Greta in der Wüste
Von Jakob ReimannSie gilt als »letzte Kolonie in Afrika«: Mit westlicher Unterstützung hält Marokko seit 50 Jahren die Besetzung der Westsahara aufrecht, beutet ihre Ressourcen aus, führt Krieg gegen die Bevölkerung und sperrt Aktivisten hinter Gittern, foltert sie. 1975 wurde die Westsahara in einem schmutzigen Deal Spaniens mit Marokko und Mauretanien von einem Kolonialisten an die nächsten übergeben. Mauretanien zog 1979 ab, seitdem sind zwei Drittel des Gebiets von Marokko besetzt, während die »befreiten Gebiete« von der Polisario-Front kontrolliert werden.
»Das sahrauische Volk hat ein Recht auf Selbstbestimmung, auf Freiheit und ein Recht auf Würde«, erklärte die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg im Interview mit dem sahrauischen Onlineportal Saharawi Voice. Diese Rechte würden den Menschen »jedoch gewaltsam verweigert«. Thunberg war Anfang Januar Rednerin auf einer Konferenz im sahrauischen Vertriebenencamp Boujdour bei Tindouf im äußersten Westen Algeriens, auf der Aktivisten aus mehr als einem Dutzend Ländern ihre Solidarität zum Ausdruck brachten. Die Welt hingegen bleibe still, so Thunberg, und diese Stille gehe mit Komplizenschaft einher.
»Die Ausbeutung und Plünderung der natürlichen Ressourcen« der Westsahara gehe »Hand in Hand mit der Besetzung und Unterdrückung von Menschen«, so Thunberg. In der Tat verfügt die Westsahara über enorme Phosphorvorkommen. Auch ihre Fischgründe sind üppig und werden von internationalen Konzernen ausgebeutet. Sonne und Wind im besetzten Gebiet sind zentrale Elemente in der Strategie zur Energietransformation der EU. Mit Windparks und Photovoltaikfarmen wird hier auf angeblich ökologische Weise Strom gewonnen, künftig soll auch »grüner« Wasserstoff produziert werden. Während der Krieg in der Ukraine und deren teilweise Besetzung als Begründung herangezogen wurden, jegliche Energiekooperation mit Russland einzustellen, unterstützt die EU mit seinen Projekten Marokkos Krieg gegen die Westsahara und betreibt so Greenwashing der Besetzung.
Auftritt Annalena Baerbock: Im August 2022 reiste die Bundesaußenministerin nach Rabat zum Besuch bei ihrem marokkanischen Amtskollegen Nasser Bourita und brachte dort die deutsche Unterstützung für den Plan des marokkanischen Königshauses zum Ausdruck, sich die Westsahara als integralen Teil Marokkos mit teilweiser »Autonomie« einzuverleiben. Die Besetzung würde so zementiert, sahrauische Selbstbestimmung begraben. Dass die UNO den Sahrauis bereits vor Jahrzehnten ein Unabhängigkeitsreferendum zugesichert hat, interessiert Baerbock, die nach eigener Aussage »aus dem Völkerrecht« komme, anscheinend nicht. Ihre Aufgabe als Chefdiplomatin ist es, deutsche Kapitalinteressen im Ausland zu vertreten. Zu den Hauptprofiteuren der Besetzung gehören der deutsche Multi Siemens und dessen Tochterunternehmen, die an sämtlichen marokkanischen Windparks in dem besetzten Gebiet beteiligt sind, ohne dabei ausreichend die sahrauische Bevölkerung zu konsultieren und finanziell zu beteiligen.
Unter extremen klimatischen Bedingungen leben Hunderttausende Sahrauis derweil seit Jahrzehnten in den Lagern in Algerien und trotzen dort Sonne und Kolonialismus. Am Ende des Solidaritätsgipfels stimmten alle gemeinsam ein: »Sahara libre!«
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