Entführte Ärzte
Von Jakob ReimannDie israelischen Streitkräfte haben in Gaza ein weiteres »Blutbad« angerichtet: In der Nacht zum Sonntag bombardierten Kampfjets Beit Lahia im Norden der Küstenenklave und töteten dabei mindestens 40 Menschen. 80 weitere wurden verletzt, meldete WAFA unter Berufung auf Quellen vor Ort. Bei dem Angriff wurden fünf Wohnhäuser ins Visier genommen, »wobei viele der Toten und Verletzten Kinder, Frauen und ältere Menschen sind«. Weitere Tote werden unter den Trümmern vermutet, doch werden die Bergungsarbeiten durch israelische Truppen verhindert, die den Zugang zu dem Gebiet blockieren. Am Sonntag morgen seien außerdem »bei einer Reihe von israelischen Luftangriffen« auf das nahegelegene Flüchtlingslager Dschabalija 20 Zivilisten getötet und viele weitere verletzt worden, heißt es bei WAFA.
Zuvor hatten die palästinensischen Behörden am Sonnabend verkündet, dass das Indonesische Krankenhaus und das Kamal-Adwan-Hospital nach Wochen der Belagerung und tagelangen Angriffen nicht länger betriebsbereit seien, so WAFA. Am Donnerstag abend hatten israelische Truppen das Krankenhausgelände gestürmt. 44 der 70 Angestellten, bis auf zwei alle männlichen Pfleger und Ärzte, wurden »festgenommen«, berichtete CNN am Sonnabend über Vorgänge, die de facto einer Entführung von medizinischem Personal gleichkommen. Auch wenn einige der Entführten mittlerweile wieder frei sind, bleibt das Schicksal der anderen ungewiss. Sowohl »Ärzte ohne Grenzen« als auch die Weltgesundheitsorganisation meldeten, dass sie den Kontakt zu ihren Kollegen verloren hätten.
Im Zuge der Massenentführung seien zunächst Männer und Frauen getrennt worden, berichtet die Pflegerin Maisun Alian gegenüber Al-Dschasira. »Für unsere Männer war das erniedrigend, da sie sich ausziehen mussten«, sagte sie. Ein von Al-Dschasira veröffentlichtes Foto zeigt Dutzende bis auf die Boxershorts ausgezogene Männer. Auch der 18jährige Journalist und Aktivist Abdul Rahman Battah sei »entführt« worden. Mittlerweile wurde er wieder freigelassen. »Du wirst nicht nach Hause gehen. Ich werde dich hier begraben«, drohte ihm einer der Soldaten, der ihn aus seinen Videos erkannt habe, so Battah. Auch sei er von dem Soldaten geschlagen worden, berichtet der Journalist in einem Post auf Instagram, aus dem Middle East Eye zitiert. Die weiblichen Krankenhausangestellten seien »ohne Wasser und Nahrung« eingesperrt worden, teilten die Behörden in Gaza mit.
Neben Dutzenden Patienten beherbergte das Kamal Adwan auch rund 600 Geflüchtete, die sich aus anderen Teilen Nordgazas dorthin geflüchtet hatten. Nach der Stürmung des Geländes begannen »Merkava«-Panzer sogleich mit der Bombardierung der oberen Stockwerke; am frühen Freitag morgen wurde auch der Innenhof angegriffen. Bulldozer kamen und »zerstörten alles«, zitiert Al-Dschasira einen Patienten, darunter »die Zelte, in denen die Vertriebenen untergebracht waren«. Auch die Pharmazie, das Arzneilager sowie die Notaufnahme wurden zerstört – »sie durchlöcherten das Krankenhaus mit Kugeln«. Zuvor wurden die Generatoren zur Stromversorgung sowie die Sauerstoffstation angegriffen. Daraufhin seien auf der Intensivstation zwei Kinder gestorben, wie Middle East Eye berichtet. Seit Beginn der Belagerung und der Großoffensive gegen die Bevölkerung im Norden Gazas vor drei Wochen wurden knapp eintausend Menschen getötet.
Unterdessen verkündete US-Außenminister Antony Blinken bereits am Donnerstag, dass die Waffenstillstandsverhandlungen wiederaufgenommen würden. Israelische und US-Delegationen würden sich dafür »in den kommenden Tagen« in der katarischen Hauptstadt Doha einfinden, wie die Washington Post berichtete. Die emiratische Tageszeitung The National bestätigte, dass die Verhandlungen am Sonntag fortgesetzt wurden. Das tödliche Attentat auf den führenden Unterhändler der Hamas, Ismail Hanija, Ende Juli, die Tötung seines Nachfolgers Jahja Sinwar vor zwei Wochen und das Vorgehen im Norden Gazas werfen jedoch Zweifel an einem tatsächlichen Interesse des israelischen Regimes an Friedensverhandlungen auf.
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