern, sondern durch die Zähne. Wenn jemand im Weg ist, wenn jemand herkommen soll, wenn jemand die Schrittrichtung ändern soll oder wenn man jemanden warnt, damit er nicht vor das nächstbeste Auto laufen soll. Polizisten pfeifen und schütteln den Kopf. Kellner pfeifen und weisen auf den freien Tisch. An der Haltestelle wird gepfiffen, wenn der nächste Bus kommt. Die Pfeifsprache beherrschen Männer und Frauen gleichermaßen. Und zur allgemeinen Pfeif-Steigerung verfügen viele Autos über eine spezielle Sirenenhupe, klingt wie das Tröten der Fußballfans ims Stadion. Geseufzt wird dagegen, wenn man beim Dominospiel keinen Stein mit passender Zahl hat. Und dann wird kurz auf den Tisch geklopft. Auf die Mitspieler wirkt das wie ein guter Witz. Sie freuen sich wie über ein ganz besonderes Kompliment.

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    Habana Vieja - Soziale Stadtentwicklung statt Gentrifizierung

    Marion Leonhardt
    Eusebio Leal
    Eusebio Leal und Tobias Kriele

    Wir sind noch damit beschäftigt, den großzügigen Innenhof des im 17. Jahrhundert erbauten Herrenhauses zu bestaunen und das große Wohnzimmer mit der meterhohen Decke und dem glanzvollen Interieur zu bewundern, als Eusbio Leal Spengler den Raum betritt.

    Nun kommt doch so etwas wie ein wenig Ehrfurcht und Respekt bei uns auf, als der Stadthistoriker von Havanna und Vater eines weltweit wohl einmaligen Sanierungsprojektes vor uns steht. Ruhig, kompetent und selbstbewußt erläutert er uns die Dimensionen dieses Vorhabens. Es gilt zur Zeit in 104 Restaurationsprojekten für circa 70.000 Menschen sanierten Wohnraum zu schaffen. Nicht weniger als 400 Architekten und 3000 Handwerker arbeiten daran.

    Das Ganze findet unter Beteiligung der Bewohner statt.Sie planen mit und sie bauen mit. Denn es sind ihre Wohnungen. Sie sollen sich auch nach der Sanierung darin wohlfühlen. Nicht alle werden wieder dort einziehen können. Aber nicht erhöhte Mieten aufgrund von Wohnungsspekulation, unweigerlicher Begleiter solcher Projekte bei uns, sind die Ursache. Havanna ist aufgrund der Landflucht, insbesondere in der periodo especial, völlig überbevölkert. Hier soll Abhilfe durch den Umzug einiger in einen neuen Stadtteil ins nahe Fischerdorf Cohimar geschaffen werden. Nicht administrativ, sondern im Dialog mit den Bewohnern der Altstadt.

    Auch wenn Habana Vieja eine der architektonisch herausragensten Altstädte weltweit ist, ist sie alles andere als ein Museum. Sie hat auch eigene Zeitung,einen eigenen Radiosender, eine Website und einen universitären Fachbereich für Restaurierung.

    Wir hätten noch stundenlang Eusebio zuhören und noch unzählige Fragen stellen können. Doch dann ist die Zeit dieses vielbeschäftigten Mannes mit uns zu Ende. Bevor er aber zum nächsten Termin aufbricht, verrät er uns doch noch eine kleine Schwäche: Weißwürste sind sein Lieblingsgericht. Eine Vorliebe, die er von seinen deutsch-schweizer Vorfahren hat. Das macht diese herausragende Persönlichkeit sehr menschlich. Wir haben für den nächsten Besuch ein paar Dosen Weißwürste als Gastgeschenk im Gepäck eingeplant.

    Ein Bericht über die Sanierung der Altstadt von Havanna erscheint in Kürze in der jungen Welt

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    Is Leon Trotsky still alive?

