Nachschlag: Nobelpreis für Geduld
Einmal musste er wiederkommen. Jahre, nachdem Christian Drosten – erst zum Kanzler der Herzen, Sachwalter der Vernunft, Inbegriff der Forschung emporgehoben, später zum Faselbert, Schattenkanzler und Manipulator erklärt – aus dem Podcast »Coronavirus-Update« ausgeschieden war, kehrt er ins Medium zurück. Viereinhalb Stunden lang. Ihm gegenüber: Thilo Jung, später Hans Jessen. Das Politische bleibt auf der Strecke, gesellschaftliche Fragen werden sanft angesteuert und seicht beantwortet. Was aber sein Fach und Wissenschaftskommunikation betrifft, bleibt der gelockte Knispel eine Klasse für sich. Immer wieder weiß er zu zeigen, dass umlaufende Erzählungen und verbreitete Urteile über das zurückliegende Pandemiegeschehen zu schwach gedacht, kontrafaktisch oder nicht auf dem Forschungsstand sind. Man mag ihn mögen oder nicht, die Coronapolitik scheiße finden oder nicht, keiner seiner Kontrahenten, Kritiker und Hater argumentiert auf seinem Niveau. Der Nobelpreis für Geduld ist ihm sicher. (fb)
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (24. Januar 2025 um 10:29 Uhr)Vielen Dank für den Hinweis. Der Titel »Nobelpreis für Geduld« ist gut gewählt. Etwas über die Hälfte des interessanten Gesprächs hab ich bisher angeschaut. Hier ein kleiner Ausschnitt: 1:40:55 Tilo Jung: »Mein Eindruck ist, dass auf dem Rücken der Kinder jetzt hier Kritik an den Maßnahmen gemacht werden und quasi die ganze Pandemiepolitik damit abgeräumt wird und dann quasi die Kinder vorgeschoben werden.« 2:40:40 Christian Drosten: »Jetzt muss man sich fragen, woher kamen diese Argumentationen und welche Intentionen lagen da dahinter und hätte man nicht lieber mehr mit offenem Visier argumentiert. Hätte man vielleicht mal in der Öffentlichkeit oder im Parlament, wo es eigentlich hingehört, die Frage diskutieren müssen: Wie schutzberechtigt sind denn die alten Menschen, die tragen ja nichts mehr zum Bruttosozialprodukt bei und verursachen die höchsten Kosten in der Medizin. So ein Argument könnte man fahren und ich bin mir sicher, dass manche in der Politik im Hinterkopf dieses Argument hatten, vielleicht gar nicht ausgesprochen, sondern nur gefühlt.« Tilo ironisch: »Ja, wenn jetzt ein paar mehr sterben, ist doch gut, dann kostet uns das weniger.« Drosten: »Ja, das ist eine unmenschliche, nicht humanistische Argumentation, die man aber dennoch im politischen Raum führen kann und wollte und wenn, nur um sich zu vergegenwärtigen, was das kontrafaktische Szenario ist, dass es zu verhindern gilt, dass man das eben nicht will und dass man sich gegenseitig bekennt, dass jeder Mensch gleich viel wert ist, egal, wie alt er ist, und egal, ob er arbeitet oder nicht, weil er ist ein Mensch und jedes Leben ist zu schützen. Wollen wir das anerkennen oder wollen wir das nicht so anerkennen, wollen wir differenzieren? Ich sitze hier nicht als Politiker, ich habe dazu meine private, sehr klare Meinung.«
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