Beef Jerky
Von Maxi WunderUdo sitzt vor einem Pappkarton voller Alutütchen und liest den beigefügten Zettel: »Das vorliegende Produkt enthält keine Kekse. Grund: Lieferengpass des Verpackungsmaterials.« Absender: Verpflegungsamt der Bundeswehr. »Was hast du denn mit dem Laden zu tun?« fragt Roswitha. »Haben sie dich eingezogen? Haha! Opas an die Front! …« Sie liest die Aufschrift auf der Schachtel: »›Einpersonenpackung – Individual Field Ration – Ration de combat individuelle – NATO approved.‹ Ist ja brav in allen Alliiertensprachen außer Russisch verfasst.« Von Udos Kontakten in die Welt des Militärs wussten wir bislang nichts, aber er hat wohl einen Westneffen bei der Bundeswehr. »Hat mir der Olli geschickt, mit Brief«, erzählt er. »›Hier, Onkel, das ist unsere Ration für zwei Tage, teil sie dir gut ein, du alter Gierschlund, das Beef Jerky fehlt, das habe ich mir genommen, der Rest hängt mir zum Hals raus.‹« – »Jetzt kriegen wir also wieder Westpakete, aber diesmal als Feldpost«, meint Rossi nicht mehr ganz so amüsiert. Das Beef Jerky heißt im Französischen Viande de boeuf séchée, zu deutsch Dörrfleisch:
Ein Kilogramm Rindfleisch in ein rechteckiges Stück schneiden. 30 g grobes Meersalz, einen TL Zucker, einen TL schwarzen Pfeffer (frisch gemahlen) und einen TL Kräuter der Provence mit 50 ml Rotwein und/oder Worcestersoße vermischen, eventuell etwas Essig. Das Fleisch damit großzügig einreiben und in eine Schale legen. Luftdicht abdecken und für 24 bis 48 Stunden im Kühlschrank marinieren lassen. Danach gründlich abspülen, um überschüssiges Salz zu entfernen, und mit einem sauberen Tuch trocknen. Mit Küchengarn umwickeln und an einem kühlen, trockenen, gut belüfteten Ort aufhängen. Das Fleisch ein bis zwei Wochen trocknen. Sobald es fest ist, in dünne Scheiben schneiden und servieren.
Ja, die Einschläge kommen näher. Dabei könnten die Tüten und Näpfchen des Bundeswehr-Kartons auch aus einem Lunchpaket für gesundheitsbewusste Flugreisende stammen: Chili sin Carne, Maultaschen in Tomatensoße, Roggenschrotbrot, vegetarische Brotaufstriche – alles einzeln portioniert verpackt. Und Süßkram: Schokomüsli, Energieriegel, Fruchtdessert Apfel-Aprikose. Bis auf die Zuckermengen weitgehend giftfrei. »Wasserentkeimungstabletten, Chlor 17 mg NaDCC – für den feldmäßigen Einsatz. Nicht einnehmen!« Rossi hält ein briefmarkengroßes Minicouvert in der Hand. »Wollt’ ich immer mal haben! Wisst ihr, wenn die Wasserwerke zerbombt sind, und wir müssen Wasser aus der Weißen Elster nehmen und können es nicht abkochen, weil Stromausfall ist, weil Krieg ist, dann könnten wir …« – »Aufhören! Rossi, ich will verdrängen!« Ich flippe aus, mir reicht schon diese angekündigte »Bunker-App«. Neffe Olli, der kürzlich seine Entlassung aus der Armee beantragt hat, schreibt, die Konserven würden häufig weggeschmissen oder an Soldaten anderer NATO-Länder wie Lettland, Estland oder Polen verschenkt, weil deren Campingfutter noch schlechter ist. »Was hat denn deinen Neffen dazu bewegt, Berufssoldat zu werden?« will ich von Udo wissen. »Seine Mutter. Sie meinte, er sei zu fett.«
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