    Christof Meueler

    Neben den kubanischen Genossen (Parteiverlag, Militärverlag, Jugendverlag) sind die Trotzkisten die einzige offensiv erkennbare parteipolitische Kraft auf der Buchmesse. Als wollten sie den berühmten Scherz über sich (Treffen sich zwei Trotzkisten, bilden sie drei Parteien) eins zu eins nachbilden, sind sie selbstmurmelnd bis in alle Unübersichtlichkeit ausdifferenziert. Es gibt eine Revolutionär-Marxistische Strömung in der PSUV aus Venezuela, die "Pathfinder"-Gruppe aus den USA ("don't call us trotzkists, we're communists") oder die Posadisten aus Brüssel. Historisch leben all diese Gruppierungen von ihren Differenzen mit der früheren UdSSR, bzw. von ihren Differenzen untereinander über diese Differenzen. Beim Buchmessen-Gastland Rußland, sozusagen dem Nachfolgestaat der ruhmreichen Sowjetunion, geht es großzügiger zu. Bei den Austellern im "russischen Pavillion" findet man Stalinverherrlichung direkt neben Gulag-Dokumentationen, einen Ziegelstein über den KGB oder Ikonographien zu Jelzin-Putin-Medwedew (Gorbatschow gilt als verschollen). Also fast alles, was man braucht auf einmal. Bewegender sind aber die Trotzkisten in all ihrem historischen Dabeiseinwollen. Als ein Offizier der kubanischen Armee vor dem Stand der Posadisten stehen bleibt, reckt eine ältere englische Frau als ständige Vertretung einer politischen Idee und einzige Aktivistin am Stand in Personalunion, die Faust und ruft: "We support you, cuban forces of the revolution!" Der Soldat ist etwas überrascht und freut sich mit.
     

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    Kunst in Havanna

    Katja Boll und Katja Klüßendorf
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    Unter den zahlreichen Buchtiteln, die wir mit im Gepäck nach Havanna hatten, befindet sich auch der wunderschöne Bildband "Cubabrasil" (From here to Fame Publishing). Es enthält Fotos von farbprächtigen Grafittis. Neben den Verkaufsexemplaren haben wir für die beteiligten kubanischen Künstler ebenfalls welche dabei. Sie kommen sich diese direkt hier bei uns am Stand abholen.

    Heute morgen kam zum Beispiel Nivia Herrera López. Aber nicht nur wegen ihres persönlichen Exemplars, sondern um sich mit Bildern und Grafiken der Künstlergruppe bei uns für das Mitbringen zu bedanken. Wie es manchmal der Zufall so will: Auf dem Titelbild einer Cuba Libre-Ausgabe (02/09) entdeckt sie das von ihr mitgestaltete Wandbild ("muralla"), das auf Leinwand reproduziert und bei Veranstaltungen der Solidaritätsbewegung in Deutschland vergangenen Sommer rumgekommen ist. Nivia ist sehr stolz.

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    "Nastrowje!"

    Katja Boll und Katja Klüßendorf
    "Nastrowje!"


    Rußland ist in diesem Jahr Ehrengastland auf der Feria. Die russische Delegation soll mit mehr als 200 Leuten in Havanna angereist sein. Wahrscheinlich ist das einer der Gründe, warum wir beim täglichen Verteilen der edición especial vom kubanischen Publikum nach Matroschkas gefragt werden. Oder man begrüßt uns mit "Druschba!" und sagt brav "spaciba", wenn sie die junge Welt in die Hände bekommen. "De Rusia?" - "Aus Rußland?", werden wir beiden Katjas regelmäßig angesprochen. Wir streiten natürlich jede Ähnlichkeit vehement ab. Obwohl der Rum, der Wodka Kubas, schmeckt auch uns sehr gut.

