Chipniederlage
Von Arnold SchölzelIm September 2024 legte der US-Chipkonzern Intel seine Pläne für den Bau zweier Werke bei Magdeburg auf Eis. Nach der US-Wahl Anfang November äußerten mehrere Ökonomen Zweifel, dass aus den Fabriken noch etwas wird. Trump, hieß es, wolle so viel Industrie wie möglich in die USA zurückholen. Am 1. Dezember wurde dann Intel-Chef Pat Gelsinger gefeuert, der auch das Vorhaben in Sachsen-Anhalt vorangetrieben hatte. Am 31. Dezember beleuchtete nun die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) unter der Überschrift »Riskante Wette im Chipkonflikt mit China« den Hintergrund des Problems. In den Unterzeilen steht: »Mit der Unterstützung Joe Bidens hätte die Firma Intel die USA bei Computerchips unabhängiger machen sollen. Nun muss sich Donald Trump des in Schieflage geratenen Projekts annehmen.«
Der Autor des Artikels, NZZ-Wissenschaftsredakteur Philipp Wolf, schreibt: »Intels Produktion steht vor dem Aus, und die USA stehen im Chipkonflikt mit China vor einer Schmach.« Die Ursache: Der im Sommer 2022 überparteilich im Kongress angenommene CHIPS and Science Act ist ein Flop. 280 Milliarden US-Dollar sollten für inländische Forschung und Herstellung modernster Chips bereitgestellt werden – vordergründig eine Aufholjagd gegen TMSC aus Taiwan und Samsung aus Südkorea. Im Vergleich zu ihnen war Intel in Rückstand geraten, Biden und Gelsinger hatten sich vorgenommen, die alte Überlegenheit wiederherzustellen. Wolf: »Als Chipdesigner hatte Intel zunächst die Smartphonerevolution verpasst und agierte dann im Bereich der künstlichen Intelligenz zu zögerlich. Intel war vom Vorreiter zum Nachzügler geworden.« Das aber darf nicht sein. Denn, so Wolf: Die modernsten Chips, die auch von militärischer Bedeutung sind, »stehen im Zentrum eines immer vehementer ausgetragenen Wettstreits um technologische Vorherrschaft zwischen den USA und China. Intel sollte den USA zu einem wichtigen Sieg im Chipkonflikt verhelfen.«
Aus Sicht des NZZ-Redakteurs ist die Bilanz vorläufig zweigeteilt. Die technologische Aufholjagd sei gelungen: »Mitte 2025 will Intel mit der serienmäßigen Produktion von Chips beginnen, die jenen von TSMC ebenbürtig sind.« Das Problem aber: Intel hat mit seinen Plänen für viele neue Fabriken, darunter die in Magdeburg, zu hoch gepokert. Es gibt nicht genug Kunden für die Chips. Das Wort »Überproduktionskrise« verwendet der NZZ-Redakteur nicht, beschreibt aber eine: »Selbst als die Biden-Regierung höchstselbst versucht, amerikanische Kunden für Intels Fabriken zu gewinnen, bleibt der Erfolg aus.« Konzerne wie Apple, Nvidia oder AMD hätten abgelehnt. Nach Gelsingers Abgang habe sich die Bank Citigroup sogar für ein Ende der Chipproduktion bei Intel ausgesprochen. Bidens Strategie drohe »zusammenzufallen«.
Dessen Wette werde aber nun die Trumps, der in seiner ersten Amtszeit auf TMSC gesetzt hatte. Aber: »Allein schon wegen der Bedeutung Intels für das amerikanische Militär erscheint es unmöglich, dass die Trump-Regierung das Unternehmen fallen lässt. Auch wenn es ihm noch so sehr missfallen mag, den kriselnden Plan eines Vorgängers weiterzuverfolgen, dessen mentale Fitness er vor wenigen Monaten noch bezweifelt hat: Auch unter Trump dürfte die staatliche Unterstützung für Intels Chipproduktion weiter ausgebaut werden.«
Und vor allem, worauf Wolf nicht mehr eingeht, wegen China. Vorläufige Bilanz: Im Kampf um die Beherrschung der fortgeschrittensten technischen Produktivkräfte greifen die USA zu staatsmonopolistischen, letztlich planwirtschaftlichen Maßnahmen. Tritt Überproduktion ein, hilft das Militär aus der Krise, schließlich herrscht Kriegswirtschaft. Eine andere Variante kennt Kapitalismus nicht.
Tritt Überproduktion ein, hilft das Militär aus der Krise, schließlich herrscht Kriegswirtschaft. Eine andere Variante kennt Kapitalismus nicht.
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