Politisierende Generäle
Von Kristian Stemmler
Lange war es eher unüblich, dass deutsche Generäle sich öffentlich mit Betrachtungen zur Weltlage zu Wort melden. Aber auch das hat sich im Zuge der »Zeitenwende« geändert: Solche Wortmeldungen, die durchweg auf die Förderung der »Kriegstüchtigkeit« zielen, häufen sich – gewiss nicht ohne Abstimmung – seit 2022. Nun hat Generalleutnant Alexander Sollfrank, Befehlshaber des am 1. Oktober 2024 neu aufgestellten Operativen Führungskommandos der Bundeswehr, mit den üblichen unbelegten Allgemeinplätzen vor angeblichen russischen Störaktionen gewarnt. »Wir sind nicht mehr im Frieden. Wir beobachten feindliche Aktivitäten auf die Bundeswehr in Deutschland, auf Infrastruktur, auch Ausspähungen«, dozierte er gegenüber dpa. Es gebe »Eindringversuche« in Liegenschaften der Bundeswehr und »Drohnensichtungen«. Konkrete Fälle, in denen hier eine Verbindung nach Russland nachgewiesen wurde, führte er nicht an.
Der General verwies auch auf die Schäden an Leitungen in der Ostsee, musste allerdings einräumen, dass deren Hintergründe noch nicht aufgeklärt sind. Man wisse noch nicht genau, »wie es sich zugetragen hat oder wer dahintersteckt«, sagte er. Es gebe »schon Verdachtsmomente, wie sich das Ganze zugetragen haben könnte und dass da auch eine klare schädigende Absicht dahintersteht«. Dass solche versehentlichen Beschädigungen regelmäßig vorkommen und medial nie sonderlich beachtet wurden, erwähnte Sollfrank nicht.
Sollfrank konstatierte weiter, dass diese Vorfälle »die Wahrnehmungsebene unserer Bevölkerung« erreicht haben. »Dieses latente Bedrohungsgefühl einer militärischen Eskalation mit Russland ist schon da«, sagte der General, während er damit beschäftigt war, genau dieses »latente Bedrohungsgefühl« zu nähren. Er gab sich überzeugt, dass Russland gezielt anteste, welche Reaktionsmechanismen es bei Störungen gebe und wie es um den Willen, dagegenzuhalten, bestellt sei. »Es sind Cyberangriffe, es sind Sachbeschädigungen, es sind Ausspähungen und gezielte Desinformationen«, sagte er. Russland wende all dies an, um Deutschland und die NATO zu schädigen, allerdings unterhalb der Schwelle eines militärischen Konflikts und ohne dass dies zugeordnet werden könne. Man nutze das »ganze Spektrum von Möglichkeiten, die im Werkzeugkasten sind, mit einer Ausnahme: einen klassischen Angriff mit konventionellen Streitkräften«. Die »klare Absicht und der klare Wille, unser Land gegen jegliche Art von Aggression zu verteidigen«, seien absolut vorhanden.
Am Säbelrasseln beteiligte sich am Donnerstag auch der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz. Auf dem rheinland-pfälzischen US-Militärflugplatz Ramstein erklärte der General, Deutschland müsse innerhalb der NATO mehr Verantwortung übernehmen. »Wenn wir alle zusammenstehen, wenn wir als NATO Seite an Seite stehen, dann müssen wir vor keiner Bedrohung Angst haben«, so Gerhartz, der sich am Donnerstag die Auszeichnung »Legion of Merit« an die Uniform heften ließ, den höchsten US-Orden für ausländische Offiziere. Gerhartz kündigte an, die Luftwaffe wolle 2027 mit einem weiteren militärischen Großmanöver »die schnelle Verstärkung der Bündnispartner in Europa trainieren«.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (31. Januar 2025 um 08:49 Uhr)Dass das Land jetzt schon »nicht mehr im Frieden« ist, in der Meinungsäußerung dieses Bundeswehrgenerals, soll wohl andeuten, dass die offizielle deutsche Kriegserklärung an Russland dann nur noch eine Formsache ist. Schuld wäre der Russe selbst, klar, weil er sich nicht lautstark und überzeugend genug gegen die erhobenenen Anschuldigungen und Unterstellungen gewehrt hat (egal, wer wirklich die Kabel, z. B., beschädigt hat). Hatten die Polen bei Gleiwitz auch nicht. Selbst schuld, also. Das ist wohl die Logik des Generals(?).
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (31. Januar 2025 um 00:11 Uhr)Lesen die Herren Sollfrank und Gerhartz aus dem Kaffeesatz oder aus dem, was sie im Spiegel ihrer selbst sehen? Die langweilige Deklamation des Drehbuchs »NATO 2030: Geeint in ein neues Zeitalter, Analyse und Empfehlungen der vom NATO-Generalsekretär eingesetzten Reflexionsgruppe, 25. November 2020« (immer noch da: https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2439466/0852f283a611b62ee0c852a700c4a820/201202-reflexionsgruppe-ergebnisse-arbeitsuebersetzung-data.pdf) geht mir allmählich auf den Sack. Haben die Langweiler nix neues auf der Pfanne? Wenn die wenigstens was von Tukydides, Machiavelli oder Clausewitz verzapfen täten, könnte man ja noch ins Grübeln kommen. Der Quatsch mit Soße vom Maizière lässt meinen Hals allmählich trockenfallen.
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