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    Halbzeit in Havanna

    Marion Leonhardt

    Heute ist also Bergfest auf der Buchmesse. In der Gewißheit, Schnee und Eis hinter uns zu lassen, waren wir Richtung Sonneninsel gestartet. Doch die Klimakatastrophe macht selbst vorm Sozialismus nicht halt und beschert uns ungewohnt kühle Winde. Was uns aber nicht abhält, abends nach der Messe gemütlich in der Altstadt einen Mojito zu schlürfen und dem bunten Treiben zuzusehen. Der Malecon, ein alter Bekannter und vertrautes Wahrzeichen von Havanna, irritiert mit mit einem neuen Kleid. Die Mauer ist abgesenkt worden und der Gehweg neu betoniert.Beides nach einem neuen Verfahren, das mit einer bundesdeutschen Firma entwickelt wurde. So soll die Hafenmauer den Gezeiten trotzen. Gut so. Schließlich sichert nur Veränderung das Weiterbestehen. Auch das Warenangebot, sowohl in den Läden als auch auf der Cabana, hat sich erweitert. Für uns, die wir das letzte mal vor einem Jahr hier waren, sind diese Veränderungen deutlich wahrnehmbar. Einigen kubanischen Jugendlichen, mit denen wir ins Gespräch kommen, geht das noch nicht schnell genug. Das ist das Vorrecht der Jugend. Diskutiert wird gerne und leidenschaftlich, ob auf der Messe oder in der „Speakers Corner“ im Parque Central. Es gibt aber auch Vertrautes und Vertraute. Die Kugel Eis von der Coppelia, der wohl berühmtesten Eisdiele Kubas, ist ein Hochgenuß und gehört wie immer zu einem Messenachmittag dazu. Einige Besucher kommen jedes Jahr an unseren Stand und sind inzwischen gute alte Bekannte. So etwa der chinesische Student, der sein beim Gespräch im letzten Jahr erworbenes Wissen über die deutsche Zeitungslandschaft updaten möchte, der kubanische Schriftsteller Carlos Fuentes, mit dem es ein herzliches Wiedersehen gibt und die freundschaftliche Begegnung mit Aleida Guevarra und Graciela Ramirez vom Internationalen Komitee zur Befreiung der Fünf.

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    "Alle sind in Miami - nur ich nicht"

    Berthold Wahlich
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    Dora Luisa Robau Shelton auf der Buchmesse Havanna im Gespräch mit Berthold Wahlich

    Dora Luisa Robau Shelton ist Professorin für spanische Sprache an der Universiät von Havanna

    Dora, du bist 1937 in Havanna geboren – und heute die letzte Vertreterin deiner Familie in Kuba. Alle anderen Familienmitglieder haben Kuba nach der Revolution verlassen? Warum bist du hier geblieben?

    Ich komme aus der alten kubanischen Bourgeoisie. Mein Vater war Verwalter von mehreren Zuckerrohrplantagen. Ein Onkel von mir war Arzt, ein anderer Onkel Wirtschaftswissenschaftler, einer Vizepräsident von Ford Kuba. Meine Mutter und meine Tanten waren Hausfrauen ohne für den Haushalt zuständig zu sein, denn wir hatten Köche, Hausangestellte und Diener für alle Gelegenheiten. 1959 habe ich an der Universität von Havanna Philosophie und Sprachwissenschaften studiert und hatte und nach dem Sieg der Revolution hatte ich keinerlei politische Nachteile. Nach meinem Magister habe ich an der Alphabetisierungskampagne in Kuba teilgenommen. Außerhalb der Oberschicht konnte fast niemand lesen und schreiben.

    Gleichzeitig hast du einen sehr berühmten Vorfahren. Dein Großvater väterlicherseits war der Brigadegeneral José Luis Robau Lopez, der im kubanischen Befreiungskampf gegen die Spanier eine wichtige Rolle spielte.

    Exakt. Mein Großvater leitete in der heutigen Nordprovinz Santa Clara den Aufstand. Er war Kind spanischer Einwanderer aus Katalonien. Meine Vorfahren waren sehr reich. Sie besaßen mehrere Zuckerrohrplantagen mit vielen Sklaven. Mein Großvater wurde 1870 geboren. Als er Medizin studierte, schloß er sich 1895 mit 40 anderen jungen Leuten dem bewaffneten Befreiungskampf unter José Marti an. Interessanterweise waren das nicht nur Angehörige aus der Oberschicht, sondern auch viele Sklaven. Aufgrund seiner militärischen Verdienste ernannte ihn Maximo Gomez, der Oberbefehlshaber der Befreiungsarmee, 1897 zum Brigadegeneral. 1899 waren die Spanier besiegt. Dann kamen allerdings die US-Amerikaner, die Kuba besetzten. 1902 wurde Kuba unabhängig, José Luis Robau wurde in die verfassungsgebende Versammlung gewählt und hatte sich dort vor allem mit Orvil H. Platt, dem US-Vertreter, auseinanderzusetzen. Von 31 Delegierten in der Versammlung stimmten nur drei gegen Platt, darunter auch mein Großvater. Im Ergebnis bekam die kubanische Verfassung einen Zusatz, der den USA jederzeit das Recht einräumte, auf der Insel nach Gutdünken zu intervenieren. Von diesem exterritorialem Sonderrecht ist heute noch der Guantanamo-Stützpunkt übriggeblieben. Vor der konstituierenden Versammlung hielt mein Großvater eine berühmte Rede, in der er begründete, warum er diese Sonderrechte niemals akzeptieren würde. Er sei in diese Versammlung gewählt worden, sagte er, weil er für die Unabhängigkeit und Freiheit Kubas sein Leben aufs Spiel gesetzt habe – und nicht dafür, den Ausverkauf kubanischer Interessen zu betreiben. Sein Geburtshaus in Sagua la Grande ist heute ein Museum und mir wurde die besondere Ehre zu teil, im dortigen Park mehrere Bäume zur Erinnerung an meinen Großvater zu pflanzen.

    In Kuba kann man mit 60 in Rente gehen. Trotzdem arbeitest du immer noch.

    Ich mache mich gerne nützlich. Die Universität braucht erfahrene Professoren. Seit 1977 bilde ich an der Hochschule Lehrer für spanische Sprache und Literatur aus.

    Und in Miami bist du noch nie gewesen?

    Doch. Ich habe meine Familie insgesamt viermal besucht, aber es würde mir nie einfallen, dort länger zu bleiben, denn Kuba braucht mich und ich brauche Kuba.


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    Hochrangig

    Katja Boll
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    Manuel Montero (Internationale Abteilung des CTC)


    Wir haben einen vollen Terminkalender in Havanna. Sind ja auch nicht zum Urlaub hier. Gestern wurden wir beim Kubanischen Gewerkschaftsdachverband (CTC) in der San Carlos y Penalver in Centro Habana hochrangig empfangen, darunter Ernesto Freire (Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen). Hoffentlich hatte die andere Seite nicht nur eine "einfache" Gewerkschaftssekretärin erwartet. Andererseits berichtete sogar Radio Havanna ausführlich über den Besuch der deutschen Delegation beim CTC.

    Der CTC pflegt bereits gute Kontakte zu ver.di Berlin und zur IG Metall, wünscht sich aber, diese über Berlin hinaus auszuweiten. Zum Internationalen Arbeiterkampftag, den 1. Mai, wird auch schon eine Delegation von ver.di Berlin in Havanna erwartet.

    Arbeitslosigkeit, Mindestlohn, Weltwirtschaftskrise - Gesprächsstoff und Austauschbedarf gab es genügend. Nicht nur an diesem Tag, sondern hoffentlich auch zukünftig noch mehr.

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    Johannes von Gott

    Katja Boll und Katja Klüßendorf
    Juan de Dios Rodríguez
    Juan de Dios Rodríguez


    "Ich heiße Johannes von Gott", grinst uns ein älterer charmanter Kubaner ins Gesicht. Er spricht gut deutsch. Wir haben soeben begonnen, den ersten Stapel der edición especial der jungen Welt an diesem Mittwoch Morgen zu verteilen und sind schon in unserem ersten interessanten Gespräch verwickelt.

    "Wie heißen Sie denn wirklich?", fragen wir baff zurück. Vor uns steht Juan de Dios Rodríguez aus Altos (Havanna). Es war im Jahr 1961, als er in Berlin war. Da gab es weder uns - noch die Mauer. Juan kramt in seiner kleinen Tasche und holt ein altes Foto hervor. Auf diesem ein attraktiver junger Kubaner vor dem Brandenburger Tor. Juan ist trotz der vielen Jahre sofort wiederzuerkennen. Das wollten wir unbedingt auf einem Foto festhalten.

    Juan ist nur einer von zahlreichen Kubanern, die bewußt unseren Stand auf der Feria del Libro aufsuchen und die Gelegenheit nutzen, um mal wieder deutsch zu sprechen und ihre Erinnerungen zu teilen. Und natürlich fragen sie neugierig nach, wie es sich heute in Deutschland leben läßt. Dafür sind wir ja hier.

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    Schlafende Hunde und bellende Europäer

    Christof Meueler

    Die europäsiche Unsitte, den angeblich besten Freund des Menschen in der Stadt zu quälen, um Passanten zu beeindrucken ("der will nur spielen") und vorallem die Bürgersteige vollkacken zu lassen, ist in Havanna unbekannt. Hunde sieht man äußerst selten und wenn, dann fallen sie gar nicht auf: Ab und an befindet sich auf dem Bürgersteig oder mitten auf einem Markplatz eine Art Päckchen, das sich bei genauerem Hinsehen als Hund herausstellt: zusammengerollt und schlafend. Und sei es drumherum noch so laut und lebendig. Friedliche, schlafende Hunde - eine Errungenschaft der kubanischen Revolution. Bellen tun hier nur die jWler, binnen einer Woche hat sich unter ihnen ein gellender Husten ausgebreitet. Man kriegt keine Luft und alle machen mit. Wer will, zündet sich zur Steigerung noch eine kubanische Zigarette an. Hust, hust - mit Nikotin- und Kondensatwerten wie vor 20 Jahren. Zum Glück darf man hier überall rauchen. Nichtraucherschilder haben noch keine Macht über die Menschen.

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    Kinder, Künstler und Kulturelles

    André Scheer
    Heiß begehrt
    Heiß begehrt: die junge Welt in spanischer Sprache

    Zehntausende Menschen bevölkerten auch am Sonntag die historische Festung von Havanna, und auch heute morgen - am Montag - strömen wieder Tausende über die Brücken, vorbei an den Wachsoldaten in historischen Uniformen und versorgt mit dem jeden Morgen frisch verteilten Tagesprogramm, um bei den unzähligen Lesungen, Gesprächen, Diskussionsveranstaltungen und Preisverleihungen nicht den Überblick zu verlieren. Einen Eindruck vom Trubel vermitteln die Fotos von Daniel Hager, die es mit einem Klick hier zu sehen gibt.

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    Notdurft verbindet

    Katja Boll und Claudia Schröppel
    Warteschlange vor dem Damenklo
    Langes Vergnügen: Notdurft

    Wenn es eines gibt, was in Kuba genau das selbe ist, wie in Deutschland, dann ist dies die Schlange vor dem Damenklo bei Großereignissen. Diese ist auf der Messe selbstverständlich auch besonders ausgeprägt. Wer also von uns nur daran denkt, in der nächsten Stunde die Toilette aufsuchen zu wollen, sollte sich sofort mit Sonnencreme einreiben, genügend Papiertaschentücher einstecken und sich rasch auf den Weg machen, denn es kann durchaus sein, dass es mehr als eine halbe Stunde dauert, bis man die Erlösungshalle endlich betreten kann.

    Die Schlange auf dem Herrenklo ist selbstverständlich wie immer viel kürzer. Gelegentlich kommt es auch vor, dass sich ein »Mitglied« in die Wartereihe der Damen einreiht, ebensolange wie diese ausharrt und dann von der zuvorkommend lächelnden Servicekraft erst am Eingang darauf hingewiesen wird, daß er doch bitte das erheblich weniger frequentierte Herrenklo nebenan aufsuchen soll. Die wartenden Frauen freut das natürlich besonders. Wieder 30 Sekunden weniger Wartezeit.

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    Tausende stürmen die Bücher-Festung

    Claudia Schröppel
    Kinder auf der Buchmesse
    Die Internationale Buchmesse ist ein Kinderfest

    Bereits nach den ersten beiden Messetagen können die Veranstalter der 19. Internationalen Buchmesse in Havanna trotz für kubanische Verhältnisse bitterkalter Witterung (23 Grad Celsius) mehr als 132.000 Besucher auf der Cabaña vermelden, 50.000 weitere haben die Bücherläden der Stadt Havanna, die ebenfalls an der Buchmesse teilnehmen, besucht.

    Überall sind glückliche Kinder zu sehen, die sich von ihren Omas ihr neues Buch vorlesen lassen. An den Wegesrändern und unter den Palmen sitzen Pärchen tief versunken in ihre neuen Lektüre. Bislang wurden bereits 250.000 Bücher verkauft, vermeldeten die Organisatoren der Messe stolz bei ihrer täglichen Pressekonferenz. 

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    Wir sammeln Unterschriften

    André Scheer
    Aleyda Guevara
    Aleyda Guevara trägt sich am Stand des Berliner Büros Buchmesse Havanna ein

    Allmählich wächst die Sammlung prominenter Unterschriften auf der Wand am Eingang unserer Ausstellung in Havanna. Neben unseren eigenen Namenszügen bitten wir regelmäßig besondere Gäste, sich ebenfalls zu verewigen. Heute konnten wir am Stand auch Aleyda Guevara begrüßen, die zusammen mit einer Delegation von Parlamentariern aus der Schweiz die Buchmesse besuchte und auch bei uns Station machte. Natürlich ließ sich Aleyda nicht lange bitten, ihren Namen zu hinterlassen, zumal einige von uns der kubanischen Kinderärztin von früheren Besuchen in Deutschland her noch in Erinnerung geblieben waren.

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    Gysi war da

    André Scheer
    Gregor Gysi
    Gregor Gysi am Stand des Berliner Büros Buchmesse Havanna

    Als einen weiteren Gast konnte das Berliner Büro Buchmesse Havanna heute auch den Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, begrüßen. Der Politiker machte bei seinem Besuch der Buchmesse auch einen Abstecher an unseren Stand.

    Gysi erinnerte daran, daß die Initiative des Berliner Büros eine direkte Antwort auf den Boykott der Buchmesse Havanna 2004 durch die damalige Bundesregierung gewesen war. Dieser Boykott zeigte das wahre Gesicht des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, der zu Beginn seiner Amtszeit noch angekündigt hatte, auch Kuba besuchen zu wollen. Die kubanische Seite hatte bereits damals auf diese Ankündigung zurückhaltend reagiert - mit Recht, wie sich bald zeigte.

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    Trubel auf der Cabaña

    André Scheer
    Blick von der Festung
    Der Blick auf Havanna ist einzigartig

    Zehntausende Kinder bevölkern die altehrwürdige Kolonialfestung La Cabaña, die hoch über Havanna thront. Zusammen mit ihren Eltern stürmen sie die unzähligen Stände, an denen Kinderbücher angeboten werden. Aber auch Liebhaber anderer Literatur kommen auf ihre Kosten.

    Beeindruckend die Halle des Gastlandes Rußland. Die Präsentation der russischen Gäste konzentriert sich auf den 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Kuba, sowie auf den 65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Eine Sonderausstellung ist den Kubanern gewidmet, die in den Reihen der Roten Armee gegen Hitlerdeutschland gekämpft haben. Dazu kommen historische Plakate, die die Freundschaft zwischen der Sowjetunion und Kuba hochhalten, sowie großformatige Fotos von kubanisch-sowjetischen Bewegungen, so von Treffen Raúl und Fidel Castros mit sowjetischen Staatschefs oder ein Foto, das Che Guevara mit Juri Gagarin, dem ersten Menschen im All, zeigt.

    Guter Betrieb auch am Stand des Berliner Büros Buchmesse Havanna, an dem junge Welt, mehrere linke Verlage und Cuba-Soligruppen ihre Produkte vorstellen. Guten Absatz finden die Werbeplakate der jungen Welt, die für fünf Pesos Cubanos ihre Abnehmer finden. Besonderen Anklang bei den kulturinteressierten Kubanern finden auch die Bilder von Thomas J. Richter, die unseren Stand schmücken und ihm ein Aussehen geben, das sich wunderbar von den manchmal etwas sehr traditionell gestalteten Messeständen etwa der Frankfurter Buchmesse abhebt.

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    Wir sind da!

    Andre Scheer

    Das Wichtigste vorweg: Die gesamte Delegation ist gut in Havanna angekommen, und sogar das Gepäck kam vollständig in Kuba an. Nach dem zehnstündigen Flug erreichten wir am Montag geschafft, aber zufrieden Havanna, wo uns ab Donnerstag die Internationale Buchmesse erwartet.

    Am Dienstag standen bereits die ersten inhaltlich wichtigen Punkte auf unserem Programm. Mit Compañeros des Kubanischen Instituts für Vökerfreundschaft (ICAP) gingen wir unser umfangreiches Programm durch, das neben der Absicherung des Stands des Büros Buchmesse vorgesehen ist. Dazu gehören neben den Lesungen deutscher Autorinnen und Autoren vor allem Gesprächstermine mit Vertretern kubanischer Organisationen und Medien sowie mit interessanten Persönlichkeiten des kubanischen Lebens. Die Leserinnen und Leser der Tageszeitung junge Welt werden die Ergebnisse dieser Treffen natürlich aus erster Hand mitbekommen: Hier im Blog und natürlich im Blatt selbst.

    Momentan sind wir allerdings Internet-technisch noch ein wenig gehandicapt, deshalb können wir unsere Beiträge noch nicht so umfangreich und häufig wie wir wollen ins Netz stellen. Dies ist also erstmal nur ein erstes Lebenszeichen - live und direkt aus Havanna!

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    Abzocke

    André Scheer

    Wir sind angekommen. Trotz Verspätung des Zubringers von Berlin nach Amsterdam erreichten wir unsere Maschine nach Havanna noch. Eine Angestellte erwartete uns am Ausgang und begleitete uns direkt zum Gate, an dem unser Flieger nach Kuba wartete. Und noch ein bisschen länger wartete, denn die Grenzkontrollen bei der Ausreise aus der Europäischen Union und der nächste Sicherheitscheck dauerten ihre Weile. Im Flugzeug dann die Überraschung: Obwohl beim Einchecken behauptet worden war, der Flieger sei derart ausgebucht, dass es keine Plätze nebeneinander mehr gäbe und wird deshalb gänsemarschartig hintereinander aufgereiht sitzen müssten, gab es letztlich reihenweise freie Plätze. Selbstorganisation war also die Devise, und prompt ging, was vorher nicht gehen sollte.

    Zehn Stunden Flug sind anstrengend, selbst wenn die Maschine nicht voll besetzt ist, und deshalb kein so enges Gedränge herrscht. Nervig wird es aber, wenn ein Unternehmen wie „Martin Air“, das offenbar zur KLM/Air France-Gruppe gehört, sich bemüht, einen neuen Rekord in Abzocke ihrer Passagiere aufzustellen. Gleich zu Beginn wird allen „Gästen“ ein Umbuchen auf die „Comfort Class“ angeboten, für läppische 65 Euro. Dafür gibt es dann das „Unterhaltungsprogramm“ und kostenlos Wein und Bier, mehr nicht.

    In der Economy Class hingegen wird für jedes Glas Wein, für jedes Bierchen und selbst für ein kleines Tütchen Erdnüsse zur Kasse gebeten, mit 3,50 Euro schlägt ein Plastikbecher Rotwein zu Buche. Selbst das Unterhaltungsprogramm, der Standard so ziemlich jeder Fluggesellschaft, wird zur Abzocke der Passagiere genutzt. Wer nicht auf  winzigen Monitoren an der Kabinendecke mit gestörtem Bild „Tom und Jerry“ verfolgen möchte, kann sich zum Schnäppchenpreis von 12 Euro einen portablen DVD-Player leihen. Auf dem gibt es dann ein halbes Dutzend Filme bescheidener Qualität. Für nur 8 Euro mehr gibt es dann auch noch etwas Knabbergebäck und ein Nackenkissen dazu. Kapitalismus zum Abgewöhnen.

    Aber ich will nicht ungerecht sein. Kurz nach dem Start, also so etwa um 14 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, gab es bereits aufgewärmtes Essen: drei Bröckchen Huhn, versteckt unter einer undefinierbaren Soße, dazu ein kleines bisschen Reis. Eine Füllung für den hohlen Zahn. Schon acht Stunden später dann bereits das kulinarische Highlight, die freie Auswahl zwischen in Mayonnaise schwimmendem Käse oder etwas, das als Truthahnfleisch präsentiert wurde. Das ganze in zwei Scheiben malzgefärbtes Weißbrot gequetscht, fertig ist das Abendessen. Ehrlicher wäre gewesen, gleich gar kein Essen zu servieren und das vorher anzukündigen. Dann hätten wir uns wenigstens noch Stullen geschmiert.

    Also tief durchatmen, auf uns warten Kuba, 27 Grad, Sonnenschein, leckere Cocktails, die Atmosphäre einer seit mehr als einem halben Jahr unbesiegten Revolution und natürlich jede Menge Einsatz auf der Internationalen  Buchmessen.  Adelante, a pesar de todo!

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